Verluste bei Termingeschäften – was lange währt, wird manchmal doch gut

RA Ronald Buge, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Die Verrechnung von Verlusten mit steuerpflichtigen Gewinnen ist seit jeher ein sowohl politisch als auch im Verfahren vor den Finanzbehörden hoch umstrittenes Thema. Die Finanzverwaltung und ihr folgend der Gesetzgeber wittern schnell unlautere Gestaltungen, die zu einer Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit der Staatsfinanzen führen sollen. Andererseits ist klar, dass eine Verrechnung von Verlusten mit positiven Einkünften aufgrund des der Einkommensbesteuerung zugrundeliegenden Prinzips der Leistungsfähigkeit und des daraus folgenden objektiven Nettoprinzips verfassungsrechtlich geboten ist. Ein vollständiger Ausschluss der Verlustverrechnung wäre daher wohl verfassungswidrig. Daraus folgt aber auch: Rein künstlich entstandene Verluste, die die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht gemindert haben, müssen nicht zwingend uneingeschränkt abziehbar sein.

In dem Bemühen, derartige „schlechte“ oder „unechte“ Verluste von „guten“ oder „echten“ Verlusten abzugrenzen, sind im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrzehnte mehr und mehr Vorschriften in die Steuergesetze aufgenommen worden, die eine Verrechnung von Verlusten mit positiven Einkünften mehr oder weniger stark beschränken, allerdings mit wechselndem Erfolg. Ein besonderer Markstein ist insoweit das unter dem damaligen Finanzminister Oskar Lafontaine initiierte StEntlG 1999/2000/2002, mit dem u. a. die sog. Mindestbesteuerung eingeführt wurde. Zumindest die Einschränkungen des (unterjährigen) Verlustausgleichs waren – unbeschadet der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung – derart komplex, dass sich selbst die Finanzverwaltung außerstande sah, diese Vorschrift vernünftig anzuwenden. Die Bestimmung wurde daher nur wenige Jahre später ersatzlos gestrichen.

Andere mit diesem Gesetz eingeführte Beschränkungen der Verlustverrechnung waren bzw. sind jedoch langlebiger. Hierzu gehört die eingeschränkte Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Diese sind im betrieblichen Bereich nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar. Im privaten Bereich wurden Einkünfte aus Termingeschäften zunächst den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zugeordnet, etwaige Verluste waren allerdings mit sämtlichen positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (z. B. also auch Gewinne aus Wertpapier- oder Immobilienveräußerungen innerhalb der jeweiligen Haltefristen) verrechenbar. Mittlerweile erfolgt die Besteuerung von privaten Termingeschäften im Rahmen der Abgeltungsteuer, die Verlustverrechnungsbeschränkungen sind jedoch im Wesentlichen geblieben.

Die Verlustverrechnung für Termingeschäfte sollte seinerzeit auch im Rahmen der Investmentfondsbesteuerung übernommen werden, allerdings in einem umfassenderen Kontext: Die Privilegierungen, die bei der Investmentfondsbesteuerung im Hinblick auf Veräußerungsgewinne bei Privatanlegern galten, sollten vollständig abgeschafft werden. Dies ließ sich jedoch politisch nicht durchsetzen. Es kam daher zu einem Kompromiss, wonach die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen beibehalten wurde, Termingeschäfte jedoch auch im Rahmen der Investmentfondsbesteuerung erfasst werden sollten.

Gesetzgebungstechnisch wurde dies durch einen etwas kryptisch gefassten Verweis in dem damals noch geltenden Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften bzw. dem Auslandinvestmentgesetz auf das EStG umgesetzt. In der Folge entstand ein Streit darum, ob der Verweis auch die Verlustverrechnungsbeschränkungen mit umfasse. Die Finanzverwaltung vertrat – wenig überraschend – die Auffassung, dass dies der Fall sei. Daraufhin mussten einige Investmentfonds, die ihre Erträge bislang unter voller Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften ermittelt hatten, ihre Ertragsmitteilungen anpassen und höhere Gewinne ausweisen. Etliche Anleger waren damit nicht einverstanden und legten daraufhin Einsprüche gegen geänderte Steuerfestsetzungen ein, die allerdings aufgrund eines insoweit angestrengten Musterverfahrens ruhten.

Nunmehr hat der BFH in diesem von der Kanzlei P+P Pöllath + Partners betreuten Musterverfahren entschieden (BFH-Urteil vom 18. 9. 2012 – VIII R 45/09, DB0560513), und zwar zugunsten der Stpfl.: Verluste aus Termingeschäften sind im Rahmen der Investmentfondsbesteuerung uneingeschränkt mit positiven Einkünften verrechenbar. Anleger, die seinerzeit Einspruch eingelegt haben, sollten unter Verweis auf dieses BFH-Urteil bei ihrem Finanzamt auf eine geänderte Steuerfestsetzung hinwirken. Die Umsetzung des Urteils kann finanzverwaltungsseitig allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen.

Interessant ist die Begründung des BFH: Denn der BFH bezieht in seine Überlegungen auch die weitere Rechtsentwicklung mit ein. Im Jahr 2004 wurden die steuerlichen Vorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und des Auslandinvestmentgesetzes durch das InvStG abgelöst. Die tragenden Prinzipien der Investmentfondsbesteuerung blieben jedoch erhalten. Übernommen wurde insbesondere auch die Termingeschäftsbesteuerung und – nahezu wortgleich – der besagte Verweis auf die Vorschriften des EStG.

Unabhängig von der Problematik der Termingeschäfte wurden im Zuge der Einführung des InvStG die Verlustverrechnung sowie deren Einschränkungen bei Investmentvermögen erstmals geregelt. Damit wurde zugleich offenbar, dass unter der Ägide der Vorgängerregelungen noch keine Beschränkungen der Verlustverrechnung gegolten haben können. Die Finanzverwaltung vertrat zwar die Auffassung, dass altes und neues Recht insoweit trotz des nahezu identischen Wortlauts unterschiedlich auszulegen seien, konnte den BFH jedoch nicht überzeugen.

So gesehen hat die – sonst häufig bemängelte – recht lange Verfahrensdauer (allein das Musterverfahren hat über sämtliche Instanzen nahezu 10 Jahre benötigt) einmal positive Effekte. Oder anders formuliert: was lange währt, wird manchmal doch gut!

 

 

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