Pauschalbesteuerung von Gegenwertzahlungen auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Partner bei FGS Flick Gocke Schaumburg, Bonn

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Partner bei FGS Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Mit den am 29.01.2014 veröffentlichten Beschlüssen vom 14.11.2013 (Az. VI R 50/12,  DB 2014 S. 216 und VI R 49/12,  DB 2014 S. 221) hat der BFH dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die in § 40b Abs. 4 EStG angeordnete Pauschalversteuerung sog. Gegenwertzahlungen mit Art. 3 GG vereinbar ist. Für die Praxis ist die Entscheidung aufgrund der zahlreichen offenen Fälle von hoher Relevanz.

Gegenstand des Rechtsstreits bildet die steuerliche Behandlung der im Fall des Ausscheidens des Arbeitgebers aus einer Pensionskasse (in den Streitfällen aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – VBL) erhobenen sog. Gegenwertzahlungen. Nach der Satzung der VBL sind Arbeitgeber im Fall des Ausscheidens aus der VBL dazu verpflichtet, einen versicherungsmathematisch errechneten Gegenwert zu zahlen, damit die bereits entstandenen Zahlungsverpflichtungen aus dem vorhandenen Rentenbestand und den unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der aktiven Arbeitnehmer auch nach der Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers erfüllt werden können. Die Gegenwertzahlung zählt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen des Arbeitgebers i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG.

Mit der jetzt dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegten Norm gelangt eine rechtsprechungsbrechende Gesetzgebung auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Der BFH hatte u.a. mit Urteil vom 15.02.2006 (VI R 92/04, BStBl. II 2006 S. 528 =  DB 2006 S. 708) entschieden, dass Sonderzahlungen des Arbeitgebers (hierzu zählen insbesondere auch die Gegenwertzahlungen) an eine Versorgungseinrichtung keinen Arbeitslohn darstellen, soweit sich die Anwartschaft des Arbeitnehmers auf zukünftige Versorgungsleistungen durch die Zahlungen nicht erhöht. Dies ist bei den sog. Gegenwertzahlungen nicht der Fall, da der Arbeitnehmer durch die Zahlungen keinen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erlangt und die Zahlungen daher auch nicht als Gegenleistung für eine von dem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung eingestuft werden können. Die Situation stellt sich insoweit nicht anders als hinsichtlich des Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Sozialversicherung dar, durch die das Versorgungssystem aber nicht der einzelne Arbeitnehmer Vorteile erlangt.

Erweiterung des Arbeitslohnbegriffs und Einführung einer Pauschalversteuerung

Der Gesetzgeber hat auf die der Verwaltungsauffassung entgegenstehende Rechtsprechung mit der Neufassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des JStG 2007 reagiert. Per gesetzlicher Definition werden nach dem 23.08.2006 geleistete Sonderzahlungen des Arbeitgebers anlässlich des Ausscheidens aus einer umlagefinanzierten betrieblichen Altersversorgung als Arbeitslohn qualifiziert. In systematischer Hinsicht stellt § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG eine systemwidrige Erweiterung des Arbeitslohnbegriffs dar. Die Erfassung einer lohnsteuerpflichtigen Bereicherung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer ein Vorteil in Geld oder in Geldeswert zufließt. Durch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG wird fingiert, dass mit der Leistung der Gegenwertzahlung durch den Arbeitgeber an die VBL eine lohnsteuerpflichtige Bereicherung der Arbeitnehmer in Gestalt eines Sicherungsvorteils eintritt.

Korrespondierend zu der aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG resultierenden Fiktion von Arbeitslohn hat der Gesetzgeber in § 40b Abs. 4 EStG geregelt, dass die auf die Sonderzahlungen entfallende Lohnsteuer in Höhe von 15% der Sonderzahlungen zu pauschalieren und – aus Vereinfachungsgründen – vom Arbeitgeber (als Schuldner) abzuführen ist. Das bei den anderen Pauschalierungstatbeständen (§§ 40, 40b EStG) dem Arbeitgeber zustehende Wahlrecht zu einer Pauschalbesteuerung bestimmter Lohnbestandteile ist ausgeschlossen. D. h. aus § 40b Abs. 4 EStG resultiert ein partielles Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Aufwendungen des Arbeitgebers i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG.

BFH bestätigt die verfassungsrechtlichen Bedenken

In den o.g. Beschlüssen kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass sich der Gesetzgeber mit der aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG resultierenden Erweiterung des Arbeitslohnbegriffs im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zur Erschließung neuer Steuerquellen bewegt. Das generelle Interesse der Arbeitnehmer an der Absicherung ihrer bereits erworbenen Ansprüche auf Zukunftssicherungsleistungen reiche für eine Zuordnung der Gegenwertzahlungen zum Arbeitslohn aus. Auch wenn die aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG resultierende Fiktion von Arbeitslohn in systematischer Hinsicht fraglich ist, steht das Ergebnis des BFH sicherlich im Einklang mit dem klaren Gesetzeswortlaut und der von dem Gesetzgeber beabsichtigten Erweiterung des Einkünftetatbestandes.

Die bereits in der Vergangenheit gegen die Pauschalbesteuerung der Gegenwertzahlungen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat der BFH hingegen klar bestätigt. Der BFH begründet dabei die Verfassungswidrigkeit des § 40b Abs. 4 EStG mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Gebot einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dieses Gebot werde durch § 40b Abs. 4 EStG klar verletzt, da die Pauschalbesteuerung zur Folge habe, dass der Arbeitgeber im wirtschaftlichen Ergebnis eine Steuerlast von 15% zu tragen habe, obwohl die aus den Gegenwertzahlungen resultierende wirtschaftliche Bereicherung auf Ebene der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer eintrete. Die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Arbeitgeber durch das Verlassen der VBL die Gegenwertzahlung selbst ausgelöst habe.

Weiterhin bringt der BFH klar zum Ausdruck, dass der Verstoß gegen das Prinzip einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mit den Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens begründet werden kann. Denn die aus § 40b Abs. 4 EStG resultierenden Pauschalversteuerung hat zur Folge, dass der Arbeitgeber selbst Steuerschuldner der pauschalen Lohnsteuer wird, ohne dass die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer mit der pauschalen Lohnsteuer in Gestalt einer in Geldeswert bestehenden Einnahme (§ 8 Abs. 1 EStG) zu belasten. Auch die von dem Gesetzgeber mit der Einführung des § 40b Abs. 4 EStG angeführte Vereinfachungsregelung ist zur Rechtfertigung der Vorschrift nicht geeignet. Der BFH weist zu Recht darauf hin, dass die aus der Sondersteuer resultierende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers die aus einer individuellen Lohnversteuerung resultierenden Aufwendungen regelmäßig bei weitem übersteigt.

Sollte das BVerfG den Vorlagebeschlüssen des BFH folgen, könnte der Gesetzgeber zu dem Zustand vor der Einführung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zurückkehren. Die Gegenwertzahlungen blieben dann steuerfrei. Andernfalls müsste der Gesetzgeber den § 40b Abs. 4 EStG dahingehend ändern, dass es sich – wie bei den anderen Pauschalierungstatbeständen – bei der Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber um eine auf Rechnung der betroffenen Arbeitnehmer einzubehaltende Steuer handelt.

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