Liquidation von überschuldeten Gesellschaften – BFH schafft keine Klarheit

RA/StB Dr. Hardy Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

RA/StB Dr. Hardy Fischer, Partner bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Die Liquidation von (überschuldeten) Gesellschaften stellt Geschäftsführer und Berater vor erhebliche Anforderungen. Vertragsverhältnisse sind abzuwickeln, Gläubiger zu befriedigen und formale Anforderungen des Registerrechts einzuhalten. In jüngster Zeit kommt eine weitere Baustelle hinzu:Bei überschuldeten Gesellschaften greift vermehrt der Fiskus zu – anders als er es früher getan hat – und entdeckt einen steuerpflichtigen Verzichtsgewinn. Dieser „Gewinn“ kann häufig wegen Umstrukturierungen in der Vergangenheit, Eingreifen von steuerlichen Abzugsbeschränkungen etc. nicht (vollständig) mit Altverlusten verrechnet werden (zur Frage der Anwendung der Mindestbesteuerung in dieser Konstellation: vgl. anhängiges BFH-Verfahren I R 59/12, das dem Vernehmen nach dem BVerfG vorgelegt wird).

Zwar hat in der Vergangenheit der IV. Senat des BFH (inzident) bereits ausgeurteilt, dass ein solcher Verzichtsgewinn durch den bloßen Darlehensausfall nicht entsteht (dazu Töben, DB0579891) Der I. Senat hat aktuell jedoch leider die Möglichkeit vertan, für mehr Klarheit zu sorgen (Urteil vom 5. 2. 2014 – I R 34/12, DB0662183 ).

Urteilsfall

Das aktuelle Urteil des BFH betraf folgende praxisrelevante Konstellation:

Eine GmbH befand sich in der Liquidation. Die GmbH hatte kein nennenswertes Vermögen mehr, sie schuldete aber mit über 18 Mio. € noch ein Gesellschafterdarlehen, das nicht mehr getilgt werden konnte. Die GmbH beantragte daher eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt und fragte an, ob das Finanzamt die Auffassung teile, dass weder während noch bei Beendigung der Liquidation ein steuerpflichtiger Gewinn erzielt wird, wenn der verbleibende Restbetrag des Gesellschafterdarlehens nicht zurückgeführt wird. Das Finanzamt war jedoch anderer Ansicht und gewährte die verbindliche Auskunft nicht. Die GmbH ging dagegen vor dem FG Köln vor und bekam inhaltlich recht (FG Köln vom 6. 3. 2012 – 13 K 3006/11, DB0479622, vgl. dazu auch Hollatz, StR kompakt, DB0479628).

Gerichtliche Überprüfung zur nicht erteilten verbindlichen Auskunft

Anders als das FG Köln in der ersten Instanz scheut der BFH im Revisionsverfahren eine inhaltliche Aussage und beschäftigt sich vorrangig mit der Frage, ob und inwieweit die Erteilung (bzw. hier die Nichterteilung) einer verbindlichen Auskunft gerichtlich voll überprüfbar ist. Diese Frage ist bereits an anderer Stelle – zur Vorinstanz – detailliert beleuchtet worden (Schulz, DB0632129) . Nach Ansicht des BFH kann eine gerichtliche Kontrolle nur daraufhin erfolgen, ob die Behörde den zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend erfasst und ob dessen rechtliche Einordnung in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.

Besteuerung eines konkludenten Verzichtsgewinns?

Der BFH musste daher Stellung nehmen dazu, ob die Nichterteilung der verbindlichen Auskunft rechtlich vertretbar und nicht evident rechtsfehlerhaft war.

Insofern stellt er fest, dass bei Ermittlung des Liquidationsgewinns – insbesondere bei Aufstellung des Abwicklungs-Endvermögens (§ 11 Abs. 2 KStG) – die Vorschriften des BewG für die Wertermittlung anzuwenden sind. Demnach sind Verbindlichkeiten grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen (§ 12 Abs. 1 BewG), eine Ausnahmeregelung wie für wertlose Forderungen (§ 12 Abs. 2 BewG) existiert nicht.

