Grunderwerbsteuer bei Share Deal mit Personengesellschaftsanteilen: BFH widerspricht Finanzverwaltung

RA/StB Dipl.-Kfm. Sören Reckwardt, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

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Aufgrund steigender Grunderwerbsteuersätze sind Strukturierungen zur Vermeidung oder zumindest Reduzierung der Grunderwerbsteuer bei Immobilientransaktionen ein wichtiger Faktor zur Verringerung der Transaktionskosten. Neben den gängigen Modellen für einen grunderwerbsteuerfreien Share Deal mit Personengesellschaftsanteilen (meist KG-Anteilen) kann auch der sofortige Erwerb aller (Kommandit-)Anteile zu einer gegenüber dem Asset Deal deutlich reduzierten Grunderwerbsteuer führen. In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat der BFH (Urteil vom 02.09.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015 S. 260 = DB 2015 S. 530) sich mit der ertragsteuerlichen Qualifikation der (reduzierten) Grunderwerbsteuer beschäftigt und sich dabei dogmatisch richtig und konsequent für den sofortigen Betriebsausgabenabzug der Grunderwerbsteuerkosten ausgesprochen. Hierdurch wird ein Share Deal mit sofortigem Erwerb von 100 Prozent der Anteile gegenüber dem Asset Deal wirtschaftlich noch attraktiver.

Ausgangsfall

Gehen 95 Prozent oder mehr der Anteile an einer grundstückshaltenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter über, liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG vor. Dabei bestimmt sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht nach dem Verkehrswert der Immobilien, sondern nach dem Grundbesitzwert bzw. Bedarfswert, der gemäß §§ 138 ff. Bewertungsgesetz für vermietete Immobilien nach einer bestimmten Formel berechnet wird. Aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Kaufpreisfaktoren liegt dieser Wert z.T. deutlich unter dem Verkehrswert, vor allem bei Portfolios mit (nahezu) vollvermieteten, älteren Bestandsimmobilien. Hierdurch kann der Erwerb von 100 Prozent an der Personengesellschaft per Share Deal eine wirtschaftlich attraktive Alternative zum Asset Deal darstellen, obwohl man die „Historie“ der Personengesellschaft mit etwaigen Risiken miterwirbt. Nach späterer Auflösung der Personengesellschaft und Anwachsung der Immobilien beim 100 Prozent-Gesellschafter besteht zudem eine dem Asset Deal vergleichbare Endsituation.

Urteilsfall

Im aktuellen Urteil hatte der BFH darüber zu entscheiden, ob einer grundbesitzhaltenden KG, an der 99,99 Prozent der Anteile übertragen worden waren, der sofortige Betriebsausgabenabzug hinsichtlich der ausgelösten Grunderwerbsteuer zustand. Die Betriebsprüfung wollte die Grunderwerbsteuer als Anschaffungsnebenkosten behandeln, so dass ertragsteuerlich nur hinsichtlich des Gebäudeanteils eine Abschreibung über die Nutzungsdauer und bzgl. des auf Grund und Boden entfallenden Anteils keine Abschreibung möglich gewesen wäre. Das FG München (Urteil  vom 22.10.2013 – 5 K 1847/13, EFG 2014 S. 478) gab der Klage der KG statt. Das Finanzamt argumentierte, dass die Grunderwerbsteuer auch bei einem Asset Deal (unstreitig) Anschaffungsnebenkosten darstelle und die Grunderwerbsteuer kausal auf dem Erwerb der Anteile beruhe. Dem entgegnete das FG, dass die ertrag- und die grunderwerbsteuerliche Behandlung getrennt zu sehen seien. Die grunderwerbsteuerliche Fiktion einer „neuen“ Personengesellschaft bei Übertragung von 95 Prozent oder mehr der Anteile gebe es im Ertragsteuerrecht nicht.

Diese Sichtweise des FG bestätigte nun der BFH. Ertragsteuerlich seien die Grundstücke weiterhin im zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum derselben KG. Der für Anschaffungsnebenkosten erforderliche innere, finale Zweckzusammenhang zwischen Erwerb der Anteile und den Aufwendungen für die ausgelöste Grunderwerbsteuer fehle. Ein lediglich kausaler Zusammenhang reiche gerade nicht.

Der BFH folgt damit auch seinem Urteil vom 20.04.2011 (I R 2/10, BStBl. II 2011 S. 761 = DB 2011 S. 1553), in dem er bereits entschieden hatte, dass die durch den Übergang von Anteilen an einer GmbH (also einer Kapitalgesellschaft) gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer keine Anschaffungsnebenkosten, sondern sofort abzugsfähige Betriebsausgaben darstelle. Wenig überraschend und inhaltlich nicht überzeugend hatte die Finanzverwaltung seit 2011 argumentiert, dass die Grundsätze des damaligen Urteils nicht auf die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Personengesellschaften übertragbar seien.

Praxisbedeutung

Die Entscheidung des BFH hat große Praxisrelevanz und erhöht die wirtschaftliche Attraktivität der „100 Prozent-Share Deal-Variante“. In Erwartung des Urteils hatten die Steuerpflichtigen in der Vergangenheit zumeist entsprechende Bescheide des Finanzamts mittels Rechtsbehelf offen gehalten. Unter Hinweis auf das nunmehr vorliegende und im Bundessteuerblatt veröffentlichte Urteil sollten die betroffenen Finanzämter, die bisher durch gegenteilige OFD-Verfügungen gebunden waren, nun rasch abhelfen und sofortigen Betriebsausgabenabzug gewähren. Die OFD NRW hat zudem bereits mit Verfügung vom 21.04.2015 (S 2174 – St 141) reagiert, ihre Rechtsauffassung geändert, die ursprüngliche Verfügung der OFD Rheinland vom 23.01.2012 aufgehoben und eine in einem vergleichbaren Sachverhalt anhängige Revision beim BFH (IV R 10/13) gegen ein Urteil des FG Münster zurückgenommen.

Für zukünftige Transaktionen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass in diesem Jahr das lange erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 13/11 und 14/11) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Grundbesitzwerts gemäß §§ 138 ff. Bewertungsgesetz (einschließlich etwaiger Maßgaben für eine gesetzliche Neuregelung) erwartet wird. Insofern bleibt abzuwarten, ob die Steuerpflichtigen bei einem sofortigen Erwerb aller Anteile an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft weiterhin von einer gegenüber dem Asset Deal reduzierten Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage profitieren können oder ob zukünftig lediglich der ertragsteuerliche Vorteil des sofortigen Betriebsausgabenabzugs verbleibt.

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