Ist mit der „kleinen Organschaftsreform“ der große Wurf gelungen?

WP/StB Katrin Gänsler, Allen & Overy LLP, Frankfurt/M.

WP/StB Katrin Gänsler, Allen & Overy LLP, Frankfurt/M.

Mit Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinfachung und Änderung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts durch den Bundesrat am 1. 2. 2013 wurden u. a. zahlreiche Änderungen zur körperschaftsteuerlichen Organschaft wirksam. Dabei verfolgte der Gesetzgeber allerdings nicht seinen ursprünglichen Plan der Abschaffung der Organschaft zugunsten der Einführung einer Alternative wie beispielsweise das Gruppenbesteuerungsmodell. Das Gesetz enthält vielmehr Modifikationen der bestehenden Regelungen, hier insbesondere der §§ 14 und 17 KStG, die sowohl materiell-rechtlicher als auch verfahrensrechtlicher Natur sind. Die Gesetzesänderung bringt für Unternehmen einerseits eine Reihe von Erleichterungen, da insbesondere die bisher sehr strengen Anforderungen an die Durchführung von Gewinnabführungsverträgen etwas gelockert wurden. Andererseits sind aber beispielsweise mit der eingeschränkten Verlustnutzung Regelungen eingeführt worden, die überaus kritisch zu beurteilen sind.

Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs

Nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut war die steuerliche Anerkennung von Organschaftsverhältnissen u. a. davon abhängig, dass die Organgesellschaft sowohl ihren Sitz, als auch ihre Geschäftsleitung im Inland hatte (sog. doppelter Inlandsbezug). Mit der Neufassung von § 14 KStG hat der Gesetzgeber den Grundsatz vom doppelten Inlandsbezug aufgegeben. Nunmehr kann eine Gesellschaft auch dann Organgesellschaft sein, wenn sie lediglich ihre Geschäftsleitung im Inland, aber ihren Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat hat. Weiterhin nicht erfasst sind allerdings Gesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Drittland haben, weshalb sich die Frage stellt, ob die Neuregelung ggf. einen Verstoß gegen abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote darstellt. Die Änderung ist grundsätzlich zu begrüßen, da der Gesetzgeber nunmehr endlich auch europarechtlichen Bedenken Rechnung getragen hat. Darüber hinaus können jetzt auch doppelt ansässige Gesellschaften als Organgesellschaften fungieren.

Inländische Betriebsstätte als Organträger

Als Organträger kamen bisher lediglich unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen oder nicht steuerbefreite Körperschaften bzw. gewerblich tätige Personengesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland oder ausländische Unternehmen, die im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten in Betracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers können nun auch Gesellschaften als Organträger fungieren, die keine Geschäftsleitung im Inland haben. Allerdings soll dies nur dann der Fall sein, wenn die Beteiligung an der Organgesellschaft für die gesamte Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers zuzuordnen ist. Eine inländische Betriebsstätte liegt regelmäßig dann vor, wenn die der Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach nationalem Recht als nach Doppelbesteuerungsabkommen der deutschen Besteuerung unterliegen. Es ist davon auszugehen, dass diese Regelung in der Praxis zu Problemen führen wird. So ist bereits jetzt regelmäßig die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte bzw. zum Stammhaus ein Streitpunkt zwischen Finanzverwaltung und Stpfl., insbesondere wenn es sich bei den Wirtschaftsgütern um Anteile an einer Tochtergesellschaft handelt. Diesen Diskussionen wird durch die Gesetzesänderung weiter Vorschub geleistet.

Jahresabschluss mit fehlerhaften Bilanzansätzen

Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG muss ein Gewinnabführungsvertrag, um steuerlich anerkannt zu werden, u. a. während seiner gesamten Laufzeit durchgeführt werden. Bisher galt ein Gewinnabführungsvertrag nur dann als durchgeführt, wenn der sich bei handelsrechtlich objektiv richtiger Bilanzierung ergebende Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag an den Organträger abgeführt wurde bzw. von diesem ausgeglichen wurde. Die Unrichtigkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses gefährdete damit in der Vergangenheit regelmäßig die steuerliche Anerkennung des Organschaftsverhältnisses. Zukünftig soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Gewinnabführungsvertrag auch dann als durchgeführt gelten, wenn das abzuführende handelsrechtliche Ergebnis auf fehlerhaften Bilanzansätzen beruht. Dies soll allerdings u. a. nur dann der Fall sein, wenn der Fehler bei der Bilanzerstellung nicht hätte erkannt werden müssen und dieser Fehler spätestens im der Entdeckung folgenden Jahresabschluss korrigiert wird. Zu begrüßen ist, dass ein Fehler in der Bilanz nunmehr nicht zwingend die Aberkennung der Organschaft nach sich zieht. Allerdings hat der Gesetzgeber durch die Einführung formaler Hürden und des engen zeitlichen Korrekturzeitraums die praktische Anwendung der Regelung stark eingeschränkt.

