Abkommensrechtliche Zuordnung von notwendigem Sonderbetriebsvermögen

 

RA/StB Dr. Thomas Otto, KPMG, Köln

RA/StB Dr. Thomas Otto, KPMG, Köln

Der BFH hat in einem Urteil vom 12. 6. 2013 (Az. I R 47/12, DB 2013 S. 2542) zur abkommensrechtlichen Zuordnung von Wirtschaftsgütern, die zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers einer Personengesellschaft gehören, in einem sog. Dreieckssachverhalt (Deutschland/Thailand/UK) Stellung genommen. Diese BFH-Entscheidung ist für die steuerliche Beratungspraxis von erheblicher Bedeutung.

In dem Streitfall waren die Kommanditisten einer inländischen operativ tätigen GmbH & Co. KG (Mitunternehmer i. S. des § 15 EStG) zugleich Gesellschafter einer britischen Ltd, die als Vertriebsgesellschaft fungierte. Einer der Kommanditisten, dessen Wohnsitz sich in Thailand befand, erzielte in den Streitjahren einen Gewinn aus einer Teilveräußerung seiner Anteile an der Ltd. sowie Zinserträge aus einem Gesellschafterdarlehen an die Ltd. Streitig war das deutsche Besteuerungsrecht an dem Veräußerungsgewinn und den Zinsen.

Doppelbesteuerungsrechtliche Behandlung des Sonderbetriebsvermögens

Nach dem nationalen Recht gehören die Beteiligung an der britischen Ltd. und das diese Kapitalbeteiligung fördernde Gesellschafterdarlehen zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II (SBV II) des in Thailand ansässigen Mitunternehmers bei der GmbH & Co. KG und vermitteln dem Mitunternehmer daher gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach der Rechtsprechung sind Kapitalbeteiligungen dem SBV zuzuordnen, wenn sie in erster Linie im geschäftlichen Interesse der Personengesellschaft gehalten werden (BFH vom 13.02.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009 S. 414 = DB 2008 S. 1296). Im Streitfall dienten die streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter dem Auslandsengagement und der Absatzförderung für die Produkte der GmbH & Co. KG und waren somit nach wirtschaftlichen Maßstäben dem SBV II zuzurechnen. Der in Thailand ansässige Mitunternehmer unterlag daher mit seinen hieraus erzielten gewerblichen Einkünften in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG). Fraglich ist allerdings, ob das zwischen Deutschland und Thailand bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Thailand) dem deutschen Besteuerungszugriff auf diese Einkünfte entgegensteht.

Nach Art. 7 Abs. 1 DBA-Thailand (entspricht Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) können die Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Für den Streitfall ist davon auszugehen, dass der in Thailand ansässige Mitunternehmer in Deutschland ein Unternehmen in Gestalt seiner Mitunternehmer-Beteiligung an der GmbH & Co. KG betrieb und ihm hierdurch eine abkommensrechtliche Betriebsstätte vermittelt wurde.

Dieser inländischen Betriebsstätte waren die Einkünfte des Mitunternehmers nach der neueren Rechtsprechung des BFH abkommensrechtlich bereits dann zuzurechnen, wenn sie „nach dem Maßstab des Veranlassungszusammenhangs der Betriebsstätte wirtschaftlich zugehören“. Mit dieser grundlegenden Aussage wendet der BFH das nach dem innerstaatlichen Recht maßgebliche Veranlassungsprinzip auch auf die abkommensrechtliche Einkünftezuordnung an. Da im Streitfall keine gegenteilige ausdrückliche DBA-Regelung anwendbar war, bedurfte es deshalb für die abkommensrechtliche Zuordnung der Einkünfte des Mitunternehmers keiner tatsächlichen Zugehörigkeit der zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter zu der inländischen Betriebsstätte, sondern nur eines wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs mit der operativen Tätigkeit der GmbH & Co. KG. Dieser Veranlassungszusammenhang kommt im Streitfall bereits durch die innerstaatliche Zuordnung der betreffenden Wirtschaftsgüter zum notwendigen SBV II zum Ausdruck. Entsprechend dem OECD-Musterabkommen lässt das DBA-Thailand einen Rückgriff auf das nationale Recht des Anwenderstaates bei offenen Auslegungsfragen ausdrücklich zu (s. Art. 3 Abs. 2 DBA-Thailand).

Keine „betriebsstättenlosen“ Einkünfte

Ein zum notwendigen SBV eines Mitunternehmers bei einer Personengesellschaft zählendes Wirtschaftsgut gehört daher abkommensrechtlich jedenfalls dann zum Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte, wenn der Gesellschafter nicht außerhalb Deutschlands weitere DBA-Betriebsstätten besitzt. Mit dieser Aussage knüpft der I. Senat des BFH an seine Rechtsprechung an, wonach es prinzipiell keine „betriebsstättenlosen“ gewerblichen Einkünfte (sog. „floating income“) gibt (s. BFH vom 19. 12. 2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010 S. 398 = DB0284303).

Eine anderweitige Zuordnung zu einer sog. Mitunternehmer-Betriebsstätte in Thailand kam nicht in Betracht. Eine ausländische Betriebsstätte des Mitunternehmers wurde insbesondere nicht schon durch das bloße Innehaben der Kapitalbeteiligung an der Ltd. sowie die Verwaltung des der Ltd. hingegebenen Gesellschafterdarlehens begründet. Denn hierbei handelt es sich nach allgemeinen Grundsätzen lediglich um vermögensverwaltende Tätigkeiten.

Deutschland steht damit nach dem DBA-Thailand das Besteuerungsrecht wegen des Durchgreifens mitunternehmerschaftlicher Besteuerungsgrundsätze zu, auch wenn es sich „äußerlich“ um Einkünfte des in Thailand ansässigen Mitunternehmers im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsanteilen handelt. Auf den neuen § 50d Abs. 10 EStG (zuletzt geändert durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. 6. 2013), der beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zu gewerblichen Sondervergütungen im einschlägigen DBA das Vorliegen abkommensrechtlicher Unternehmensgewinne fingiert, kam es daher nicht an. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 12. 6. 2013 sollten auch in dem zu aktualisierenden BMF-Schreiben vom 16. 4. 2010 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften berücksichtigt werden.

 

 

 

 

 

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