Die USt bei Finanzdienstleistungen gehört seit jeher zu den problematischen Feldern des USt-Rechts. Zwar ist ein Großteil der Finanzdienstleistungen steuerbefreit. Die Steuerbefreiung ist aber nicht umfassend ausgestaltet, sodass es in diesem Bereich nach wie vor auch steuerpflichtige Umsätze gibt.
Steuerbefreiungen im USt-Recht sind regelmäßig zweischneidige Angelegenheiten. Zwar können steuerbefreite Leistungen im Grundsatz billiger angeboten werden als steuerpflichtige, weil der Preis nicht mit USt belastet ist. Diese Entlastungswirkung wird jedoch erheblich geschmälert, weil mit der Steuerbefreiung regelmäßig der Ausschluss des Vorsteuerabzugs einhergeht. Geht man davon aus, dass Eingangsumsätze Kostenelemente der Preise darstellen, muss ein Unternehmer, der steuerfreie Leistungen erbringt, die auf seinen Eingangsleistungen lastende Vorsteuer über den Preis seiner Leistungen refinanzieren, d. h. seiner Kalkulation Brutto-Einkaufspreise zugrunde legen. Damit dürfte er immer noch preiswerter als der Unternehmer anbieten können, der steuerpflichtige Leistungen erbringt. Letzterer kann bei seiner Kalkulation zwar Netto-Einkaufspreise ansetzen, muss dann aber auf seinen Endpreis volle USt aufschlagen. Der Vorteil der Steuerbefreiung relativiert sich jedoch erheblich.
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Investmentvermögen bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Investmentvermögen sind Vehikel zur kollektiven Kapitalanlage, die beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger in bestimmte Vermögensgegenstände (vor allem Wertpapiere und Immobilien) anlegen. Um die Investmentanlage auch steuerlich attraktiv zu gestalten, soll der Investmentanleger weitgehend so besteuert werden wie der Direktanleger. Im Bereich des Ertragsteuerrechts wird dies mit dem im InvStG niedergelegten Grundsatz der steuerlichen Transparenz verwirklicht.
Im USt-Recht werden Leistungen zur „Verwaltung von Investmentvermögen“ von der Steuer befreit (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG). Über Inhalt und Reichweite dieser Steuerbefreiung herrscht seit jeher Streit. Wenig überraschend ist, dass die Finanzverwaltung diese Regelung eher restriktiv interpretiert wissen möchte, während die Investmentwirtschaft möglichst viele Leistungen unter „Verwaltung“ erfassen will.
Eine Vorreiterrolle hat insoweit überraschenderweise der EuGH übernommen. In einer ersten Entscheidung aus dem Jahre 2006 (Urteil vom 4. 5. 2006 – Rs. C‑169/04, Abbey National, DB 2006 S. 1039 [Ls]) stellte der EuGH zunächst fest, dass die Verwaltungsleistungen durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert werden. Verwaltungsleistungen liegen vor, wenn die betreffenden Leistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Investmentvermögen spezifisch und wesentlich sind. Von der Steuerbefreiung sind demnach nicht nur Leistungen erfasst, die unmittelbar von der Kapitalanlagegesellschaft erbracht werden, sondern auch Leistungen Dritter. Ferner kann diese Leistung auch nur einen Teilbereich aller möglichen Verwaltungsleistungen abdecken, solange die betreffende Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bildet und für die Verwaltung von Investmentvermögen spezifisch und wesentlich ist.
Aufgrund dieses Urteils musste die Finanzverwaltung bereits ihre bis dahin vertretene restriktive Auffassung revidieren. Aus Sicht der Investmentwirtschaft war das Urteil vorteilhaft. Mussten Leistungen Dritter zuvor gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft mit USt abgerechnet werden, die die Kapitalanlagegesellschaft aber nicht als Vorsteuer abziehen konnte, sind diese Drittleistungen nunmehr selbst umsatzsteuerfrei.
In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 7. 3. 2013 – Rs. C‑275/11, GfBk Gesellschaft für Börsenkommunikation mbH, DB 2013 S. 553) – der im Übrigen ein deutscher Fall zugrunde lag – hat der EuGH seine Linie konsequent fortentwickelt: Auch Beratungsleistungen (im vorliegenden Fall Kauf- und Verkaufsempfehlungen für Wertpapiere) können von der Steuerbefreiung erfasst sein. Ferner ist es nicht erforderlich, dass diese Leistungen förmlich ausgelagert wurden oder dass der Leistungserbringer (Berater) überhaupt reguliert ist.
Das Urteil ist sehr zu begrüßen, gibt es den Kapitalanlagegesellschaften doch die Flexibilität, ohne umsatzsteuerliche Nachteile, die aus ihrer Sicht besten Dienstleistungen am Markt einkaufen zu können. Diesen Aspekt hebt der EuGH im Übrigen auch ausdrücklich hervor: Kapitalanlagegesellschaften müssen in der Lage sein, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen, rein wirtschaftlich betrachtet, am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden.
Die Finanzverwaltung – gegen deren ausdrückliche Auffassung sich das Urteil richtet – wird hier wohl (erneut) umschwenken müssen. Es steht allerdings zu befürchten, dass die Finanzverwaltung hier wieder nur eine Minimallösung anbieten wird, die ihrerseits streitanfällig sein wird.
Überdies zeichnet sich am Horizont bereits weiteres Ungemach ab: Im Zuge der Umsetzung der sog. AIFM-Richtlinie werden zukünftig auch sog. Alternative Investmentfonds reguliert. Das BMF hat sich im Gesetzgebungsverfahren dahingehend positioniert, dass diese Fonds nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen sollen. Allerdings hatte der EuGH auch insoweit bereits im Jahr 2007 (Urteil vom 28. 6. 2007 – Rs. C‑363/05, JP Morgan, DB 2007 S. 1570 [Ls.]) angemerkt: Die Mitgliedstaaten sind keineswegs ermächtigt, bei der Definition der Begriffe der Befreiungsvorschrift nach der von den Investmentvermögen gewählten operativen Form zu unterscheiden, d. h. bestimmten Fonds die Steuerbefreiung zuzubilligen, anderen hingegen nicht.
Es bleibt also abzuwarten, wie sich der EuGH positionieren wird, wenn er mit dieser Frage konfrontiert wird. Dass er damit konfrontiert werden wird, davon dürfte auszugehen sein.