– Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche bergen erhebliche steuerliche Risiken –
Verschiedene kürzlich veröffentlichte Entscheidungen der Finanzgerichte bestätigen einmal mehr, dass eine rechtzeitige, sorgfältige und umfassende Nachfolgeplanung des Unternehmers dringend erforderlich ist, um unerwartete steuerliche Belastungen anlässlich des Erbfalls zu vermeiden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vorausschauende Planung bezüglich möglicher im Erbfall entstehender Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche. Diese belasten ggf. nicht nur die Liquidität der Erben, sondern können auch die Fortführung des Unternehmens gefährden, wenn die geltend gemachten Ansprüche nur unter Einsatz des erworbenen unternehmerischen Vermögens befriedigt werden können. Denn hierdurch kann sowohl der Wegfall einer bereits gewährten erbschaftsteuerlichen Begünstigung für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG), als auch eine Besteuerung stiller Reserven ausgelöst werden.
Übertragung von Gesellschaftsanteilen
In einem vom FG Hessen (FG Hessen vom 19.11.2013 – 1 K 3364/10, DB0669917; vgl. hierzu Amann, StR kompakt, DB0669977) entschiedenen Fall hatten die Kinder des Erblassers von Todes wegen dessen Beteiligungen an einer KG sowie zwei GmbH-Beteiligungen erworben. Für den Erwerb wurde die erbschaftsteuerliche Begünstigung für Betriebsvermögen in der im Streitjahr 2001 maßgeblichen Fassung (§ 13a ErbStG a.F.) in Anspruch genommen. Die Ehefrau des Erblassers hatte das ihr testamentarisch zugedachte Erbe ausgeschlagen und machte gegen die Kinder sowohl ihren Zugewinnausgleichsanspruch entsprechend der güterrechtlichen Regeln als auch ihren Pflichtteilsanspruch geltend (vgl. § 1371 Abs. 3 BGB). Ihre Kinder sahen sich zur Erfüllung dieser Ansprüche nur dadurch in der Lage, dass sie Anteile an den vom Vater erworbenen Gesellschaften auf ihre Mutter übertrugen.
„Schädliche“ Veräußerung i.S.d. § 13a Abs. 5 ErbStG
Das FG Hessen bestätigte in der zitierten Entscheidung die Auffassung des beklagten Finanzamts, dass die Übertragung der Anteile zur Erfüllung der geltend gemachten Ausgleichsansprüche ein entgeltliches Geschäft darstelle und demzufolge eine „schädliche“ Veräußerung i.S.d. § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. vorliege, die zum anteiligen Verlust der zunächst gewährten Betriebsvermögensbegünstigung führe.
Für diese Sichtweise wird insbesondere angeführt, dass sowohl der Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1371 Abs. 2 BGB) als auch der Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) zivilrechtlich ausschließlich auf Geld gerichtet seien; die Vereinbarung über die schuldbefreiende Hingabe eines anderen Gegenstands – hier der Anteile – an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) sei daher als entgeltlicher Vorgang zu werten. Diese Sichtweise entspricht sowohl der Rechtsprechung des BFH zum Ertragsteuerrecht (vgl. BFH vom 16.04.2004 – III R 38/00, DB0109447), die auch von der Finanzverwaltung geteilt wird (vgl. H 16 Abs. 4 EStH), als auch derjenigen zum Grunderwerbsteuerrecht (vgl. BFH vom 10.07.2002 – II R 11/01, DB 2002 S. 2026). Auch in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung zum Erbschaftsteuerrecht geht der BFH – ohne dies überhaupt zu problematisieren – in einer vergleichbaren Konstellation von einem entgeltlichen Geschäft aus; im Urteilsfall waren Kommanditanteile zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen abgetreten worden (vgl. BFH vom 26.02.2014 – II R 36/12, DB 2014 S. 999). Im anhängigen Revisionsverfahren zum hier zitierten Urteil des FG Hessen (Az. des BFH: II R 12/14) wird der BFH Gelegenheit haben, dies noch einmal ausdrücklich klarzustellen.
Anteiliger Verlust der Betriebsvermögensbegünstigung
Die Hingabe der geerbten Beteiligungen zur Erfüllung der Pflichtteils- und Zugewinnansprüche führt nach Ansicht des FG Hessen (a.a.O.), die durch den BFH jetzt bereits mittelbar in einem anderen Revisionsverfahren bestätigt wurde (BFH vom 26.02.2014, a.a.O), zum rückwirkenden Entfallen der beim Erwerb zunächst gewährten Betriebsvermögensbegünstigung. Der BFH stellte insoweit ausdrücklich klar, dass der Wegfall der Begünstigung unabhängig davon eintrete, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Vermögen veräußert werde und ob dies freiwillig geschehe. Die zu § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. ergangenen Entscheidungen dürften auf § 13a Abs. 5 ErbStG in der aktuell gültigen Fassung übertragbar sein.
