Keine Schenkungsteuer bei Verzicht auf ein persönliches Mehrstimmrecht

RA/FAStR Dr. Andreas Richter LL.M., Partner bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

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Ein Mehrstimmrecht sichert dem Senior in der vorweggenommenen Unternehmensnachfolge den tatsächlichen Einfluss in „seiner“ Gesellschaft, wenn er aus steuerlichen Überlegungen zu Lebzeiten einen Teil seiner Gesellschaftsanteile unentgeltlich überträgt. In vielen Fällen verzichtet der Senior später auf dieses Recht. Der BFH (Urteil v. 30.1.2013 – II R 38/11, DB 2013 S. 1216) hat nun entschieden, dass der Verzicht eines GmbH-Gesellschafters auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht keine steuerpflichtige Zuwendung an seine Mitgesellschafter darstellt. Dies gelte auch dann, wenn sich der Wert ihrer Anteile im Zuge des Verzichts erhöht.

Sachverhalt

Im konkreten Sachverhalt hielt der Vater (V) der drei Kläger 97% der Anteile an einer GmbH, von denen er jeweils 24% unentgeltlich an diese übertrug. Der Gesellschaftsvertrag sicherte dem V unabhängig vom Nennbetrag seiner Anteile ein persönliches Stimmrecht von mindestens 51% zu. Aus diesem Grund wurden die übertragenen Anteile bei der Festsetzung der Schenkungsteuer als Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung behandelt und deren ermittelter gemeiner Wert um 10% gekürzt. Mehr als sechs Jahre danach wurde der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert, dass das Mehrstimmrecht des V entfiel und alle Gesellschafter hinsichtlich des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung gleichgestellt wurden. Dadurch sollten die Voraussetzungen einer bestehenden Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH und der Besitz-KG aufrechterhalten werden.

Das Finanzamt sah darin einen Verzicht des V auf sein Mehrstimmrecht, was eine freigebige Zuwendung an die Kläger darstellen sollte, da sich der Wert ihrer Anteile an der GmbH hierdurch erhöht habe. Die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte Erfolg. Das Gericht sah im Verzicht des V auf sein Mehrstimmrecht keine freigebige Zuwendung an die Kläger. Diese Ansicht bestätigte nun der BFH, sodass die Revision des Finanzamts erfolglos blieb.

Entscheidung des BFH vom 30. 1. 2013 – II R 38/11

Als steuerpflichtige Schenkung unter Lebenden gilt jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dies setzt eine substanzielle Vermögensverschiebung voraus, also eine Minderung der Vermögenssubstanz beim Schenker und eine Mehrung der Vermögenssubstanz beim Erwerber (Tz. 16 f. m.w.N.). Vermindert sich bloß der Wert des Vermögens des Schenkers oder erhöht sich lediglich der Wert des Vermögens des „Bedachten“, so verwirklicht dies noch nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Tz. 18 m.w.N.). Im Entscheidungsfall hat sich nur das Vermögen der Kläger wertmäßig erhöht, während es weder im Vermögen der Kläger noch in dem des V zu einer substanziellen Veränderung kam. Das Mehrstimmrecht selbst ist kein Vermögensgegenstand, sodass es hier an der erforderlichen substanziellen Vermögensverschiebung zwischen V und den Klägern fehlte (Tz. 24 ff.).

Dem BFH ist darin zuzustimmen, dass es durch die Satzungsänderung nicht zu einer Mehrung der Vermögenssubstanz bei den übrigen Gesellschaftern gekommen ist und es folglich an einem schenkungsteuerpflichtigen Vorgang fehlt. Es ist bereits fraglich, ob hier überhaupt ein „Verzicht“ des V auf sein Mehrstimmrecht vorliegt oder der V nicht vielmehr lediglich sein Stimmrecht ausgeübt hat (so Wachter, ZEV 2013 S. 349, 352). In jedem Fall fehlt es aber an der erforderlichen substanziellen Vermögensverschiebung, da es sich bei einem Mehrstimmrecht nicht um einen gesonderten Vermögensgegenstand handelt (so auch Acker, FuS 2013, 159, 161). Wie dagegen Fälle zu beurteilen sind, in denen bereits kurze Zeit nach der Übertragung der Gesellschaftsrechte auf ein Mehrstimmrecht verzichtet wird, ließ der BFH ausdrücklich offen.

 

Für Fälle nach dem 13. 12. 2011 ist nunmehr der neu eingefügte § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu beachten. Demnach gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt, als steuerpflichtige Schenkung. Hier dürfte es allerdings beim eingangs geschilderten Fall an einer „Leistung“ des V an die Gesellschaft fehlen (so auch Wachter, ZEV 2013 S. 349, 352; Acker, FuS 2013 S. 159, 161), sodass Mehrstimmrechte auch zukünftig ein geeignetes Gestaltungsmittel bei Kapitalgesellschaften bleiben und deren Aufhebung nicht der Schenkungsteuer unterliegt.

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