Im Rahmen der „Kleinen Organschaftsreform“ wurde in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 4 und 5 KStG eine Regelung zur Heilung von Bilanzierungsfehlern bei ertragsteuerlichen Organschaften aufgenommen. Diese Neuregelung ist am 26. 2. 2013 in Kraft getreten. Sie gilt rückwirkend für alle noch offenen Fälle (§ 34 Abs. 9 Nr. 7 KStG) und ist daher für die Bilanzierungs- und Steuergestaltungspraxis von großer Bedeutung.
Nach der Neuregelung stehen Bilanzierungsfehler in dem für die konkrete Höhe der Gewinnabführung bzw. des Verlustausgleichs maßgeblichen handelsrechtlichen Jahresabschluss der Organgesellschaft der steuerlich erforderlichen tatsächlichen Durchführung eines Gewinnabführungsvertrages unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegen. Sie stellen damit kein Hindernis für die steuerliche Anerkennung der Organschaft dar. Das wird erreicht durch eine neue gesetzliche Durchführungsfiktion, d. h. der Vertrag gilt trotz des Bilanzierungsfehlers als durchgeführt. Die Fehlerkorrektur kann nach der Neuregelung in laufender Rechnung erfolgen, was eine wesentliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Praxis darstellt. Eine aufwendige rückwirkende Handelsbilanzberichtigung „schädlicher“ Bilanzierungsfehler bis zur Fehlerquelle für steuerliche Zwecke muss somit nicht durchgeführt werden.
Steuerlich heilbare Bilanzierungs- und Bewertungsfehler
Die Neuregelung findet Anwendung auf fehlerhafte Bilanzansätze im Jahresabschluss. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn ein Bilanzansatz nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/10774, S. 20) liegt ein fehlerhafter Bilanzansatz auch bei einem unterbliebenen Ausgleich von vororganschaftlichen Verlusten vor (vgl. § 301 AktG). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass sonstige Fehler bei der Ermittlung der Abführungs- oder Ausgleichsverpflichtung ebenfalls erfasst werden, z. B. die Verletzung gesetzlicher „Abführungssperren“.
In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob auch eine gegen die steuerrechtlichen Grundsätze des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG verstoßende (Gewinn-)Rücklagenbildung bei der Organgesellschaft nach der Neuregelung geheilt werden kann. Der Zweck der Neuregelung spricht m. E. in diesen und anderen Fällen dafür, bei der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs im Grundsatz von einem weiten Verständnis auszugehen. Weiterhin nicht abschließend geklärt ist die – hiervon zu unterscheidende – Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein steuerrechtlich relevanter Bilanzierungsfehler vorliegt und ob insoweit eine handelsrechtlich zu bestimmende „Wesentlichkeitsgrenze“ zu berücksichtigen ist.
Die Heilung eines „schädlichen“ Bilanzierungsfehlers setzt nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 KStG kumulativ voraus, dass (a) der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist, (b) die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen – hier ist der subjektive Fehlerbegriff gesetzlich verankert worden – und (c) ein von der Finanzverwaltung beanstandeter und in der Handelsbilanz zu korrigierender Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Fehlerbeanstandung aufzustellenden Jahresabschluss von Organgesellschaft und Organträger korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird. Die zweite Voraussetzung, d. h. das „Nicht-erkennen-Müssen“ des Bilanzierungsfehlers, gilt stets als erfüllt insbesondere bei Vorliegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nach § 322 Abs. 3 HGB zum Jahresabschluss oder zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 5 KStG).
Die Berichtigung eines in der Handelsbilanz zu korrigierenden Bilanzierungsfehlers in laufender Rechnung muss somit nach dessen Beanstandung durch die Finanzverwaltung erfolgen. Wann genau eine solche Beanstandung vorliegt, geht allerdings aus dem Gesetz nicht hervor. Wird der fehlerhafte Bilanzansatz im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt, soll regelmäßig auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsberichts abzustellen sein (BT-Drucks. 17/11217, S. 7). Dies könnte darauf hindeuten, dass für eine Beanstandung im Sinne der Neuregelung grundsätzlich eine nach außen erkennbare abschließende Willensbildung der Finanzverwaltung erforderlich ist (s. Dötsch/Pung, DB 2013 S. 305, 310).
Für die Fehlerberichtigung nach erfolgter Beanstandung sieht das Gesetz ein relativ enges Zeitfenster vor. Bestreitet der Steuerpflichtige den Bilanzierungsfehler und sieht er daher zunächst bis zur (ggf. gerichtlichen) Klärung des Rechtsstreits von einer handelsrechtlichen Korrektur ab, trägt er das Risiko, dass eine Berichtigung in laufender Rechnung später wegen Fristablaufs nicht mehr möglich ist (vgl. BT-Drucks. 17/11217, S. 7).
Wurde der fehlerhafte Bilanzansatz dagegen von der Finanzverwaltung noch nicht moniert, stellt sich die Frage, ob eine Fehlerbeseitigung nach der Neuregelung auch ohne vorausgehende Beanstandung erfolgen kann. Nach dem Normzweck sollte diese Frage m. E. zu bejahen sein. Demgemäß sollte auch eine „freiwillige“ Berichtigung von erkannten, aber noch nicht von der Finanzverwaltung beanstandeten Bilanzierungsfehlern durch den Steuerpflichtigen in laufender Rechnung möglich sein.
Verwaltungserlass zum neuen Organschaftsrecht geboten
Eine – die Finanzbehörden bindende – Stellungnahme der Finanzverwaltung zu diesen und weiteren Anwendungsfragen der Neuregelung erscheint geboten, steht derzeit aber noch aus. In einem Antwortschreiben des BMF an die Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft vom 29. 5. 2013 zu Folgeproblemen der „Kleinen Organschaftsreform“ (vgl. DB0611408) ist das BMF auf diese Fragen ausdrücklich nicht näher eingegangen.