Verhinderung von Steuerausfällen in Milliardenhöhe – so das ehrgeizige Ziel, das der Gesetzgeber mit § 50i EStG verfolgt. Worum geht es?
Nicht wenige Steuerinländer tragen sich mit Wegzugsgedanken. Das war vor Jahrzehnten nicht anders als heute. Die Gründe dafür sind vielfältig, nicht notwendigerweise steuergetrieben. Über die Jahrzehnte mögen sie gewechselt haben.
Halten Steuerinländer Anteile an Kapitalgesellschaften (> 1%) drohte und droht bei Wegzug eine Zwangsbesteuerung der stillen Reserven in den Anteilen – ohne Geldzufluss („Wegzugsbesteuerung“). Das ist bitter. Potenzielle Wegzügler mögen deshalb vor dem Wegzug ihre Anteile steuerneutral auf eine nur fiktiv gewerbliche, zumeist eine gewerbliche geprägte deutsche Personengesellschaft überführt haben. Hier schienen die Anteile in „sicherem Hafen“, weil weiterhin in Deutschland steuerverstrickt. Kompliziert war das nicht. Auch hatte es keine signifikanten Steuermehrbelastungen zur Folge. Es bestand kein Anlass mehr für die Wegzugsbesteuerung – so eine lange Zeit verbreitete Meinung.
Die Finanzverwaltung sah das ebenso, war aber von der eigenen Meinung nicht wirklich überzeugt. Denn verbindlich mochte sie ihre bereits seit vielen Jahren vertretene und seit 2010 sogar in einem BMF-Schreiben niedergelegte Auffassung nicht (mehr) bestätigen. Seit 2010 mag man sagen: Wozu auch? BMF-Schreiben haben Bindungswirkung, jedenfalls für nachgeordnete Finanzbehörden.
So einfach war die Sache jedoch nicht. Wie die Finanzverwaltung trauten selbst nach Erlass des BMF-Schreibens auch Steuerpflichtige dem „Modell“ mit der fiktiven Personengesellschaft nicht so recht. Ein „Modell“, für das die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben gewissermaßen ordentlich Werbung machte.
Dennoch: Die einen Wegzug vorbereitende und vorsorgliche Überführung von Anteilen auf fiktiv gewerbliche Personengesellschaften konnte auch nicht groß schaden. Jedenfalls solange man erst einmal im Inland bleibt, nicht wegzieht. Das dürfte in den vergangenen Jahren „ausgetestet“ worden sein.
Der BFH sieht das anders und in nunmehr ständiger Rechtsprechung auch eindeutig: Fiktiv gewerbliche Personengesellschaften sind jedenfalls DBA-rechtlich unbeachtlich. Wer von zwei DBA-Staaten die stillen Reserven in den Anteilen bei Realisierung besteuern darf, hängt davon ab, in welchem Staat der Anteilseigner DBA-ansässig ist. Darauf, ob die Anteile zum Vermögen einer fiktiv gewerblichen Personengesellschaft gehören, also auf die Fiktion im deutschen Steuerrecht, kommt es nicht an – eine Fiktion, die ohnehin im Rest der Welt weitgehend unbekannt sind.
Diesen Konflikt versucht nun § 50i EStG n. F. zu lösen.
Neuregelung durch § 50i EStG
Stille Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen, die steuerneutral vor dem 29. 6. 2013 in nur fiktiv gewerbliche Personengesellschaft überführt wurden, sind und bleiben bei Realisierung auch nach einem Wegzug in Deutschland steuerpflichtig. Das gilt auch für jene stille Reserven, die erst nach einem Wegzug entstehen. Entgegenstehende DBA-Regelungen sollen nicht gelten. Doppelbesteuerungen drohen!
Für erst spätere Anteilsübertragen auf solche Personengesellschaften gilt das allerdings nicht. In diesen Fällen kommt es bei einem Wegzug zur Steuerentstrickung nach allgemeinen Regeln. Das vorherige Überführen der Anteile in eine fiktiv gewerbliche Personengesellschaft hilft nicht (mehr).
Folgen:
- Damit setzt sich der Gesetzgeber einerseits über die nunmehr ständige Rechtsprechung hinweg (treaty override). Bis zum 29. 6. 2013 erfolgte Anteilsübertragungen auf nur fiktiv gewerbliche Personengesellschaften werden gewissermaßen „abgesegnet“. Die Steuerpflichtigen, die entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen haben, mögen nun einigermaßen beruhigt ins Ausland wegziehen. Steuerzahlungen, dann allerdings auf u. U. deutlich höhere stille Reserven, drohen „erst“ bei tatsächlichem Verkauf, dann wenn Geld fürs Steuerzahlen auch vorhanden ist.
- Andererseits erkennt der Gesetzgeber die Rechtsprechung an. Bei steuerneutraler Übertragung von Anteilen auf solche Personengesellschaften ab dem 29. 6. 2013 führt ein anschließender Wegzug zur Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich dann vorhandener stiller Reserven. Eine Entstrickungsbesteuerung in diesen Fällen setzt nämlich voraus, dass der ständigen Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Unbeachtlichkeit fiktiv gewerblicher Personengesellschaften gefolgt wird; die Finanzverwaltung also ihre im BMF-Schreiben vom 16. 4. 2010 (DB0350421) noch vertretene Auffassung aufgibt (Umkehrschluss aus § 50i EStG).
Das wird isoliert nur für einige Wegzugsfälle kaum möglich sein. Das wiederum führt zu Folgefragen für andere Sachverhalte jenseits von Wegzugskonstellationen. Die neue Vorschrift verdient auch deshalb besondere Aufmerksamkeit in der Beratungspraxis. Denn Personengesellschaften i. S. von § 15 Abs. 3 EStG sind auch außerhalb der Wegzugsfälle von großer praktischer Relevanz.
Die nur schwer verständliche Vorschrift § 50i EStG regelt weitere Fälle. Aufgrund unglücklicher Formulierungen auch solche Fälle, die nicht im Fokus des Gesetzgebers standen. Es überrascht daher nicht, dass schon vor und kurz nach Verabschiedung der Vorschrift verschiedene Veröffentlichungen sich mit den Schwächen und dem teils ausufernden Anwendungsbereich auseinandersetzen (u. a. Prinz, DB 2013 S,. 1378 (DB0596144) sowie IStR 2013, dort Töben, S. 682, Lieckenbrock, S. 690, Pohl, S. 699).
Die Vorschrift wird Anlass für weitere Rechtsstreitigkeiten zu fiktiv gewerblichen Personengesellschaften sein. Ein Beitrag zur Steuervereinfachung ist sie nicht.