Die Frage ist simpel und die Antwort gerade in Outbound-Sachverhalten von elementarer Bedeutung. Denn die Hinzurechnungsbesteuerung führt im Ergebnis dazu, dass die gewerblichen Einkünfte des qualifizierten unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters (z.B. einer deutschen Konzernmutter) um bestimmte passive Einkünfte ihrer niedrig besteuerten ausländischen Konzerngesellschaften – den sog. Hinzurechnungsbetrag – erhöht und diese auf das deutsche Besteuerungsniveau hochgeschleust werden. Dadurch soll die Verlagerung solcher Einkünfte ins niedrig besteuernde Ausland vermieden werden. Faktisch werden jedoch ebenso Einkünfte originärer, nicht verlagerter Auslandsfunktionen erfasst (z.B. angestammte ausländische Finanzcenter).
Umstritten ist hierbei, ob der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 1 AStG nicht nur der Körperschaftsteuer, sondern zudem auch der Gewerbesteuer unterfällt. Dies wirkt sich für inländische Unternehmen vor allem deshalb belastend aus, weil die steuerliche Vorbelastung der Tochtergesellschaft nach geltender Rechtslage zwar auf die Körperschaftsteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet werden kann. Gleichwohl hat sich das FG Düsseldorf als bislang erstes Finanzgericht in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (v. 28.11.2013 – 16 K 2513/12 G) dahin gehend geäußert, dass der Hinzurechnungsbetrag nach geltender Rechtslage in vollem Umfang auch gewerbesteuerpflichtig sei. Dies entspricht auch der bisherigen Verwaltungspraxis.
Der „klassische“ Sachverhalt
Geklagt hatte eine deutsche Kapitalgesellschaft, die Alleingesellschafterin einer Nicht-EU-Tochtergesellschaft gewesen ist, die ihrerseits im Streitjahr 2009 (passive) Zinseinkünfte und Währungskursgewinne erzielte. Das FA erhöhte das körperschaftsteuerliche Einkommen und den Gewerbeertrag um den sich hieraus ergebenden Hinzurechnungsbetrag. Dem Einwand der Klägerin, dass der Hinzurechnungsbetrag nach § 9 GewStG zu kürzen sei, folgte das FA nicht, sodass es zur Klage kam.
Die Entscheidung des FG Düsseldorf
Das FG Düsseldorf hat dem FA Recht gegeben und ist ebenfalls davon ausgegangen, dass der Hinzurechnungsbetrag auch gewerbesteuerpflichtig sei. Für die Einbeziehung in den Gewerbeertrag sprächen insbesondere systematische Gründe: Zum einen werde der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG ausdrücklich den gewerblichen Einkünften zugerechnet, die wiederum gem. § 7 GewStG den Gewerbeertrag erhöhen. Zum anderen bringe auch der § 21 Abs. 7 AStG klar zum Ausdruck, dass die Hinzurechnungsbesteuerung gewerbesteuerliche Konsequenzen hat. Ferner sei auch aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer keine prinzipielle Beschränkung auf die Besteuerung inländische Gewinne abzuleiten. Vielmehr bestehe grundsätzlich auch eine Gewerbesteuerpflicht für im Ausland erwirtschaftete Erträge, es sei denn, sie fielen in einer ausländischen Betriebsstätte an. Einer anderweitigen Auslegung sei der klare Wortlaut des Gesetzes nicht zugänglich.
Die Anwendung möglicher Kürzungsvorschriften lehnte das Gericht erstaunlich schnell ab: Die Anwendung von § 9 Nr. 3 GewStG scheitere bereits daran, dass die Klägerin eine Tochtergesellschaft und eben keine Betriebsstätte im Ausland unterhalte, wie es der Gesetzeswortlaut erfordere. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG komme nicht Betracht, da die Auslandstochter bereits nicht in den Anwendungsbereich der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie falle und deren Einkünfte auch nicht den Aktivitätsvorbehalt dieser Norm erfüllten. Ebenso wenig sei § 9 Nr. 8 GewStG einschlägig. Denn insoweit sei nur von „Gewinnen aus Anteilen“ die Rede, denen der Hinzurechnungsbetrag nach dem AStG nicht unterfiele.
Kritische Würdigung der Entscheidung
Die Urteilsbegründung ist kurz, prägnant und stringent. Aber ist sie auch zutreffend? Diese Frage wird nun der I. Senat des BFH zu beantworten haben (Az. I R 10/14). Im Schrifttum sind in jüngerer Vergangenheit vermehrt Zweifel daran angemeldet worden, dass die gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschriften keine Anwendung fänden. Diese Zweifel vermag das FG Düsseldorf mit seiner insoweit sehr knappen Begründung nicht vollends aus dem Weg zu räumen.
Zwar ist dessen Argumentation gegen eine Anwendung des § 9 Nr. 3 GewStG auf den ersten Blick schlüssig. In der Tat stellt eine ausländische Tochter-Kapitalgesellschaft keine „nicht im Inland belegene Betriebsstätte“ i.S. dieser Vorschrift dar. Fraglich ist aber dennoch, ob es tatsächlich eine Überdehnung des Wortlauts darstellt, wenn man den Hinzurechnungsbetrag als einen auf eine ausländische Betriebsstätte entfallenden Teil des Gewerbeertrags ansieht. Diese Sichtweise wäre insoweit folgerichtig, als die Hinzurechnungsbesteuerung gerade die Abschirmwirkung der ausländischen Körperschaft entfallen lässt und somit auch für die Frage der Herkunft der Einkünfte (Entfallen sie auf eine Betriebsstätte oder die Körperschaft?) nicht zwingend auf die Körperschaft geschaut werden muss (ähnlich auch der Vorsitzende Richter des I. Senats des BFH Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 221a). Hier geht es letztlich um die Analogiefähigkeit des § 9 Nr. 3 GewStG.
