Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden u. a. Schuldzinsen (zu 25%) und Miet- und Pachtzinsen für Grundstücke (zu 12,5%) und für bewegliche Wirtschaftsgüter (zu 5%) für Zwecke der GewSt dem Gewinn wieder hinzugerechnet. Begründet wird dies mit dem (inzwischen) wohl zweifelhaften Charakter der GewSt als Objektsteuer, die den Gewerbebetrieb als solchen und nicht den Gewerbetreibenden besteuern will.
FG Hamburg hält Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten für verfassungswidrig
Das FG Hamburg hat mit Beschluss vom 29. 2. 2012 (1 K 138/10, DB0470865) dem BVerfG (1 BvL 8/12) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die o. g. Hinzurechnungen in § 8 Nr. 1 GewStG verfassungswidrig sind. Eine solche Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nach der Rspr. des BVerfG nur zulässig, wenn die Richter von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt sind und dies in Auseinandersetzung mit Rspr., Literatur und der Gesetzesbegründung erschöpfend darlegen. Bekanntlich hat das FG Niedersachsen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der GewSt dem BVerfG daher mehrmals – und schließlich ohne Erfolg – vorlegen müssen.
Geringer sind die Hürden dagegen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Steuerbescheids: So soll die AdV bereits bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids erfolgen. Was aber gilt, wenn diese ernstlichen Zweifel „nur“ auf der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Steuernorm beruhen, wird in der Rspr. der FG und auch innerhalb des BFH unterschiedlich beurteilt.
FG Köln lehnt AdV trotz ernsthafter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ab
Über eine AdV aufgrund der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG hatte vor kurzem das FG Köln zu entscheiden (Beschluss vom 4. 7. 2012 – 13 V 1292/12, DB0484529). Obwohl die Richter bereits aufgrund der Vorlage ihrer Hamburger Kollegen von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 1 GewStG ausgingen, lehnten sie die AdV des GewSt-Messbescheids ab, weil sie das öffentliche Interesse an der Vollziehung der fiskalisch bedeutsamen GewSt-Hinzurechnungen als höher einstuften.
Dabei betraf der Streitfall ein Unternehmen, das vom „Objektsteuercharakter“ der GewSt in Form der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG besonders getroffen wurde. Denn die klagende GmbH betrieb mehrere Hotels ausschließlich in angepachteten Gebäuden und mit angepachtetem Mobiliar. Im Streitjahr 2009 wandte sie Pachtzinsen i. H. von rund 56 Mio. € für Gebäude und rund 9 Mio. € für bewegliche Wirtschaftsgüter auf. Daraus ergab sich – mit weiteren Hinzurechnungen – ein gewerbesteuerlicher Hinzurechnungsbetrag von rund 9,5 Mio. €. Dadurch wandelte sich ein handelsbilanzieller und körperschaftsteuerlicher Verlust zu einem Gewerbeertrag von rund 5,4 Mio. €. Trotz Verlusten zahlte die klagende GmbH daher GewSt für ihre 21 Betriebsstätten, die sie – wie sie vor Gericht vortrug – aus ihrer Substanz bezahlen müsse und sie in ihrer Existenz gefährde.
Ohne nähere Prüfung bejahte das FG Köln ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des GewSt-Messbescheids „allein bereits aufgrund des o. g. Vorlagebeschlusses des FG Hamburg“. Das FG Köln unterließ allerdings nicht den Hinweis, dass der Vorlagebeschluss möglicherweise unzulässig sei, weil das BVerfG in der Vergangenheit bereits mehrfach über die Verfassungsmäßigkeit gewerbesteuerlicher (Hinzurechnungs-)Vorschriften befunden habe. Der Senat ließ daher offen, ob er die Vorlage der Hamburger Kollegen als zulässig ansieht.
Das FG Köln hält aufgrund der fiskalischen Bedeutung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften vor allem die ordentliche Haushaltsführung der Kommunen für ernsthaft gefährdet und sieht daher das öffentliche Interesse am Vollzug der entsprechenden Steuerbescheide überwiegen. Die Antragstellerin habe dagegen nicht hinreichend dargelegt, dass sie die fällige GewSt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage nicht zahlen könne.
Andere FG bzw. Senate des BFH lassen dagegen offen, ob die AdV eines Steuerbescheids bei ernsthaften Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Steuernorm unter dem Vorbehalt überwiegender öffentlicher (fiskalischer) Interessen steht. Dies wird im steuerrechtlichen Schrifttum überwiegend verneint.
Fazit
Zwar sind ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit von GewSt-Messbescheiden mit Hinzurechnungen von Zinsen, Mieten und Pachten schon im Hinblick auf die Vorlage des FG Hamburg zu bejahen. Ob ein AdV-Antrag aber Erfolg hat, hängt zum einen davon ab, welchen Standpunkt der entscheidende Senat zu der umstrittenen Frage der Interessenabwägung bei AdV-Anträgen wegen der Verfassungswidrigkeit der Steuernorm einnimmt, und zum anderen, ob die Zahlung der GewSt aufgrund der Hinzurechnungen den Antragsteller in eine existenzgefährdende Lage bringt.
(Zitiervorschlag: Specker, Steuerboard DB0498028)