Die Abgrenzung zwischen privaten (somit steuerlich nicht relevanten) und beruflich veranlassten (also abzugsfähigen Kosten) ist ein häufiger Streitpunkt zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung und in der Folge auch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Das FG Münster hat am 02.06.2014 eine Entscheidung aus August 2013 veröffentlicht (FG Münster vom 28.08.2013 – 12 K 339/10 E, Revision anhängig unter VI R 22/14), in der es genau um diese Abgrenzung geht.
Sachverhalt
Der verheiratete Steuerpflichtige erzielt als Monteur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und ist auf wechselnden Baustellen im Ausland tätig. Im Streitjahr war er u.a. für mehrere Wochen in den Niederlanden eingesetzt. Aus vom Arbeitgeber bestätigten produktionstechnischen Gründen war eine Heimfahrt nicht an allen Wochenenden möglich. Stattdessen besuchte ihn seine Ehefrau in den Niederlanden.
Im Rahmen der gemeinsamen Einkommensteuererklärung machte der Steuerpflichtige neben eigenen Familienheimfahrten Kosten für drei Fahrten seiner Ehefrau in die Niederlande als „umgekehrte Familienheimfahrt“ im Rahmen der Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung der „Besuchsfahrten“ der Ehefrau ab. Es handele sich um nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung.
Hiergegen richtet sich die Klage des angestellten Monteurs. Aus vom Arbeitgeber bestätigten beruflichen Gründen sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Familienheimfahrt durchzuführen. Die aus diesem Grund durchgeführten umgekehrten Fahrten seiner Ehefrau seien somit ebenfalls beruflich veranlasst und abzugsfähig.
Urteil des FG Münster
Das FG Münster gab dem Steuerpflichtigen Recht und begründet dieses Urteil wie folgt:
Beim zu entscheidenden Sachverhalt handelt es sich um eine befristete Auswärtstätigkeit. Die Grundsätze zur doppelten Haushaltsführung kommen nicht zur Anwendung. Die streitigen Fahrtkosten sind somit nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu würdigen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG): Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Es ist stets zu prüfen, ob eine berufliche (in Abgrenzung zur privaten) Veranlassung vorliegt. Entscheidend ist, dass objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv mit Blick auf die Förderung des Berufs getätigt werden.
Unstreitig ist die berufliche Veranlassung z.B. bei Fachliteratur (wie die aktuellen Steuergesetze bei einem Steuerberater). Ebenso klar ist die Zuordnung zum privaten Bereich beim Geburtstagsgeschenk für das Patenkind. Problematisch sind die Kosten, bei denen sowohl berufliche als auch private Aspekte vorhanden sind. Bei der Entscheidung, ob nun die berufliche oder die private Veranlassung überwiegt, ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Ein Abzug ist möglich, wenn die Aufwendungen so stark durch die berufliche Situation geprägt sind, dass die private Veranlassung dahinter zurücktritt.
Das FG Münster argumentiert nun wie folgt: Bei einer Auswärtstätigkeit werden z.B. Verpflegungsmehraufwendungen innerhalb der vorgegebenen Grenzen zum Werbungskostenabzug zugelassen. Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die ebenfalls im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung stehen, werden als Werbungskosten anerkannt. Die Rechtsprechung hat auch Aufwendungen für private Telefonate nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit als beruflich veranlassten Mehraufwand anerkannt (BFH vom 05.07.2012 – VI R 50/10, DB0561049). In allen diesen Fällen werden private Aspekte durch berufliche Gründe überlagert.
Bei einer doppelten Haushaltsführung werden Kosten für eine Familienheimfahrt pro Woche anerkannt. Die Rechtsprechung lässt in diesen Fällen auch den Aufwand für umgekehrte Familienheimfahrten zum Werbungskostenabzug zu, wenn der Steuerpflichtige die Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht selbst durchführen kann.
Für den vorliegenden Fall kann somit nichts anderes gelten: Die Fahrtkosten der Ehefrau sind nach Auffassung des FG Münster beruflich veranlasst. Wäre der Kläger selbst gefahren, hätte er die Kosten für die Fahrt zum Familienwohnsitz steuerlich geltend machen können. Da er aus – vom Arbeitgeber bestätigten – beruflichen Gründen an seinem Arbeitsort verbleiben musste, ist auch die umgekehrte Fahrt seiner Ehefrau beruflich veranlasst.
Fazit
Das FG Münster setzt mit seinem Urteil die bereits zur doppelten Haushaltsführung ergangene Rechtsprechung fort. Entscheidend für einen Abzug als Werbungskosten ist allein die berufliche Veranlassung. Diese kann auch bei umgekehrten Familienheimfahrten vorliegen – sowohl im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als auch bei einer Auswärtstätigkeit. Allerdings müssen berufliche Gründe vorliegen, aus denen der Arbeitnehmer nicht selber nach Hause fahren kann. Ein rein privat motivierter Besuch führt nicht zum Werbungskostenabzug.
Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dem FG Münster folgt. Steuerpflichtigen ist zu raten, Kosten für umgekehrte Familienheimfahrten mit Verweis auf das anhängige Verfahren anzusetzen. Bereits ergangene Bescheide sollten bis zur Entscheidung des BFH offen gehalten werden.