Nämlich oder nicht nämlich? – Zum Erfordernis der wirtschaftlichen Identität bei privaten Veräußerungsgeschäften

RA Dr. Gerhard Specker, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

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Die Veräußerung von Immobilien, die im steuerlichen Privatvermögen gehalten werden, ist bekanntlich nur steuerpflichtig, wenn die Veräußerung innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung der Immobilie erfolgt. Solche privaten Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken erfolgen häufig im Anschluss an einen Erbfall. Die Zehnjahresfrist beginnt mit dem Erbfall nicht neu zu laufen, vielmehr wird dem oder den Erben die Anschaffung durch den Erblasser zugerechnet. Auch eine Erbengemeinschaft kann daher eine Immobilie im Privatvermögen steuerfrei verkaufen, wenn seit der Anschaffung durch den Erblasser mehr als zehn Jahre vergangen sind. Kommt es jedoch zu weiteren Übertragungen zwischen den Erben bzw. unter Beteiligung Dritter, kann darin ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft liegen.

Die jüngste Entscheidung des BFH zu privaten Veräußerungsgeschäften mit Grundstücken (Urteil vom 12. 6. 2013 – IX R 31/12, DB0610202) zeigt einmal mehr, dass auch ein scheinbar einfach gelagerter Sachverhalt die Beteiligten vor erhebliche Schwierigkeiten stellen kann. Für die zutreffende Beurteilung muss genau geprüft werden, welcher Teil der Immobilie (Grund und Boden bzw. Gebäude oder jeweils Teile davon) von welchem Beteiligten zu welchem Wert angeschafft bzw. veräußert wurde.

Wertsteigerung eines Grundstücks nach Aufhebung des Erbbaurechts

Im Urteilsfall war ein seit 1955 bestehendes Erbbaurecht auf zwei Erben übergegangen. Im gleichen Jahr kauften die Erben das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück von der Stadt zum Preis von rund 49.000 €. Anschließend hoben sie das Erbbaurecht auf und veräußerten das Grundstück mit Gebäude zum Preis von 145.000 €; davon sollten 50.000 € auf das Grundstück und 95.000 € auf das Gebäude entfallen. Hinsichtlich des Gebäudes lag kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vor, weil dieses aufgrund des Erbbaurechts bereits vor über zehn Jahren vom Erblasser angeschafft bzw. hergestellt worden war. Hinsichtlich des Grund und Bodens aber kam es zum Streit. Die Erben selbst ermittelten unter Berücksichtigung von anteiligen Veräußerungskosten von rund 2.500 € für den Grund und Boden einen Veräußerungsverlust von 1.500 €. Das FA akzeptierte die Aufteilung des Veräußerungserlöses auf das Gebäude einerseits sowie den Grund und Boden andererseits nicht, nahm stattdessen für den Grund und Boden einen Anteil von rund 74.000 € an und kam so unter Berücksichtigung anteiliger Veräußerungskosten von rund 4.500 € zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 20.500 €.

Das FG Rheinland-Pfalz verneinte dagegen ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft (Urteil vom 2. 5. 2012 – 1 K 1353/09). Denn das von den Erben angeschaffte (mit dem Erbbaurecht) belastete Grundstück sei bei wirtschaftlicher Betrachtung mit dem veräußerten Grundstück nicht identisch gewesen. Es fehle an der wirtschaftlichen Identität (der sog. „Nämlichkeit“) zwischen angeschafftem und veräußertem Grundstück. Mit anderen Worten haben die Erben also etwas anderes verkauft als gekauft. Der von den Erben beim Verkauf realisierte Wertzuwachs ergebe sich nicht aus dem Grund und Boden, sondern aus der Aufhebung des Erbbaurechts.

Differenzierte Entscheidung des BFH

Den BFH überzeugte dies nicht ganz. Ob die erforderliche Identität im wirtschaftlichen Sinne (Nämlichkeit) vorliegt, beurteilt der BFH nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Kriterien dafür sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit der Wirtschaftsgüter.

Für den Streitfall bedeutet das Folgendes: Zwischen dem angeschafften (mit dem Erbbaurecht belasteten) Grundstück und dem veräußerten (unbelasteten) Grundstück besteht nur eine Teilidentität („partielle Nämlichkeit“). Nur der auf dieses teilidentische Grundstück (im wirtschaftlichen Sinne) entfallende Veräußerungsgewinn ist steuerpflichtig. Zur Berechnung ist der Teil des Veräußerungspreises zu ermitteln, der – wirtschaftlich gesehen – auf das Grundstück im mit dem Erbbaurecht belasteten Zustand entfällt. Der auf Grund und Boden entfallende Veräußerungspreis ist daher nicht in voller Höhe als maßgeblicher Veräußerungspreis heranzuziehen (so im Ergebnis das FA). Für die nachzuholende Berechnung macht der BFH dem FG konkrete Vorgaben: Zunächst ist der auf Grund und Boden insgesamt entfallende Teil des Veräußerungspreises von 145.000 € zu ermitteln und ggf. abweichend von der vertraglichen Aufteilung zu schätzen. Sodann ist zu prüfen, wie hoch das Entgelt für Grund und Boden anzusetzen wäre, wenn dieser noch mit dem Erbbaurecht belastet gewesen wäre. Der BFH stellt klar, dass nicht der gesamte Wertzuwachs des Grund und Bodens zwingend auf die Löschung des Erbbaurechts zurückgeht (so im Ergebnis das FG). Der auf den Grund und Boden bei Hinwegdenken der Löschung des Erbbaurechts entfallende Teil des Veräußerungsgewinns ist aufgrund der Teilidentität mit dem angeschafften (belasteten) Grundstück steuerpflichtig. Nur der auf die Löschung des Erbbaurechts entfallende Wertzuwachs bleibt mangels Identität mit dem angeschafften Grundstück steuerfrei.

Fazit

Die Entscheidung des BFH unterstreicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge bei privaten Veräußerungsgeschäften mit Grundstücken. Diese Sichtweise zwingt hier zu einer weiteren Aufteilung zwischen Grund und Boden mit und ohne Erbbaurecht. Bei der Vertragsgestaltung bzw. bei der Steuererklärung müsste dies im Idealfall auf der Grundlage fundierter Annahmen über die Aufteilung bereits berücksichtigt werden, um spätere Überraschungen zu vermeiden.

 

 

 

 

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