„Zwischen den Jahren“ bietet es sich an, kurz innezuhalten, um einen Blick auf das Gewesene und einen Blick auf das Kommende zu werfen. Im Steuerrecht fällt Innehalten nicht leicht. Schließlich herrscht zum Jahresende allerorten hektische Betriebsamkeit und bald klopft sicher eine neue Gesetzesinitiative an die Tür. Ändern und Nachbessern durch den Gesetzgeber hat Tradition, und die Beraterzunft – soviel Demut sei angebracht – ist nicht ganz unschuldig daran.
Umso erfreulicher ist es, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass es auch seltene Fälle von Kontinuität im Steuerrecht gibt. Mit etwas Nachdenken lassen sich Beispiele finden. Aus aktuellem Anlass greifen wir uns das BMF-Schreiben zur einkommensteuerlichen Behandlung von Venture Capital und Private Equity Fonds (kurz: PE-Fonds) vom 16. Dezember 2003 heraus (DB0036298). In diesen Tagen ist es zehn Jahre her, dass es vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlicht wurde. Darin werden Kriterien für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zusammengefasst.
Private Equity Fonds
Bei PE-Fonds handelt es sich um geschlossene Fonds, an denen sich Anleger beteiligen. Die Fonds erwerben Eigenkapital- und eigenkapitalähnliche Beteiligungen (= Equity) an nicht börsennotierten (= Private) Unternehmen: sei es Beteiligungen an jungen Unternehmen (Venture Capital), Wachstumsfinanzierungen (Growth Capital) oder der Erwerb von etablierten Unternehmen (Buyouts).
Die meisten PE-Fonds weltweit werden als Personengesellschaften strukturiert (insbesondere GmbH & Co. KG und vergleichbare ausländische Limited Partnerships). Dies ermöglicht den Investoren eine beschränkte Haftung, größere vertragliche Flexibilität als bei Kapitalgesellschaften und grundsätzlich steuerliche Transparenz (zu steuerlichen Fragen bei ausländischen Private Equity Fonds: Mardini, Steuerboard DB0606025).
Ein Blick zurück
Die lange Geltung des BMF-Schreibens ist auch seiner Entstehungsgeschichte zu verdanken. Die Finanzverwaltung war bemüht, den zugrunde liegenden Sachverhalt genau zu erfassen und sachgerecht zu behandeln. Resultat dieser Bemühungen war die Veröffentlichung des BMF-Schreibens im Dezember 2003. Dem waren knapp drei Jahre an Vorarbeiten, Treffen der Einkommensteuerreferenten von Bund und Ländern, mehrere Entwürfe und Anhörungen der beteiligten Verbände vorausgegangen, um die bis dahin auf Landesebene (insbes. im Rahmen von verbindlichen Auskünften) entwickelten Grundlagen zur steuerlichen Behandlung von PE-Fonds zusammenzufassen und zu vereinheitlichen.
Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zum gewerblichen Handel mit Wertpapieren sowie mit GmbH-Geschäftsanteilen stellt das BMF darin einen Gesamtbild-Test auf, in dem acht Kriterien (z. B. Haltedauer der Beteiligungen von mind. drei Jahren; keine Reinvestition; keine Kreditaufnahme auf Fondsebene) im Zusammenhang zu würdigen sind. Im Laufe der Jahre wurden Einzelfragen durch die Finanzverwaltung in weiteren Schreiben (z. B. Berechnung der Haltedauer bei mehreren Finanzierungsrunden) und im Rahmen von verbindlichen Auskünften konkretisiert.
Die BMF-Kriterien haben sich in den letzten zehn Jahren in der Gestaltungs- und Compliance-Praxis im Rahmen von Betriebsprüfungen bewährt – und zwar sowohl in guten Zeiten (Boomjahre 2005-2007) als auch in schlechten Zeiten (Finanzkrise seit 2008). Das BMF-Schreiben gab Rechtssicherheit für PE-Fonds und ihre Anleger.
Kritische Geister mögen anmerken, dass es mit der Kontinuität im Bereich der steuerlichen Behandlung von PE-Fonds und ihrer Anleger auch nicht weit her ist. In der Tat haben sich einige Rahmenbedingungen seit der Veröffentlichung des BMF-Schreibens geändert. Genannt seien die Stichworte Abgeltungsteuer, Besteuerung der kapitaldisproportionalen Gewinnbeteiligung (Carried Interest, § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sowie die Einschränkung der Steuerbefreiung für Streubesitz-Dividenden (§ 8b Abs. 4 KStG, dazu Buge Steuerboard DB0490862). Der übrige Rahmen blieb durch das BMF-Schreiben beständig.
