In einem (Kapitalgesellschafts-)Konzern dient eine ertragsteuerliche Organschaft der Vermeidung ertragsteuerlicher Nachteile, die aus der Mehrstufigkeit der Unternehmensstruktur resultieren können (z. B. Vermeidung einer Ausschüttungskaskade, Verlustverrechnung etc.). In einer „klassischen“ Organschaftsstruktur besteht eine unmittelbare Organschaft zwischen Organträger und Organgesellschaft (z. B. Organträger-AG hält unmittelbar sämtliche Anteile der Organgesellschaft-GmbH). Eine mittelbare Organschaft liegt dagegen vor, wenn der Organträger unmittelbar an z. B. einer Zwischen-GmbH beteiligt ist und die Zwischen-GmbH unmittelbar sämtliche Anteile an der Organgesellschaft hält. Ein Gewinnabführungsvertrag und eine Organschaft bestehen in diesem Fall lediglich zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft, die Zwischen-GmbH hat – vereinfacht dargestellt – keine besondere Funktion. Da in der Praxis regelmäßig keine (steuerlichen) Gründe für die Errichtung einer mittelbaren Organschaft vorliegen, führt die Struktur ein „Schattendasein“. Ein aktualisierter Erlass des FinMin. Schleswig-Holstein (vom 8. 12. 2011 – VI 3011 – S 2770 – 054, DStR 2012 S. 1607) zur Bildung und Auflösung aktiver und passiver Ausgleichsposten nach § 14 Abs. 4 KStG bei mittelbarer Organschaft dürfte dazu führen, dass dieser Schatten kleiner wird. Worum geht es?
Bildung und Auflösung eines organschaftlichen Ausgleichspostens als Folge einer organschaftlichen Mehrabführung in einer unmittelbaren Organschaft
Eine (inner-)organschaftliche Minder- oder Mehrabführung liegt vor, wenn der von einer Organgesellschaft an den Organträger auf der Grundlage des Ergebnisabführungsvertrags abzuführende (handelsrechtliche) Gewinn (z. B. 100) vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft (z. B. 0) abweicht und die Ursache für die Gewinnabweichung in organschaftlicher Zeit liegt (§ 14 Abs. 4 Satz 1 und 6 KStG). Übersteigt der abzuführende handelsrechtliche Gewinn den Steuerbilanzgewinn, liegt eine Mehrabführung vor (z. B. 100), im umgekehrten Fall eine Minderabführung. Ursache einer Mehrabführung kann z. B. eine Teilbetriebsausgliederung auf Ebene der Organgesellschaft sein (z. B. Organgesellschaft gliedert Teilbetrieb [handelsrechtlicher Buchwert: 0, Zeitwert: 100] auf eine neue Tochter-GmbH unter Ansatz handelsrechtlicher Zeitwerte [Gewinnauswirkung: 100] und steuerlicher Buchwerte [Gewinnauswirkung: 0] aus; die Transaktion hat keine Sperrfristverhaftung der Anteile an der Organgesellschaft nach § 22 Abs. 1 UmwStG zur Folge).
Der Organträger erhält in Folge der Transaktion eine Zahlung der Organgesellschaft in Form der handelsrechtlichen Gewinnabführung (100), in der Steuerbilanz hat er nach § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG (einkommensneutral) einen passiven Ausgleichsposten zu bilden (100). Bei einer Organträger-Personengesellschaft wäre eine Entnahme des „erzeugten“ (handelsrechtlichen) Gewinns durch die Gesellschafter denkbar.
Die Mehrabführung der Organgesellschaft führt wirtschaftlich dazu, dass der Verkehrswert der Organgesellschaft in Folge der (hohen) Gewinnabführung an den Organträger sinkt (Verkehrswert – 100). Veräußert der Organträger in der Folgezeit seine Organbeteiligung, so ist der passive Ausgleichsposten einkommenswirksam aufzulösen (Gewinn aus Auflösung des Ausgleichspostens 100). Im Ergebnis steht der Organträger so, wie er ohne Mehrabführung gestanden hätte (Fall ohne Mehrabführung: Veräußerungsgewinn 100, kein Ausgleichsposten = Gewinn 100; Fall mit Mehrabführung: Veräußerungsgewinn 0, Gewinn aus Auflösung des Ausgleichpostens 100 = Gewinn 100).
Bildung und Auflösung eines organschaftlichen Ausgleichspostens als Folge einer organschaftlichen Mehrabführung in einer „mittelbaren“ Organschaft
Fraglich ist, wie der vorstehend skizzierte Sachverhalt zu behandeln ist, wenn zwischen Organträger und Organgesellschaft – über eine Zwischen-GmbH – nur eine mittelbare Organschaft besteht. Eine spezielle gesetzliche Bestimmung, in der die Folgen einer Minder- oder Mehrabführung im Fall einer mittelbaren Organschaft geregelt sind, existiert nicht. Im Fachschrifttum wird der Fall kontrovers diskutiert. Bei Zugrundelegung des aktualisierten Erlasses des FinMin. Schleswig-Holstein (a.a.O.) dürfte nach meinem Verständnis das Folgende gelten:
Infolge der Mehrabführung der Organgesellschaft ist beim Organträger ein passiver Ausgleichsposten zu bilden (100), bei der Zwischen-GmbH ist kein Ausgleichsposten zu bilden. Der Ausgleichposten ist – wie vorstehend skizziert – einkommenswirksam aufzulösen, wenn der Organträger seine unmittelbare Beteiligung an der Zwischen-GmbH (und damit auch seine mittelbare Beteiligung an der Organgesellschaft) veräußert. Bemerkenswert ist, dass der Ausgleichsposten nicht aufzulösen sein soll, wenn die Zwischen-GmbH ihre unmittelbare Beteiligung an der Organgesellschaft veräußert (der Organträger seine Beteiligung an der Zwischen-GmbH jedoch behält). Danach könnte die „nachteilige“ Postenauflösung auf Ebene des Organträgers trotz „mittelbarer“ Veräußerung der Organbeteiligung durch den Organträger vermieden werden. Der Konzern kann die durch eine Mehrabführung „abgewertete“ Organgesellschaft (Verkehrswert: 0) ohne sofortige Nachversteuerung in Form der Auflösung des Ausgleichspostens veräußern. Erst wenn der Organträger in einem zweiten Schritt seine unmittelbare Beteiligung an der Zwischen-GmbH veräußert, käme es zur Auflösung des passiven Ausgleichspostens.
Die Rechtsauffassung des FinMin. Schleswig-Holstein ist mit Blick auf § 14 Abs. 4 KStG gut nachvollziehbar, eine diese Gesetzesauslegung bestätigende Entscheidung eines FG wäre m. E. gut begründbar. Die skizzierten steuerlichen „Verwerfungen“ – die sich durch eine entsprechende Strukturierung im Einzelfall nutzbar machen lassen – sind Folge der gesetzlichen (Ausgleichsposten-)Lösung der Minder- und Mehrabführungs-Thematik. Unter Berücksichtigung der skizzierten Auffassung der Verwaltung dürfte die Bedeutung der mittelbaren Organschaft in der konzernsteuerlichen Gestaltungsberatung zunehmen.
(Zitiervorschlag: von Freeden, Steuerboard DB0490863)