Eingeschränkte Verlustnutzung

Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG a. F. blieb ein negatives Einkommen eines doppelt ansässigen Organträgers bei der Besteuerung im Inland unberücksichtigt, wenn dieser Verlust für Zwecke der Besteuerung im Ausland berücksichtigt wurde. Zweck dieser Regelung ist es eine doppelte Verlustnutzung eines doppelt ansässigen Organträgers zu vermeiden. Da aufgrund des Wegfalls des doppelten Inlandsbezugs der Organgesellschaft nun auch Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die Organgesellschaft mehrfach ansässig sein kann, soll nunmehr auch die doppelte Verlustnutzung von Organgesellschaften verhindert werden. Im Ergebnis bleiben negative Einkünfte des Organträgers oder des Organgesellschaft bei der Besteuerung im Inland unberücksichtigt, soweit sie in einem ausländischen Staat im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder eine anderen Person berücksichtigt werden. Erfasst werden sollen mit dieser Regelung solche Fallkonstellationen, bei denen Verluste bereits in einem ausländischen Gruppenbesteuerungsregime oder anderweitig berücksichtigt wurden. Problematisch ist die Regelung vor allem aufgrund der unpräzisen Formulierung des Gesetzgebers. So sind nach dem Gesetzeswortlaut negative Einkünfte des Organträgers und der Organgesellschaft im Inland bei der Besteuerung nicht anzusetzen, wenn diese Verluste im Ausland berücksichtigt wurden.

Fraglich ist, wie weit die Finanzverwaltung den Begriff der Berücksichtigung auslegen wird, d. h. ob zukünftig der Ansatz der negativen Einkünfte in Deutschland auch dann versagt wird, obwohl die Verluste im Ausland nicht tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt haben.

Verfahrensrechtliche Neuerungen

Problematisch war in der Vergangenheit, dass zwischen der Steuerfestsetzung der Organgesellschaft und des Organträgers verfahrensrechtlich keine Verknüpfung bestand. Dies hatte in der Praxis zur Folge, dass Einkommensänderungen bei der Organgesellschaft dann nicht mehr beim Organträger berücksichtigt werden konnten, wenn hinsichtlich des Steuerbescheides des Organträgers bereits Bestandskraft eingetreten war. Dies war darauf zurück zu führen, dass nach Auffassung des BFH (u. a. BFH-Urteil vom 28. 1. 2004 – I R 84/03, DB 2004 S. 1294) die Steuerbescheide von Organträger und Organgesellschaft nicht in einem Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnis zueinander stehen. Zur Vermeidung solcher Fallkonstellationen hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 5 KStG geregelt, dass das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und alle damit zusammenhängenden anderen Besteuerungsgrundlagen zukünftig einheitlich und gesondert gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft festzustellen sind. Dies bedeutet, dass der Feststellungsbescheid bindend ist für die Besteuerung des Organträgers und daher als Grundlagenbescheid für den Steuerbescheid des Organträgers anzusehen ist.

Obwohl das Feststellungsverfahren mit einer zusätzlichen Verpflichtung des Stpfl. zur Abgabe einer Feststellungserklärung einhergeht, ist die Neuregelung zu begrüßen. Durch die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht größere Rechtssicherheit im Rahmen des Besteuerungsverfahrens, da Änderungen im Bescheid der Organgesellschaft zukünftig von Amts wegen beim Organträger berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll laut Gesetzesbegründung die gesonderte Feststellung auch eine Aussage darüber enthalten, ob eine steuerlich anzuerkennende Organschaft vorliegt. Es ist allerdings zu beachten, dass aufgrund von technischen Umstellungen das Feststellungsverfahren erst ab dem Vz. 2014 gilt.

 

Zulässigkeit eines dynamischen Verweises auf § 302 AktG

Gem. § 14 KStG können sich grundsätzlich nur Organgesellschaften in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien durch einen Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 AktG zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichten, da nur auf diese die Regelungen der §§ 291ff. AktG Anwendung finden. Demgegenüber sieht § 17 KStG allerdings vor, dass daneben auch andere Kapitalgesellschaften als Organgesellschaft fungieren können, wenn sie sich wirksam zur Gewinnabführung verpflichten. Darüber hinaus müssen auch die wesentlichen Elemente eines Gewinnabführungsvertrags vereinbart sein, d. h. die Gewinnabführung darf gem. § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG den in § 301 AktG genannten Betrag nicht übersteigen und nach alter Gesetzesfassung musste gem. § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG die Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart werden. Die Finanzverwaltung vertrat hinsichtlich der Formulierung der Verlustübernahmeverpflichtung die Auffassung, dass § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG nur dann erfüllt sei, wenn entweder der Wortlaut von § 302 AktG im Gewinnabführungsvertrag wiederholt wird oder wenn der Gewinnabführungsvertrag einen globalen Verweis auf § 302 AktG in seiner jeweils geltenden Fassung enthielt. Soweit die Verlustübernahmeverpflichtung nicht in entsprechender Form vereinbart wurde, sah die Finanzverwaltung die formalen Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG als nicht erfüllt an, was zu einer Versagung der Organschaft führte. Zur Entschärfung dieser Problematik hat der Gesetzgeber nun in der Neufassung von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG explizit geregelt, dass ein dynamischer Globalverweis auf § 302 AktG als formal zulässige Regelung der Verlustübernahmeverpflichtung anzuerkennen ist. Die Neufassung ist erstmals auf Gewinnabführungsverträge anzuwenden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden. Bereits bestehende Gewinnabführungsverträge, die bisher keinen dynamischen Verweis auf § 302 AktG enthalten, können durch Aufnahme der entsprechenden Formulierung „repariert“ werden.

Fazit

Dem Gesetzgeber hat offensichtlich die Zeit oder der Mut gefehlt, das deutsche Organschaftssystem grundlegend zu überarbeiten bzw. durch ein Alternativsystem zu ersetzen. Gleichwohl ist auch eine kurzfristige Linderung drängender „Symptome“ zu begrüßen. So hat der Gesetzgeber zwar an einigen Stellen erkennbar die richtige Richtung eingeschlagen, insgesamt bleibt jedoch ein nicht völlig zufriedenstellender Gesamteindruck, da insbesondere die eingeschränkte Verlustnutzung zu einer erheblichen Verschärfung für die Stpfl. führt.

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