Sanierungsgewinne und deren steuerliche Behandlung waren bereits mehrfach Thema in diesem Blog (zuletzt Wiese, Blog-Beitrag vom 26.02.2015). Ein jüngst veröffentlichtes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH vom 22.01.2015 – IV R 38/10, DB 2015 S. 591) fügt diesem Themenbereich eine weitere interessante Facette hinzu.
Ausgangslage
Die Ausgangssituation ist schnell erklärt: Der Gesellschafter eines als Personengesellschaft organisierten Unternehmens (der Altgesellschafter) befindet sich in der Krise oder vielleicht sogar bereits im Insolvenzverfahren. Es findet sich ein Investor (der Neugesellschafter), der die Anteile an der Personengesellschaft übernehmen möchte. Verhandlungen finden statt zwischen dem Insolvenzverwalter des Altgesellschafters, den Gläubigern (Banken) der Personengesellschaft und dem Neugesellschafter. Man einigt sich auf einen Verkauf der Anteile an der Personengesellschaft, verbunden mit einem Schuldenschnitt, wenn der Neugesellschafter einen bestimmten Betrag in die Personengesellschaft einlegt, mit dem die Banken zu einem Teil befriedigt werden. Das erscheint wirtschaftlich plausibel: das Vermögen des Insolvenzschuldners wird bestmöglich zu Gunsten der Insolvenzgläubiger versilbert und das Unternehmen in Form der Personengesellschaft kann unter neuer Herrschaft ggf. fortgeführt werden.
Steuerpflichtiger Sanierungsgewinn
Der Verzicht der Banken auf ihre Forderungen gegenüber der Personengesellschaft führt zu einem steuerpflichtigen Ertrag (Sanierungsgewinn). Insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses (Stundung und Erlass der durch den Sanierungsgewinn entstehenden Steuern) nicht vorliegen, wird entscheidend, wen die Finanzverwaltung als Steuerschuldner in Anspruch nimmt, d.h. wem also der Verzichtsgewinn zuzurechnen ist: dem Altgesellschafter, der sich bereits im Insolvenzverfahren befindet oder dem wirtschaftlich potenten Neugesellschafter? Genau hier setzt die neue Entscheidung des BFH an.
Aktuelles Urteil: Vertragliche Regelung entscheidend
Grundsätzlich richtet sich nach ständiger Rechtsprechung die Zurechnung von Verzichtsgewinnen nach der für die Gesellschaft handelsrechtlich gültigen Gewinnverteilungsregelung. Insoweit kommt eine Vermögensmehrung im Ausgangspunkt allen im Zeitpunkt des Verzichts beteiligten Gesellschaftern nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels zugute. Von diesem Grundsatz wiederum macht der BFH (ebenfalls in ständiger Rechtsprechung) eine gewichtige und mit dem jüngsten Urteil wieder bestätigte Ausnahme:
Im Fall des im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einem Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft erklärten Forderungsverzichts sei für die Zurechnung eines aus dem Erlass folgenden Ertrags entscheidend, ob nach den im konkreten Fall getroffenen Vereinbarungen der Neugesellschafter die betreffenden Verbindlichkeiten wirtschaftlich tragen soll – ob er also die Gesellschaft im sanierten oder unsanierten Zustand übernehmen soll.
Die zeitliche Komponente soll dabei keine Rolle spielen. Die Zurechnung eines Ertrags aus einem Forderungsverzicht der Gesellschaftsgläubiger bei einem Neugesellschafter kann auch dann in Betracht kommen, wenn der Erlass bereits vor deren Eintritt in die Gesellschaft stattgefunden hat. Entscheidend sei – und das betont der BFH nochmals ausdrücklich im jüngsten Urteil vom 22.01.2015 – das zwischen Alt- und Neugesellschafter vertraglich Vereinbarte und wer nach der Vertragslage die Verbindlichkeiten wirtschaftlich tragen soll. Für die Zuordnung des Ertrags aus einem Forderungsverzicht sei es unerheblich, ob der Forderungsverzicht zufällig oder gezielt zeitlich vor oder nach einem Gesellschafterwechsel erfolgt.
Neuerdings sollen nach Ansicht des BFH (und entgegen seiner eigenen früheren Rechtsprechung) auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe, die den Forderungsverzicht des Gläubigers ausgelöst haben, keine Rolle mehr spielen. Es sei also für die Frage der Zurechnung unerheblich, dass der Verzicht der Gläubiger rechtlich und wirtschaftlich darauf beruht, dass die Neugesellschafter bei gleichzeitigem Ausscheiden der Altgesellschafter der Gesellschaft neue Mittel zuführen. Oder mit anderen Worten: Eine solche Vorgehensweise führe nicht automatisch dazu, dass dem Neugesellschafter der Ertrag zuzurechnen ist.
Das Verhältnis und die Motive der Gläubiger sind daher irrelevant, allein maßgeblich sind die zwischen Alt- und Neugesellschafter getroffenen Bestimmungen dahingehend, wer die Verbindlichkeiten der Gesellschaft wirtschaftlich übernimmt. Alt- und Neugesellschafter sind also gut beraten, hierzu klare Regelungen im Anteilskaufvertrag zu treffen. Mit bloßem zeitlich geschickten Ablauf im Hinblick auf den Forderungsverzicht lässt sich die Zurechnung des Ertrags nicht beeinflussen.