Der doppelte Override

StB Dr. Thomas Töben, Partner bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

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Mit einem neuen BMF-Schreiben zur Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften ist beabsichtigt, das bisherige BMF-Schreiben zu „aktualisieren, um es an die Rechtsentwicklung anzupassen„. Ein Entwurf (BMF-E) wurde am 5.11.2013 bekannt gegeben. Der Entwurf befasst sich u.a. mit der Besteuerung von Sondervergütungen, die ein in Deutschland ansässiger Gesellschafter von seiner ausländischen, in einem DBA-Staat tätigen gewerblichen Personengesellschaft erhält (Outbound-Fall). Angesprochen sind insbesondere Zinsen für ein Darlehen des inländischen Gesellschafters.

Gewerblicher Vorabgewinn nach innerstaatlichem Recht

Nach innerstaatlichem Recht handelt es sich bei o.g. Sondervergütungen steuerlich nicht um gewinnmindernden Zinsaufwand der Personengesellschaft, deshalb auch nicht um Zinseinnahmen des Gesellschafters. Vielmehr werden die Zinsen als gewerblicher Vorabgewinn behandelt, der ebenso wie der „normale“ gewerbliche Gewinn auf Ebene der Personengesellschaft der Gewerbesteuer unterliegt. So erreicht der Gesetzgeber die aus gewerbesteuerlichen Gründen gewünschte Gleichbehandlung eines Personengesellschafters mit einem gewerblichen Einzelunternehmer: durch die Gewährung von Darlehen statt Eigenkapital soll die Gewerbesteuer nicht vermindert werden können.

Zinsen nach DBA-Recht

Grundsätzlich werden in DBA-Fällen Zinsen aufgrund eines Schuldverhältnisses zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft indes als das behandelt was sie sind, nämlich als Zinsen. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts richtet sich gemäß ständiger Rechtsprechung nach dem Verteilungsartikel über Zinsen (Art. 11), nicht nach dem Unternehmensgewinnartikel (Art. 7). Die Zinsen mindern den ausländischen, regelmäßig freigestellten Unternehmensgewinn.

Ergebnis: Der deutsche Gesellschafter bezieht DBA-rechtlich Zinsen, für die regelmäßig der Ansässigkeitsstaat des Darlehensgebers das (zumeist) alleinige Besteuerungsrecht hat. Eine Minderung von Gewerbesteueraufkommen ist in einem solchen Outbound-Fall nicht zu befürchten. Im Gegenteil: denn wie Deutschland diese Zinsen besteuert, ist eine sich erst daran anschließende Frage. Regelmäßig wird Deutschland solche Zinsen als gewerbliche Gewinne besteuern können und – soweit sie in einer inländischen Betriebstätte anfallen – auch der deutschen Gewerbesteuer unterwerfen.

BMF-E zu Sondervergütungen im Outbound-Fall

Die Anwendung der ständigen Rechtsprechung zur Besteuerung dieses schlichten Sachverhalts wirkt also zugunsten des deutschen Fiskus. Bei diesem Befund fällt es schwer, den Entwurf des BMF-Schreibens zu verstehen. In drei Sätzen wird dort Folgendes vertreten (Tz. 5.1.3.2 BMF-E):

  1. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, sind die Sondervergütungen grundsätzlich als Betriebstättengewinn von der deutschen Besteuerung auszunehmen.
  2. Da die meisten anderen Staaten Sondervergütungen anderen DBA-Bestimmungen zuordnen, können Qualifikationskonflikte entstehen, die zu einer Doppelfreistellung führen.
  3. Dann entfällt die Freistellung entsprechend § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG (mit Verweis auf § 50d  Abs. 10 Satz 8 EStG).

Wie oben dargestellt führt indes die ständige Rechtsprechung zu einem diametral anderen Ergebnis, und zwar zugunsten des deutschen Fiskus:

  • Entgegen Nr.  1 sind danach die hier angesprochenen Sondervergütungen DBA-rechtlich gerade nicht grundsätzlich als Betriebstättengewinn von der deutschen Besteuerung auszunehmen; vielmehr sind sie in Deutschland (voll) steuerpflichtig, evt. zuzüglich Gewerbesteuer.
  • Entgegen Nr.  2 ordnen nicht nur die „meisten anderen Staaten“ Sondervergütungen dem Zinsartikel und nicht dem Unternehmensgewinn-Artikel zu; auch in Deutschland ist so zu verfahren. Bereits 1991 urteilte der BFH (I R 15/89), damals im Einvernehmen mit dem obsiegenden Finanzamt, dass Zinsen, die eine US-Personengesellschaft an ihren deutschen Gesellschafter zahlt, DBA-rechtlich dem Zinsartikel zuzuordnen und in Deutschland steuerpflichtig sind.
  • Entgegen Nr.  3 – und auf Basis der ständigen Rechtsprechung – bedarf der in Tz. 5.1.3.2 BMF-E adressierte Outbound-Fall deshalb keiner Sonderregelung zur Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts, nach welcher eine angenommene DBA-Freistellung „entsprechend § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG“ zu versagen wäre.

Ein „doppelter Override“?

Verständlich wird diese „Regelung“ im BMF-E nur vor dem Hintergrund des § 50d Abs. 10 Satz 1 und Satz 3 EStG n.F. Danach wird die für den deutschen Fiskus im Outbound-Fall günstige Rechtsprechung zu Lasten des deutschen Fiskus außer Kraft gesetzt, d.h. ein bestehendes deutsches Besteuerungsrecht beseitigt. Denn nach diesen Vorschriften sollen Sondervergütungen ungeachtet von DBA-Regeln stets den Unternehmensgewinnen zuzuordnen sein, unabhängig davon, ob Zinsen von einer inländischen Personengesellschaft an einen ausländischen Gesellschafter gezahlt werden oder – wie hier – umgekehrt von einer ausländischen Gesellschaft an einen inländischen Gesellschafter. Erst dadurch kommt es zu einer Freistellung solcher Zinsen in Deutschland. Weil das ersichtlich nicht gewollt ist, soll die Freistellung nun über die „entsprechende“ Anwendung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG versagt werden. Also mittels einer Norm, die ohne § 50d Abs. 10 EStG mangels eines Qualifikationskonflikts gar nicht anwendbar wäre. Wenn man so will: ein rechtstaatlich bedenklicher „doppelter Override„.

Die Veröffentlichung des neuen Schreibens ist für Anfang September 2014 geplant.

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