Soweit der die Ansprüche erfüllende Steuerpflichtige bereits vor dem Erwerb an der betreffenden Gesellschaft beteiligt gewesen ist, könne zugunsten des Steuerpflichtigen lediglich davon ausgegangen werden, dass die Steuerbegünstigung nur insoweit entfalle, als der Gesellschafter nach der Veräußerung nicht mehr in Höhe des begünstigt erworbenen Gesellschaftsanteils beteiligt sei (BFH vom 26.02.2014, a.a.O). Dies entspricht im Ergebnis der aktuellen Sichtweise der Finanzverwaltung (vgl. R E 13a.6 Abs. 1 Satz 4, RE 13a.9 Abs. 1 Satz 2 ErbStR).
Der entgeltlich erwerbende Ausgleichberechtigte kann die Betriebsvermögensbegünstigung gem. §§ 13a, 13b ErbStG nicht in Anspruch nehmen, denn er erwirbt nicht unentgeltlich vom Erblasser. In Betracht kommt allenfalls ein steuerfreier Erwerb gem. § 5 ErbStG, soweit der Zugewinnausgleichsanspruch reicht.
Ausgleichsanspruch kann nicht in vollem Umfang abgezogen werden
Jedenfalls soweit die Betriebsvermögensbegünstigung beim belasteten Erben entfällt, kommt im Grundsatz ein bereicherungsmindernder Abzug der geltend gemachten Ausgleichsansprüche als Nachlassverbindlichkeit in Betracht (vgl. § 10 Abs. 5 Nr. 1 und 2 ErbStG). Im Hinblick auf Schulden und Lasten, die „mit nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang“ stehen, ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Abzug nur mit dem Betrag möglich ist, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG). Der geltend gemachte und mit der teilweisen Übertragung betrieblichen Vermögens erfüllte Ausgleichsanspruch kann daher im Ergebnis nicht in vollem Umfang abgezogen werden, so dass die aufgrund des anteiligen Entfallens der Betriebsvermögensbegünstigung entstehende Erbschaftsteuerbelastung des Erben ggf. auch nur teilweise beseitigt wird. Ob der hierzu erforderliche „wirtschaftliche Zusammenhang“ zwischen einem infolge einer Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch und dem Erwerb von Betriebsvermögen kraft Erbanfall tatsächlich gegeben ist, wird der BFH im anhängigen Revisionsverfahren gegen die Entscheidung des FG Hessen zu prüfen haben. Das FG hatte dies bejaht.
Ertragsteuerliche Folgen
Wie bereits erwähnt ist auch in ertragsteuerlicher Hinsicht von einem Veräußerungsgeschäft auszugehen, so dass die Erfüllung der Pflichtteils- bzw. Zugewinnausgleichsansprüche ggf. zu einer Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven führen kann (insb. §§ 16, 17 EStG). Eine doppelte Erfassung der realisierten stillen Reserven durch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kann dann nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 35b EStG vermieden werden.
Konsequenzen für die Praxis
Die dargestellten Entscheidungen unterstreichen einmal mehr, dass die vorausschauende Nachfolgeplanung des Unternehmers über die reinen steuerlichen Themen hinaus auch die möglichen erb- und familienrechtlichen Konsequenzen eines – ggf. auch überraschend –eintretenden Erbfalls umfassen muss. Gerade der rechtzeitige Abschluss von Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen sowie Eheverträgen unter Modifikation von Zugewinnausgleichsansprüchen, soweit möglich unter Regelung eines angemessenen Ausgleichs zu Lebzeiten oder im Todesfall, sollte Teil einer sorgfältigen Notfallvorsorgeplanung sein.
In erbschaftsteuerlicher Hinsicht bleibt freilich abzuwarten, in welche Richtung sich das Erbschaftsteuerrecht nach der am 17. Dezember 2014 erwarteten Entscheidung des BVerfG entwickeln wird, insbesondere ob weiterhin ein vergleichbares System einer mit Haltefristen verbundenen Verschonung betrieblichen Vermögens bestehen wird. Soweit es der durch das BVerfG vorzugebende verfassungsrechtliche Rahmen erlauben wird, erscheint dies angesichts der im Koalitionsvertrag der regierenden Parteien enthaltenen Richtungsentscheidung, wonach die Erbschaftsteuer „in ihrer jetzigen Ausgestaltung“ den Generationswechsel in den Unternehmen ermögliche und Arbeitsplätze schütze (S. 66 des Koalitionsvertrags), aber jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Zumindest die ertragsteuerliche Problematik der möglichen Aufdeckung stiller Reserven im Fall der Übertragung betrieblichen Vermögens zur Erfüllung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen wird in jedem Fall fortbestehen.