Dennoch – so der BFH unter Verweis auf ein früheres Urteil (II R 19/01, DB0040964) – kann es Ausnahmefälle geben, in denen mit einer bestehenden Schuld keine wirtschaftliche Belastung (mehr) verbunden sei und in denen die Schulden demnach außer Ansatz bleiben. Ohne Not (da nicht entscheidungserheblich) stellt der BFH dann fest, dass es zumindest „diskussionswürdig“ sei, als einen solchen Ausnahmefall auch eine bestehende Forderung anzusehen, die aufgrund der Existenzbeendigung des Schuldners mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden wird.

Kritik

Das Urteil wird mit Sicherheit einige Kritik erfahren. Schon der Verweis auf das frühere BFH-Urteil (II R 19/01, DB0040964) verwundert, wurde doch dort gerade ausdrücklich ausgesprochen, dass allein der Umstand der Vermögenslosigkeit es im Allgemeinen nicht rechtfertigt, Verbindlichkeiten nicht mit dem Nennwert anzusetzen.

Die liquidierte Gesellschaft ist tatsächlich auch nur „scheintot“. Denn stellt sich später heraus, dass sie noch über verteilbares, bisher unbekanntes Vermögen verfügt, lebt sie wieder auf und muss ihre Verbindlichkeiten erfüllen (Rödding/Scholz, DStR 2013 S. 999).

Auch setzt sich der BFH nicht mit der Vorinstanz auseinander. Das FG Köln hatte detailliert ausgeführt, warum eben keine Versteuerung von „Scheingewinnen“ aus einem Verzichtsgewinn erfolgen kann. Die (Gesellschafts-)Gläubiger erklären gerade keinen Erlass der Schulden. Damit bleibt also allenfalls Raum für eine Niedrigerbewertung der Verbindlichkeiten, wenn der Schuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen muss. Die Wahrscheinlichkeit sei aber – so das FG Köln – nur im Hinblick auf die Entschlossenheit des Gläubigers zu beurteilen, seinen Anspruch so weit wie möglich durchzusetzen. Ohne Bedeutung sei die Fähigkeit des Schuldners, den Anspruch zu befriedigen. Die gegenteilige Auffassung führe zu dem wirtschaftlich unsinnigen Ergebnis, dass das steuerliche Totalergebnis nie geringer als Null sein könnte, weil spätestens in der Liquidation der Überhang der Verbindlichkeiten durch den angenommenen, steuerpflichtigen Gewinn ausgeglichen würde.

Leider unterlässt es der BFH sich mit diesen gewichtigen Argumenten auseinanderzusetzen und gibt allen Beteiligten nur den etwas nebulösen Satz an die Hand, dass die Besteuerung eines „Gewinns“ bei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Nichterfüllung der Verbindlichkeit zumindest „diskussionswürdig“ sei.

5.         Ausblick

Das Urteil wird Diskussionen zwischenbetroffenen Gesellschaften und Finanzämtern nicht leichter machen. Die Finanzverwaltung steht ggf. zudem vor der Frage, ob die Geltendmachung einer vermeintlichen Steuer gegen eine leere, überschuldete Gesellschaft oder gar die Beantragung eines Insolvenzverfahren sinnvoll ist.

Für die überschuldete Gesellschaft und deren Geschäftsführer stellen sich sensible Fragen ggf. schon früher, beispielsweise bei Abverkauf des letzten Vermögensgegenstandes.

Die Praxis wird sich weiterhin mit Alternativlösungen auseinandersetzen müssen (Umzug / Verschmelzung in das Ausland; Übernahme der Schulden durch (ausländische) Gesellschafter; Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen nach EK-Zufuhr etc.), von denen aber keine Variante über jeden Zweifel erhaben ist. Auch der Sanierungserlass bietet in Fällen einer geplanten Liquidation keine Hilfe, da er die Fortführung der Gesellschaft voraussetzt. Daher bleibt nur zu hoffen, dass die Finanzverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Betrachtungsweise einnimmt und überschuldeten Gesellschaften nicht, zusätzlich neben allen anderen Schwierigkeiten, auch noch mit einer Besteuerung von Scheingewinnen droht.

 

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