Die Feststellung des FG, dass im Urteilsfall eine Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG nicht in Betracht kommt, ist insoweit zutreffend, da es sich vorliegend um eine in einem Drittstaat ansässige Tochtergesellschaft handelte. Bei einer solchen ist aufgrund des Aktivitätsvorbehalts in § 9 Nr. 7 Satz 1, 1. Hs. GewStG eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrags denklogisch ausgeschlossen. Dies gilt auch für § 9 Nr. 8 GewStG, sofern das einschlägige DBA einen Aktivitätsvorbehalt vorsieht.
Was aber gilt im Fall einer Tochtergesellschaft, die der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie unterfällt und die passiven Einkünfte entweder selbst oder über eine Betriebsstätte (EU oder Drittstaat) erzielt? Für diese greift kein Aktivitätsvorbehalt und es kommt letztlich auf die Frage an, ob der Hinzurechnungsbetrag als „Gewinn aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft“ i.S.v. § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG anzusehen ist. Dafür spricht, dass das AStG den Hinzurechnungsbetrag als Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG („Einkünfte aus Gewinnanteilen“) fingiert. Daher gehen einige Autoren davon aus, dass insoweit eine Kürzung möglich sei (vgl. Rödder, IStR 2009 S. 873; Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009 S. 496). Dagegen könnten allerdings die Entstehungsgeschichte einiger AStG-Normen sowie die auch vom FG Düsseldorf angesprochene Regelung des § 21 Abs. 7 AStG sprechen (ausführlich dazu Schnitger, IStR 2011 S. 328).
Aber selbst wenn man aufgrund des unklaren Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des AStG zu dem Ergebnis käme, dass eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrags bei EU-Tochtergesellschaften nicht von § 9 Nr. 7 GewStG gedeckt sei, wäre dies nicht das Ende der Fahnenstange. Denn dann würde sich automatisch eine Folgefrage stellen: Ist dieses Ergebnis unionsrechtskonform? Dies ist höchst zweifelhaft, wenn man folgende Sachverhalte miteinander vergleicht:
- Die deutsche Konzernmutter hat eine inländische Tochtergesellschaft, die über eine Betriebsstätte in einem Niedrigsteuerland (z.B. in der Schweiz) passive Einkünfte erzielt;
- die deutsche Konzernmutter unterhält eine Tochtergesellschaft im niedrig besteuerten EU-Ausland (z.B. UK), die ihrerseits passive Einkünfte über die vorgenannte Betriebsstätte im Niedrigsteuerland erzielt.
Im 1. Fall unterlägen die passiven Betriebsstätteneinkünfte über § 20 Abs. 2 AStG unter Anrechnung der schweizerischen Steuer in Deutschland der Körperschaftsteuer, nicht aber der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 3 GewStG). Im 2. Fall wären die passiven Betriebsstätteneinkünfte im Hinzurechnungsbetrag der niedrig besteuerten EU-Tochtergesellschaft enthalten und unterlägen bei der deutschen Konzernmutter nicht nur der Körperschaftsteuer, sondern – ohne Anwendung einer Kürzungsvorschrift – auch der Gewerbesteuer. Diese Ungleichbehandlung könnte durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 9 Nr. 3 bzw. Nr. 7 GewStG beseitigt werden (vgl. dazu auch Rödder/Liekenbrock, Ubg 2013 S. 23). Vielleicht hat der I. Senat auch diesen Fall vor Augen gehabt, als er in seiner Entscheidung I R 4/05 (v. 21.12.2005, BStBl. II 2006 S. 255 = DB0140734, unter II.2.b) davon sprach, dass „unter bestimmten Fallannahmen“ der Kürzungsbetrag des § 9 Nr. 7 GewStG um die ausländischen Zwischengewinne zu erhöhen sei.
Ausblick
Es ist zu hoffen, dass der I. Senat diese äußerst praxisrelevante Streitfrage im anhängigen Revisionsverfahren umfassend beantworten wird. Wünschenswert wären auch Ausführungen – ggf. als obiter dictum – zu der aufgezeigten unionsrechtlichen Dimension der Thematik.
Ungeachtet des Ausgangs dieses Verfahrens sollte aber auch der Gesetzgeber Klarheit bezüglich des Verhältnisses zwischen dem AStG und dem GewStG schaffen. Systematisch erscheint es jedenfalls nicht folgerichtig, passive Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte gewerbesteuerlich zu kürzen, dies aber nicht zu tun, wenn sie in Form des Hinzurechnungsbetrags einer Auslandsgesellschaft auftreten. Jedenfalls ist der aktuelle Zustand nicht hinnehmbar, wonach die steuerliche Vorbelastung der ausländischen Tochtergesellschaft gem. § 12 AStG zwar auf die Körperschaftsteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet werden kann.
Für die Gestaltungsberatung verbleibt vorerst nur der Hinweis, dass die Gewerbesteuerbelastung auf die nach dem AStG zuzurechnenden passiven Auslandseinkünfte auf anderem Wege vermieden werden sollte (z.B. durch Erzielung der passiven Einkünfte unmittelbar über eine eigene Betriebsstätte der Konzernmutter oder durch Nutzung einer ausländischen Personengesellschaft).