Seit der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens dient die von § 8b KStG vorgesehene Steuerfreistellung der von einer Kapitalgesellschaft vereinnahmten Dividenden der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung bei mehrstöckigen Gruppenstrukturen. Steuersystematisch zu kritisieren ist die rein fiskalisch motivierte und sich grundsätzlich auch auf die Gewerbesteuer auswirkende Fiktion pauschaler nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG i.H.v. 5 % des Bruttobetrags der Dividenden, sodass diese effektiv nur einer 95 %-igen Steuerfreistellung unterliegen.
Für von Organgesellschaften bezogene Dividenden eröffnet sich jedoch – wenn auch nur für Gewerbesteuerzwecke – die Chance, die 5 %-ige Hinzurechnung zu vermeiden. Dies wird nunmehr durch ein Urteil des FG Münster vom 14.05.2014 – 10 K 1007/13 G gestützt.
Urteil des FG Münster
Fraglich war, ob (auch) für Gewerbesteuerzwecke auf Ebene des Organträgers eine 5 %-ige Hinzurechnung fiktiver nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben wegen einer von der Organgesellschaft bezogenen Dividende vorzunehmen ist. Das FG Münster urteilte, dass die Dividenden gewerbesteuerlich effektiv in voller Höhe zu befreien seien.
Begründung des Gerichts: Die Organgesellschaft gelte gewerbesteuerlich als Betriebsstätte des Organträgers; ihr separat zu ermittelnder Gewerbeertrag sei dem Organträger als Steuerschuldner zuzurechnen. Die Ermittlung des Gewerbeertrags knüpfe an das um gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen zu korrigierende körperschaftsteuerliche Einkommen an. Der Verweis auf die Gewinnermittlungsvorschriften des KStG umfasse auch die Vorschrift des § 15 KStG, nach der u.a. die Vorschrift des § 8b Abs. 1, 5 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft nicht anzuwenden und vielmehr auf Ebene des Organträgers zu prüfen sei. Da die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG unstreitig erfüllt seien, habe eine vollständige Kürzung der Dividende zu erfolgen; im Gewerbeertrag der Organgesellschaft sei die Dividende somit betragsmäßig (und auch dem Grunde nach) nicht enthalten. Infolgedessen laufe die Anwendung des § 8b Abs. 1, 5 KStG bei dem Organträger ins Leere. Im Gegensatz zur Körperschaftsteuer komme es damit für Gewerbesteuerzwecke nicht zu der Fiktion nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben. Auch eine Korrektur auf Basis der Betriebsstättenfiktion scheide aus, da keine durch die Zusammenrechnung von Gewerbeerträgen verursachte ungerechtfertigte Nichterfassung vorliege; ursächlich für den fehlenden Ansatz sei vielmehr die Verlagerung der Entscheidung zur Anwendung der Norm des § 8b KStG auf die Ebene des Organträgers bei Ausklammerung dieser Frage bei der Organgesellschaft.
Praxiseffekte und Handlungsempfehlung
Das Urteil betrifft den Veranlagungszeitraum des Jahres 2006 und sollte uneingeschränkt auf die aktuelle Rechtslage übertragbar sein. In Organkreisen, in denen als Organträger eine Kapitalgesellschaft bzw. eine Personengesellschaft mit kapitalistischen Anteilseignern fungiert, bietet sich somit für von Organgesellschaften bezogene Dividenden – wenn auch nur für Gewerbesteuerzwecke – die Chance, die 5 %-ige Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben zu vermeiden.
Äußerst relevant ist dies in der Unternehmenspraxis insbesondere für Gewinnausschüttungen ausländischer Tochterkapitalgesellschaften. Die Finanzverwaltung vertritt (bislang) die Auffassung, dass ungeachtet der gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschriften die Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben auch für Gewerbesteuerzwecke auf Ebene des Organträgers nachzuholen ist. Steuerpflichtige sollten daher prüfen, ob es für sie vorteilhaft ist, laufende Verfahren offen zu halten und Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Zu beachten ist, dass Aufwendungen der Organgesellschaft, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Gewinnanteilen stehen, den gewerbesteuerlichen Kürzungsbetrag reduzieren; die resultierende effektive steuerliche Nicht-Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen kann jedoch durch sorgfältige Gestaltung in vielen Fällen vermieden werden.
Das Urteil sollte keinen Anlass bieten, bei dem Verkauf von Kapitalgesellschaftsanteilen durch Organgesellschaften die effektiv 95 %-ige Freistellung der Veräußerungsgewinne zu verwehren. Aufgrund der durch die Bruttomethode bewirkten Sperrung des § 8b Abs. 2 KStG sowie in Ermangelung einer gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschrift sollte ein Veräußerungsgewinn in voller Höhe im Gewerbeertrag der Organgesellschaft enthalten sein. Dieser dem Organträger zuzurechnende Betrag enthielte folglich Gewinne i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG. Auf Basis der Entscheidungsgründe des FG Münster würde auf Ebene des Organträgers wegen Geltung der Bruttomethode auch für Zwecke der Gewerbesteuer die Steuerfreistellung und infolgedessen die 5 %-ige Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG greifen; ein Veräußerungsverlust wäre infolge der Anwendung von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch gewerbesteuerlich vollständig nicht abzugsfähig.
Die Revision ist beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen I R 39/14 anhängig. Zu beobachten sein wird dabei insbesondere auch, ob der BFH die Auffassung des FG Münster zu der im Schrifttum nicht unumstrittenen Frage nach der Anwendung der Bruttomethode auch auf die Gewerbesteuer teilt. Ist § 15 KStG im Rahmen der Gewerbesteuer
- sowohl auf Ebene der Organgesellschaft als auch des Organträgers anwendbar,
- nur im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb der Organgesellschaft, nicht aber bei dem Organträger oder
- bereits dem Grunde nach gar nicht anwendbar, so dass dessen Effekt auf den körperschaftsteuerlich ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb der Organgesellschaft im Rahmen der Gewerbesteuer zu korrigieren wäre?
In Abhängigkeit von der Beantwortung dieser Fragen könnten sich überraschende gewerbesteuerliche Effekte ergeben. Infolge der auf Ebene der Organgesellschaft greifenden Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a, Nr. 7 bzw. Nr. 8 GewStG sollte es jedoch stets zur Steuerfreistellung von in- und ausländischen Schachteldividenden kommen.