Kurz vor Ende des vergangenen Jahres hat die Finanzverwaltung ihre Verwaltungspraxis zur gesonderten Feststellung der Einlagenrückgewähr bei EU-Kapitalgesellschaften (§ 27 Abs. 8 KStG) geändert. Ein Antrag auf gesonderte Feststellung ist nun auch bei der Rückzahlung von Nennkapital erforderlich (vgl. Bundeszentralamt für Steuern: Feststellung nach § 27 Abs. 8 KStG). Das überrascht. Denn bislang war es gängige Praxis des Bundeszentralamts für Steuern, dass bei der Rückzahlung von Nennkapital durch eine EU-Kapitalgesellschaft keine gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr erforderlich war. Dieser Antrag musste nur bei der „echten“ Einlagenrückgewähr gestellt werden, d.h. der Rückführung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen.
Folgen für inländische Gesellschafter
Für inländische Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften werden die ohnehin sehr problematischen Folgen von § 27 Abs. 8 KStG noch verschärft.
Das Verfahren der gesonderten Feststellung der Einlagenrückgewähr gestaltet sich in der Praxis recht schwierig. Namentlich stellt das Bundeszentralamt für Steuern sehr extensive Anforderungen an die vorzulegenden Nachweise einschließlich der in aller Regel erforderlichen Übersetzungen. Dies ließ sich in der Vergangenheit häufig durch eine ausschließliche Finanzierung einer EU-Kapitalgesellschaft mit Nennkapital vermeiden.
Dieser Weg ist jetzt verbaut. Wird die Rückzahlung von Nennkapital nicht gesondert festgestellt, droht eine Besteuerung der Kapitalrückzahlung als Dividende. Spätestens seit der Einführung der sog. Streubesitzbesteuerung (§ 8b Abs. 4 KStG) kann dies zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen: Der Anteilseigner muss die Kapitalrückzahlung ggf. in voller Höhe versteuern.
Keine zweckgerichtete Auslegung
Zuzugeben ist, dass die geänderte Verwaltungsauffassung nicht jeder Grundlage entbehrt. Denn auch beim Inlandssachverhalt führt eine Herabsetzung des Nennkapitals zunächst zu einem Zugang beim steuerlichen Einlagekonto. Die nachfolgende Kapitalrückzahlung mindert sodann das steuerliche Einlagekonto wieder (§ 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 3 KStG). Die Regelung über die Einlagenrückgewähr bei EU-Kapitalgesellschaften (§ 27 Abs. 8 KStG) verweist nun für die Ermittlung der Einlagenrückgewähr u.a. auch auf die Vorschrift des § 28 KStG (§ 27 Abs. 8 Satz 2 KStG). Dies könnte so interpretiert werden, dass auch eine Nennkapitalrückzahlung gesondert festzustellen ist.
Eine derartige Auslegung verfehlt indes den Zweck der Norm.
Die Regelung zur Einlagenrückgewähr wurde primär für die „echte“ Einlagenrückgewähr geschaffen, d.h. für die Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen. Diese unterliegen häufig keiner besonderen gesetzlichen Regelung, so dass zweifelhaft werden kann, ob und inwieweit die Auszahlung einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Einlagenrückgewähr angesehen werden kann. Bei dem in aller Regel durch besondere rechtliche Regelungen geschützten Nennkapital stellen sich zumeist keine Nachweisprobleme.
So gesehen entsprach die bisherige Praxis des Bundeszentralamts besser dem Zweck der Norm. Die an sich unproblematische Nennkapitalrückzahlung brauchte nicht gesondert festgestellt zu werden. Die hingegen möglicherweise schwerer nachzuweisende „echte“ Einlagenrückgewähr schon.
Rückwirkung
Unabhängig von dem Vorstehenden verdient die Art und Weise der „Veröffentlichung“ dieser neuen Verwaltungspraxis Kritik. Die Änderung der Verwaltungspraxis wurde offenbar im Herbst 2014 von den Körperschaftsteuerreferenten der Länder beschlossen, ohne dies allerdings in der üblichen Form (z.B. BMF-Schreiben o.ä.) bekannt zu machen.
Daraufhin kamen in der Beraterschaft Gerüchte auf, was für Verunsicherung sorgte. Schließlich „veröffentlichte“ das Bundeszentralamt für Steuern die neue Verwaltungspraxis Mitte Dezember 2014 in der Weise, dass ein entsprechender Hinweis auf seine Website aufgenommen wurde, allerdings sehr versteckt platziert (vgl. Bundeszentralamt für Steuern: Feststellung nach § 27 Abs. 8 KStG). Transparentes Verwaltungshandeln sieht anders aus.
Zudem geht die Finanzverwaltung offenbar davon aus, dass diese Regelung auch rückwirkend gilt. Dies wirft angesichts der bisherigen abweichenden Verwaltungspraxis des Bundeszentralamts für Steuern erhebliche Fragen auf. Denn letztlich ist es dadurch möglich, in noch offenen Fällen eine Kapitalrückzahlung als Dividende einzustufen, obwohl im Vertrauen auf die Verwaltungspraxis seinerzeit keine gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr beantragt wurde.
Hier muss die Finanzverwaltung dringend nachbessern.
Fazit
Es ist eine gewisse Ironie der Geschichte, dass mit der Regelung über die Einlagenrückgewähr eine (vermeintliche) Europarechtswidrigkeit des deutschen Rechts beseitigt werden sollte, die zu diesem Zweck erlassene Vorschrift jedoch erhebliche europa- und letztlich auch verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft.
Die neue Verwaltungspraxis wird nicht dazu führen, die Vorschrift anwendungsfreundlicher zu machen. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, die Behandlung der Einlagenrückgewähr nicht nur bei EU-Kapitalgesellschaften, sondern bei sämtlichen ausländischen Gesellschaften noch einmal zu überdenken. Wobei insoweit zu sagen ist, dass die zuvor geltenden Grundsätze der Rechtsprechung – Maßgeblichkeit des jeweils anwendbaren ausländischen Gesellschaftsrechts (vgl. BFH-Urteile vom 14.10.1992 – I R 1/91, DB 1993 S. 465 und vom 27.4.2000 – I R 58/99, DB 2000 S. 2197) – durchaus praktikabel waren und zu sachgerechten Ergebnissen führten. Kurzfristig muss in jedem Fall aber das Thema der Rückwirkung angegangen werden.