Es wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und taucht auch in keinen Haushaltsplänen auf: Der Staat gibt für seine Spitzel viel Geld aus. Laut einem Spiegelbericht vom 7. 2. 2013 hat der NPD-Funktionär und Informant des Thüringer Verfassungsschutzes Tino Brandt 200.000 € für seine fragwürde Tätigkeit bezahlt. Allein zwischen 1994 und 2000 sind nach Aussagen des Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz 1,5 Mio € für nachrichtendienstliche Zwecke geflossen. Nach einem Zeitungsbericht hat das Land Rheinland Pfalz im April 2013 rund 4,4 Mio € für den Ankauf von Datensätzen auf diversen Steuer-CDs ausgegeben.
Da alle diese Informanten anonym sind, d.h. ihre Identität nicht preisgegeben wird, bleiben die Zuflüsse auch den Finanzämtern verborgen. Die Wahrung der Anonymität von V-Personen schließe – so heißt es in einer Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Kleine parlamentarische Anfrage im Dezember 2012 im Thüringer Landtag– eine individuelle Besteuerung aus. „Steuerschnäppchen für spitzelnde Neonazis?“, so schrieb die Ostthüringer Zeitung am 6. 2. 2013. Oder geht man vertrauensselig davon aus, dass der Empfänger die üppigen Zahlungen von sich aus in der Steuererklärung angibt? Das wird man nicht annehmen können.
Pauschalsteuer auf Prämienzahlungen
2006 richtete der damalige FDP-Abgeordneten Wissing folgende Anfrage an die Parlamentarische Staatssekretärin im BMF Hendricks: „Auf welche Weise werden Gelder, Geschenke bzw. geldwerte Vorteile, welche Polizeibehörden bzw. Geheimdienste ihren Informanten bzw. V-Männern gewähren, versteuert und welcher Steuersatz kommt dabei zur Anwendung?
Das BMF antwortete am 20. 6. 2006, dass diese Zahlungen durch die Bundesbehörden pauschal mit 10% besteuert würden und der eingenommene Betrag an die Finanzkassen der einzelnen Bundesländer abgeführt werde. Die Aufteilung des Betrags erfolge „entsprechend dem prozentualen Anteil der jeweiligen Landesbevölkerung an der Gesamtbevölkerung“. Der FDP-Abgeordnete Thiele setzte 2008 nach und fragte ganz allgemein nach der steuerlichen Behandlung der Entgelte für die Übermittlung steuerrelevanter Daten aus Liechtenstein und ob es hierzu verwaltungsinterne Vereinbarungen gebe. Die Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin Kressl vom 3. 3. 2008 fiel im gleichen Sinne aus. Die Abführung der 10%igen Pauschalsteuer beruhe auf Vereinbarungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder aus dem Jahre 1963, die zuletzt im Jahre 1998 bestätigt worden seien. Die SZ berichtete am 17. 5. 2010 von einem Fall, in dem ein Informant , der dem BND eine CD mit deutschen Steuersündern für angeblich 5 Mio verkaufte, den Betrag abzgl. 500.000 bekam, die an die Finanzverwaltung gingen. Regulär hätte er 2,3 Mio Steuern zahlen müssen.
Die Bundesregierung hat diese Praxis in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Jahr 2013 erneut bestätigt. Die Zahlungen an sog. V-Leute und sonstige nachrichtendienstliche Verbindungspersonen würden in der Regel bar geleistet, die staatlichen Stellen führten 10% der „Prämiensumme…an die einzelnen Finanzkassen der Länder ab. Diese Regelung ist allgemeingültig.“
Besteuerungspraxis ohne gesetzliche Grundlage
Prämienzahlungen für V-Leute oder Entgelte für die Überlassung steuerrelevanter CD’s fallen unter den Begriff der Einkünfte aus Leistungen des § 22 Nr. 3 EStG, wenn sie nicht ohnehin zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbständiger Arbeit zählen. In jedem Fall handelt es sich aber um steuerpflichtige Einkünfte, eine gesetzliche Steuerbefreiung oder -ermäßigung gibt es nicht.
Das Einkommensteuergesetz kennt auch keine Pauschalsteuer für derartige Einkünfte, die mit 10% auf die Bruttozahlungen die Steuerschuld abgilt. Ist der Informant ein Steuerinländer, so müssen von Gesetzes wegen die Zahlungen in seine Bemessungsgrundlage eingehen und werden sodann mit dem regulären Steuersatz erfasst. Dies dürften bei den in Rede stehenden Summen häufig 45% (+ Solidaritätszuschlag) sein.
Mit der „Erfindung“ einer Pauschalsteuer – wenn man so will, einer „Spitzelsteuer“ – für Entgelte an Personen, die „im Dunkeln bleiben“, weicht die Verwaltung ohne gesetzliche Legitimation von der Regelbesteuerung ab, sie löst sich ohne gesetzliche Ermächtigung von der Gesetzesbindung. Dafür mag es politische Argumente geben. Aus verfassungsrechtlicher Sicht verstößt diese Verfahrensweise nicht nur gegen das Gebot der strikten Gesetzesanwendung im Steuerrecht, sondern auch gegen das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit.
Klageweg nicht aussichtsreich
Was kann der Steuer-Normal-Bürger gegen die rechtswidrige Besteuerungspraxis tun? Die Antwort lautet kurz und bündig: nichts! Rechtsprechung geht in ständiger Spruchpraxis davon aus, dass er nur dann in seinem Recht auf Gleichbehandlung betroffen sei, wenn er geltend machen könne, die angegriffene Regelung müsse aus Gleichheitsgründen auch auf ihn angewendet werden. Scheide dies aus Rechtsgründen oder aus tatsächlichen Gründen offenkundig aus, so sei er von der Regelung nicht negativ betroffen. Das BVerfG hat diese Linie in seinem Beschluss über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die steuerfreie Abgeordnetenpauschale (vom 26. 7. 2010 – 2 BvR 2227/08, 2228/08, DB0362676) bestätigt: „Die Entscheidungserheblichkeit fehlt, wenn der Gesetzgeber an der Schaffung einer für den Kläger günstigeren Regelung aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen sachlichen Gründen gehindert ist.“ Solange die Rechtsprechung diese Linie nicht ändert, wird man einer Klage gegen die verfassungswidrige Begünstigung der Spitzelentgelte keine Erfolgsaussichten einräumen können. Denn niemand, der mit normaler Hand- oder Kopfarbeit sein Geld verdient, wird ernsthaft vom Gesetzgeber mit Hinweis auf die rechtswidrige Spitzelsteuer verlangen können, dieser möge ihm die gleichen Privilegierungen einräumen.