Risiken und Nebenwirkungen der ErbSt-Verschärfung durch das JStG 2013 – Auch Familienunternehmen betroffen

RA/StB Dr. Stephan Viskorf, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, München

RA/StB Dr. Stephan Viskorf, Partner bei P+P Pöllath + Partners, München

Der Bundesrat hat am 6. 7. 2012 in seiner Stellungnahme zum JStG 2013 verschiedene Verschärfungen des ErbStG vorgeschlagen (BR-Drucks. 302/12 [B], DB0483199; vgl. auch DB0483201). Die wohl bedeutendste Änderung betrifft den Ausschluss einer Gestaltungsmöglichkeit, welche als sog. „Cash-GmbH“ bekannt ist. Mit dieser Gestaltungsmöglichkeit können liquide Mittel in einer GmbH gebündelt und steuerfrei als Betriebsvermögen verschenkt werden. Möglich ist dies, da Betriebsvermögen z. B. in Form einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei übertragen werden kann, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft zu nicht mehr als 10% aus Verwaltungsvermögen besteht. Bisher zählt Barvermögen („Zahlungsmittel, Sichteinlagen und Bankguthaben“) nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Dies wird sich in Zukunft ändern, wenn das Vermögen des Betriebs zu mehr als 10% aus Barvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 2 ErbStG-E). In diesem Fall gehört das gesamte Barvermögen zum schädlichen Verwaltungsvermögen (Freigrenze).

Abwenden der Verfassungswidrigkeit?

Die „Cash-GmbH“ wurde bereits vom BFH in seinem Beiladungsbeschluss (BFH-Beschluss vom 5. 10. 2011 –  II R 9/11, BStBl. II 2012 S. 29 = DB 2011 S. 2581) aufgegriffen. Ausweislich der Gesetzesbegründung hofft der Gesetzgeber mit der Änderung nicht nur eine Gestaltungslücke zu schließen, die massenhaft genutzt wurde. Der Gesetzgeber hofft wohl auch, durch die kurzfristige Abschaffung der „Cash-GmbH“, die vom BFH für möglich erachtete Verfassungswidrigkeit des aktuellen ErbStG noch abwenden zu können (BR-Drucks. 302/12 [B], DB0483199, S. 114 f.; BT-Drucks. 17/10604, DB0491934, S. 117 ff.). Es darf bezweifelt werden, ob dieser Versuch gelingen wird.

Misslungene Neuregelung: Stark überschießende Tendenz

Aus steuerlicher Sicht ist die Neuregelung bereits jetzt als misslungen zu bezeichnen. Die Wahl der 10%-Grenze erscheint willkürlich und viel zu gering. Auch die Zulassung einer deutlich höheren Quote hätte die nicht mehr gewollte Gestaltungsoption „Cash-GmbH“ – jedenfalls für die breite Masse der Fälle – mit Sicherheit beseitigt. Denn in der Vielzahl der Fälle bestand das Vermögen der Kapitalgesellschaft zu 100% aus Barvermögen. Insofern wäre bereits eine Quote von 50% ausreichend. Dass ein Steuerpflichtiger einen operativen Betrieb mit entsprechender Lohnsumme und Risikoprofil erwirbt, nur um Barvermögen in gleicher Höhe begünstigt übertragen zu können, erscheint fernliegend. Durch die viel zu geringe Grenze für Barvermögen hat die Regelung eine stark überschießende Tendenz und erfasst auch Fälle, bei denen eine Gestaltung sicher auszuschließen ist.

Profitable Familienunternehmen in besonderen Maße betroffen

Gerade eigenkapitalstarke Familienunternehmen mit hohen Kapitalreserven sind besonders von der Regelung betroffen. Ihnen wird zukünftig die Inanspruchnahme der Optionsverschonung (vollumfängliche Steuerfreistellung) von vornherein verwehrt. Denn ein Überschreiten der 10%-Grenze für Barvermögen hat zugleich zur Folge, dass die 10%-Grenze für Verwaltungsvermögen nicht erreicht werden kann. Erfasst sein können zudem Familienbetriebe, die z. B. zur Finanzierung der Erweiterung ihrer Geschäftsfelder flüssige Finanzmittel ansparen, sich finanziell gegen kurzfristige Nachfrageschocks absichern wollen oder in investitionsintensiven Branchen wie dem Anlage- und Maschinenbau tätig sind und daher zwingend notwendig über einen hohen Bestand an liquiden Mitteln verfügen. In vielen Fällen wird es damit vom Zufall abhängen, ob die Optionsverschonung beantragt werden kann oder nicht.

Negativer Kaskadeneffekt

Noch dramatischere Konsequenzen können sich ergeben, wenn die Liquiditätsreserven des Konzerns in nachgelagerten Tochtergesellschaften liegen. Die Eigenschaft des Barvermögens als Verwaltungsvermögen kann dazu führen, dass auch das Vermögen der Muttergesellschaft infiziert wird und insgesamt als Verwaltungsvermögen gilt. Setzt sich dieser Effekt über mehrere Beteiligungsebenen fort, kann sich eine Kaskade von Verwaltungsvermögen aufbauen, die letztlich sogar die Begünstigung des gesamten Betriebs in Frage stellt (negativer Kaskadeneffekt).

Möglichkeiten zur Entschärfung der Regelung

Zwei Möglichkeiten existieren, um die Regelung im Gesetzgebungsverfahren zu entschärfen. Zum einen erscheint naheliegend eine deutlich höhere Freigrenze zuzulassen. Wie bereits gesagt, ist auch eine Quote von 50% geeignet, die massenhafte Nutzung der Gestaltungsmöglichkeit zu unterbinden. Bereits aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist es geboten, den Tatbestand nicht unnötig zu verschärfen und damit die Begünstigung von Familienunternehmen zu gefährden, die in keinem Zusammenhang mit dem Ausnutzen von Gestaltungsmöglichkeiten wie der „Cash-GmbH“ stehen. Zum anderen könnte erwogen werden, anstatt einer Freigrenze einen Freibetrag einzuführen. Damit würde zumindest eine einigermaßen angemessene Finanzausstattung von Unternehmen in jedem Fall begünstigt bleiben. Zudem könnte die Gerechtigkeit in Grenzfällen erhöht werden, in denen die Grenze von 10% lediglich geringfügig unter- oder überschritten wird.

(Zitiervorschlag: Viskorf, Steuerboard DB0492242)

 

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