Sammelauskunftsersuchen nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen gehindert

RA/StB Dipl.-Kfm. Markus Schulz, Senior Manager bei KPMG, Köln

RA/StB Dipl.-Kfm. Markus Schulz, Senior Manager bei KPMG, Köln

Die Konstellation ist einfach: Ein Unternehmer betreibt eine Internet-Webseite, über die verschiedene Nutzer (sog. Drittanbieter) Wirtschaftsgüter zum Verkauf anbieten. Je häufiger solche Verkäufe erfolgreich sind, desto mehr Umsatz erzielt der Drittanbieter. An diesen Umsätzen partizipiert grundsätzlich auch das FA über die USt, wenn die Umsätze einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. I. d. R. also eine Win-Win-Situation für den Betreiber, die Drittanbieter und den Fiskus. Jedenfalls theoretisch. Denn in praxi bleibt der Fiskus regelmäßig auf der Strecke, wenn die Drittanbieter die zur Umsatzbesteuerung erforderlichen Angaben nicht machen und damit die Umsätze nicht der USt unterworfen werden. Die Finanzverwaltung wird also versuchen, die Besteuerung sicherzustellen und an die notwendigen Daten zu gelangen. Da die Drittanbieter regelmäßig unter Pseudonymen auftreten und die richtigen Namen nicht bekannt sind, bietet es sich an, ein Sammelauskunftsersuchen an den Betreiber zur Bekanntgabe aller seiner Nutzer mit einem Umsatz oberhalb des vorgenannten Schwellenwertes zu richten. Die Frage, ob ein solches Sammelauskunftsersuchen rechtmäßig ist, war dann auch Gegenstand einer jüngsten Entscheidung des BFH vom 16. 5. 2013 (II R 15/12, DB0600503).

Der Sachverhalt

In dem vom BFH entschiedenen Fall bat die Steuerfahndungsstelle die Klägerin, eine in Deutschland ansässige GmbH, um Auskunft über sämtliche Nutzer innerhalb eines bestimmten Bundeslandes, die in der Zeit vom 1. 1. 2007 bis zum 31. 12. 2009 als Drittanbieter für mehr als 17.500 € pro Jahr Verkäufe getätigt hatten (u. a. über Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift, Telefon, Bankverbindung, Kreditkarte sowie detaillierte Aufstellung über sämtliche in dem Zeitraum getätigte Verkäufe). Die Plattform nebst Website wurde allerdings nicht von der Klägerin, sondern von einer Schwestergesellschaft mit Sitz in Luxemburg betrieben. Die Klägerin hielt dem Auskunftsersuchen dann auch entgegen, dass sie als reine Servicegesellschaft zwar umfangreiche Datenverarbeitungsleistungen erbringe, nicht aber in die Abwicklung der Geschäfte der Drittanbieter eingebunden sei. Zur Erteilung von Auskünften sei die Klägerin aufgrund der für sie bindenden Weisungen der Schwestergesellschaft nicht befugt. Die Schwestergesellschaft gebe angesichts des Umfangs des Auskunftsersuchens aufgrund der internen Richtlinien keine Daten hierzu an die Klägerin heraus. Die angeforderten Daten seien zudem auf einem Server im Ausland gespeichert, der ihr nicht gehöre, von ihr nicht gepflegt und auch nicht verwaltet werde. Die Herausgabe der Daten sei daher auch tatsächlich unmöglich und das Auskunftsersuchen daher rechtswidrig. Das FG hat daraufhin der Klage stattgegeben und das Sammelauskunftsersuchen für rechtswidrig erklärt.

Die Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Die Antwort auf ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung, so der BFH, kann nicht mit der Begründung verweigert werden, die Geheimhaltung der Daten sei privatrechtlich vereinbart worden. Grundlage des Auskunftsanspruchs ist § 93 Abs. 1 AO. Danach haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wenn diese Personen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig sind, die Pflichterfüllung für die Betroffenen möglich und ihre Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Zum Zwecke der Erteilung sind gem. § 93 Abs. 3 Satz 2 AO Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die den Personen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Allerdings, so der BFH, stehen dem Auskunftspflichtigen nur solche Unterlagen zur Verfügung, die sich in seiner Verfügungsmacht befinden oder hinsichtlich derer er einen Herausgabeanspruch hat. Sofern sich die Unterlagen im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen sie ihm aber nicht allein deshalb nicht zur Verfügung, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen vielmehr einer gesetzlichen Grundlage (wie in §§ 101 bis 104 AO) und können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden. Diese Grundsätze gelten auch für elektronisch gespeicherte, Dritte betreffende Daten, auf die der Auskunftspflichtige berechtigterweise zugreifen kann. Da das FG entschieden hat, dass das Auskunftsersuchen rechtswidrig sei, weil die Klägerin wegen der vereinbarten Geheimhaltungspflichten keine Möglichkeit habe, auf die Daten zuzugreifen, war das Urteil aufzuheben. Das FG wird nunmehr u. a. klären müssen, ob die Klägerin jedenfalls technisch in der Lage war, auf die angeforderten Daten zuzugreifen.

Würdigung und praktische Konsequenzen

Die Entscheidung des BFH stellt klar, dass privatrechtliche Vereinbarungen dem Auskunftsinteresse der Finanzverwaltung zum Zwecke einer gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern nicht entgegenstehen können. Allerdings muss kein Betreiber eines Internethandels allein auf Basis der Entscheidung eine Verpflichtung fürchten, nunmehr stets Sammelauskünfte erteilen zu müssen. Denn die Frage, wann ein Auskunftsersuchen insbesondere durch die Steuerfahndung rechtmäßig und dem Inhalt und Umfang nach gerechtfertigt ist, hat der BFH im konkreten Fall nicht entschieden.

Insbesondere aber für die „schwarzen Schafe“ unter den Internethändlern dürfte von Interesse sein, dass nach Aussage des BFH die Verwendung von Pseudonymen Anlass für Sammelauskunftsersuchen sein könnten. Nach ständiger Rspr. des BFH sind Ermittlungen „ins Blaue hinein“, Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen zwar unzulässig. Allerdings liegt der erforderliche hinreichende  Anlass für Fahndungsmaßnahen bereits dann vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z. B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Die Steuerfahndung muss im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag, d. h. es müssen hinreichende, konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen (hierzu nunmehr auch noch einmal FG Hamburg, Urteil vom 18. 4. 2013 – 1 K 89/12, DB0608465; dazu auch Kreth, StR kompakt DB0611357). Vor diesem Hintergrund dürfte dann auch der Plattformbetreiber ein valides Interesse daran haben, jedenfalls zur Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwandes die Drittanbieter zur Nutzung des richtigen Namens zu verpflichten.

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