Deutschland steht still – Steuern im Streik

RA/StB Dr. Hardy Fischer, Partner bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

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Reisende haben es in diesen Tagen schwer in Deutschland. Bahn- und Fluggesellschaften werden abwechselnd bestreikt. Frustration stellt sich ein bei Berufspendlern, Geschäftsreisenden sowie Touristen und in der Presse wird von volkswirtschaftlichen Schäden in zweistelliger Millionenhöhe pro Streiktag berichtet. Dies bietet Anlass genug, um sich dem Thema Streik einmal aus der steuerlichen Perspektive zu nähern.

Streik & Steuern

Eine schlichte Suche mit den Stichworten „Streik“ und „Steuern“ in bekannten Datenbanken liefert diverse steuerliche und bilanzielle Themen: Inwieweit sind beispielsweise streikbedingte Betriebsunterbrechungen zu berücksichtigen bei der Frage, ob eine Betriebsstätte vorliegt? Wie wirken sich Streiktage für die 183-Tage-Regelung aus? Kann einem wegen eines Poststreiks eingetretenen Fristversäumnisses mittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begegnet werden? Sind handelsbilanzielle Drohverlustrückstellungen wegen eines Streikrisikos zulässig?

Auf ein Thema ist jedoch nachfolgend besonderes Augenmerk zu richten: Was sind die steuerlichen Folgen von sogenannten Streikunterstützungszahlungen? Streikunterstützungen kommen in zweierlei Form vor: Die streikenden Arbeitnehmer erhalten als Ausgleich für einen Lohnfortfall während des Streiks durch die den Streik betreibende Gewerkschaft Unterstützungszahlungen. Andererseits gibt es auch auf Arbeitgeberseite ggf. Unterstützungsleistungen, die ein Arbeitgeberverband seinen Mitgliedsunternehmen für die während eines Streiks erlittenen Produktions-/Einnahmeausfälle zahlt.

Während erstere Unterstützungszahlungen in der Hand der Arbeitnehmer regelmäßig nicht steuerbar sind, sind letztgenannte Leistungen steuerpflichtige Betriebseinnahmen beim Arbeitgeber. Ein Widerspruch – so mag man meinen – mit dem die „Kampfparität“ der Streikparteien steuerlich untergraben wird. So einfach kann man es sich aber wohl nicht machen.

Nicht steuerbare Streikunterstützung an Arbeitnehmer

Streikunterstützungen an Arbeitnehmer unterliegen nach Auffassung der Rechtsprechung nicht der Einkommensteuer (BFH vom 24.10.1990 – X R 161/88, DB0089701). Die Zahlungen seien gerade nicht Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des streikenden Arbeitnehmers und damit keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Weiterhin seien solche Zahlungen auch keine Entschädigungen für entgangene Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Steuerpflichtige Entschädigungen setzen eine Zwangslage des Steuerpflichtigen voraus, die er nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben darf. Mit Beitritt zur Gewerkschaft wird jedoch gerade die generelle Bereitschaft bekundet, satzungsgemäß beschlossene Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft mitzutragen und zu befolgen. Schließlich sei die Streikunterstützung auch nicht Gegenleistung für eine durchgeführte Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG, denn das einzelne Mitglied nimmt nicht am Streik teil, um die Streikunterstützung zu erhalten. Mangels steuerbarer Einnahmen können die durch die Teilnahme am Streik entstandenen Aufwendungen durch die Arbeitnehmer nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden.

Steuerpflichtige Unterstützungszahlungen an Arbeitgeber

Steuerlich wesentlich unfreundlicher hingegen ist die Situation beim Arbeitgeber. Unterstützungsleistungen, die ein Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern für im Arbeitskampf erlittene Produktionsausfälle zahlt, sind steuerbar und erhöhen als Betriebseinnahmen das Einkommen (FG Köln vom 1.3.2001 – 5 K 3372/96). Die Streikunterstützungsleistungen werden durch den Streik der Arbeitnehmer und damit unmittelbar durch den Betrieb veranlasst und sind grundsätzlich als Betriebseinnahme zu erfassen.

Dem stehen auch nicht verfassungsrechtliche Grundsätze der Koalitionsfreiheit (Kampfparität) und der Gleichheitsgrundsatz entgegen. Die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Kampfparität sei nicht ausreichend, um die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung zu bejahen. Es sei nach Auffassung des FG Köln nicht erkennbar, dass sich die steuerliche Situation ungleich auf die beiden Gegenspieler auswirke, so dass die Verhandlungsfähigkeit der Arbeitgebervertreter, einschließlich deren Fähigkeit, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen, nicht gewahrt bleibe. Auch seien Streikunterstützungen an die Arbeitnehmer und an die Arbeitgeber in ihrer Struktur sowie in ihren Auswirkungen vollkommen unterschiedlich. Der Arbeitgeber muss während des Streiks die Löhne nicht zahlen und kann zudem den in dieser Zeit erwirtschafteten Verlust steuerlich berücksichtigen. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer, bei dem der Arbeitslohn und damit seine Existenzgrundlage im Streikfall ersatzlos wegfalle, lasse sich beim Arbeitgeber nicht ohne Weiteres sagen, in welcher Höhe die durch den Streik erlittenen Vermögenseinbußen endgültig sind. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz sei nicht gegeben. Die unterschiedliche Besteuerung dieser beiden Gruppen entspreche dem im Steuerrecht verankerten Dualismus von Gewinneinkünften auf der einen und Überschusseinkünften auf der anderen Seite.

Fazit

Ein Streik und damit zusammenhängende Unterstützungszahlungen führen aus steuerlicher Sicht nicht zwangsläufig zu vergleichbaren Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der grundsätzlichen Steuerpflicht von erhaltenen Streikunterstützungszahlungen auf Unternehmerseite steht jedenfalls – im Vergleich zu Arbeitnehmern – der Vorteil gegenüber, streikbedingte Mehrkosten steuerlich geltend machen zu können. Man denke an streikbedingte Charterkosten für einen Hubschrauber, die steuerlich anzuerkennen sind, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der zu erwartenden Vorteile und Kosten ebenfalls einen Hubschrauber eingesetzt hätte (vgl. BFH vom 27.2.1985 – I R 20/82). Das wird in der Regel aber nur ein schwacher Trost sein.

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