BFH-Urteil
Diese Rechtssicherheit schien in Gefahr, als der BFH in 2011 erstmals Gelegenheit hatte, zur Besteuerung von PE-Fonds Stellung zu nehmen (Urt. v. 24.8.2011 – I R 46/10, DB0461157). Der BFH sieht im „Geschäftsmodell“ von PE-Fonds (Buyout-Fonds) eine gewerbliche Tätigkeit aufgrund einer bei Erwerb bestehenden Veräußerungsabsicht (buy to sell). Zugleich deutete der BFH in einem obiter dictum grundsätzliche Kritik an den Kriterien des BMF-Schreibens an. Letztlich ließ er aber offen, ob die BMF-Kriterien mit der BFH-Rechtsprechung zum gewerblichen Wertpapierhandel vereinbar seien, da die Vorinstanz auch bei Zugrundlegung der BMF-Kriterien von einer gewerblichen Tätigkeit ausging.
Wenn man die dazugehörige Pressemitteilung des BFH (in dem das BMF-Schreiben als „eine sehr großzügige Praxis der deutschen Finanzverwaltung“ bezeichnet wird) liest, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nicht in einem konkreten Fall Recht gesprochen, sondern Rechtspolitik gemacht wird. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man dazu einzelnen BFH-Richtern des betreffenden Senats bei Vorträgen zuhört.
Selbst im Common Law-Rechtskreis weiß man: „hard cases make bad law“. So überrascht es denn auch nicht, dass das Urteil in der Fachliteratur überwiegend auf Ablehnung stieß (z. B. Töben, Steuerboard DB0462785). Neben mangelnder Sachverhaltsaufklärung und vielerlei methodischer Kritik (z. B. Verstoß gegen die Rechtsprechung zu Zebra-Gesellschaften und zum Betriebstättenbegriff) wurde bemängelt, dass sich dem Urteil keine Merkmale entnehmen lassen, nach denen die Abgrenzung von Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb bei PE-Fonds nach BFH-Ansicht künftig erfolgen soll.
Verwaltungspraxis nach dem BFH-Urteil
Die anfangs bestehende Unsicherheit, wie sich die Finanzverwaltung zu dem Urteil positionieren würde, hat sich inzwischen etwas gelegt. Eine öffentliche Stellungnahme des BMF zum Urteil (z. B. in Form eines Nichtanwendungserlasses) blieb zwar bislang aus. Aber man hat seit mehr als zwei Jahren von einer Veröffentlichung des BFH-Urteils im Bundessteuerblatt abgesehen. Aus Kreisen der Finanzverwaltung ist zu hören, dass eine Überarbeitung des BMF-Schreibens derzeit nicht geplant sei. Vielmehr lege man nach Abstimmung mit dem BMF und den Landesfinanzministerien weiterhin das BMF-Schreiben in der jetzigen Form zugrunde.
Dies ist zu begrüßen, da sich die über Jahre geübte Praxis bewährt hat. Auch in anderen Ländern (UK, USA) werden PE-Fonds typischerweise als vermögensverwaltend und nicht als gewerblich eingestuft. Das BMF-Schreiben vermeidet daher im Regelfall bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Qualifikationskonflikte. Auch aus fiskalischer Sicht ist eine Praxisänderung nicht angezeigt (dazu Töben, Steuerboard DB0462785).
Ein Blick nach vorne: Gesetzgeberische Pläne
In einigen europäischen Ländern gibt es spezialgesetzliche Regelungen für PE-Fonds (z. B. Luxemburg, Frankreich, Italien). In der Vergangenheit gab es auch in Deutschland immer wieder Überlegungen, einen spezialgesetzlichen Rahmen für PE-Fonds zu schaffen. Die Zahl dieser Pläne ist zu groß, um sie hier alle aufzuzählen. Einige dieser Initiativen kamen nicht ins Stadium eines Gesetzesentwurfs, andere, wie das Wagniskapitalbeteiligungsgesetz, stießen auf europarechtliche Bedenken.
Der Bedeutung der Anlageklasse Private Equity als wichtige Säule des Kapitalmarktes wurde inzwischen aufsichtsrechtlich durch das Kapitalanlagegesetzbuch Rechnung getragen. Die flankierende steuerliche Regelung durch das AIFM-Steueranpassungsgesetz ist kürzlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (dazu Stamm, Steuerboard DB0630777). Der für PE-Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft relevante § 18 des Investmentsteuergesetzes (InvStG) verweist auf die allgemeinen steuerlichen Regelungen. Damit stellt sich weiterhin die bekannte Frage der Abgrenzung von Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung.
Im Koalitionsvertrag der großen Koalition findet sich erneut ein Anlauf, ein „Venture-Capital-Gesetz“ zu schaffen. Ob dies Wirklichkeit wird, steht derzeit in den Sternen. Bis dahin findet das bewährte BMF-Schreiben weiterhin Anwendung. In diesem Sinne: auf mehr Kontinuität im Steuerrecht und ein frohes neues Jahr!