Das Finanzgericht Münster hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung zu einem Exitbonus (FG Münster vom 12.12.2014 – 4 K 1918/13 E) ausgeführt, dass ein „disquotal“ verteilter Veräußerungspreis im Falle der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung im Sinne von § 17 EStG „steuerrechtlich […] gar nicht vorstellbar“ sei. Ein solcher Anspruch sei immer zwischen den beteiligten Gesellschaftern zu erfüllen und damit Gegenstand einer separaten Leistungsbeziehung. Dies mag für den konkreten Sachverhalt richtig gewesen sein. Als allgemeiner Grundsatz kann diese Aussage nicht richtig sein.
Der entschiedene Fall
Im entschiedenen Fall ging es um die Zahlung eines Exitbonus‘ an einen Gesellschafter-Geschäftsführer (Kläger). Den Anspruch auf diesen Bonus hatte der Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Gesellschaftervereinbarung mit den mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligten Finanzinvestoren für seine Beteiligung erworben. Die Höhe des Bonus‘ sollte sich nach der erzielten Gesamtrendite (Internal Rate of Return) der Finanzinvestoren und dem EBIT der Tochtergesellschaften richten. Auslösendes Element für die Zahlung des Bonus‘ war der Verkauf sämtlicher Anteile der Finanzinvestoren (Exit). Die Zahlung des Bonus‘ erfolgte bei Exit zu Lasten des Veräußerungspreises der Finanzinvestoren. Nach den Regeln der Gesellschaftervereinbarung hätte der Manager den Bonus nicht erhalten, wenn sein Arbeitsverhältnis vor dem Exit geendet hätte. Die Höhe des Bonus‘ berechnete sich nach einem absoluten Betrag und nicht in Abhängigkeit von der kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft. Neben dem Kläger hatten auch weitere, nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligte Manager diesen Bonus zugesagt bekommen.
Das FG Münster folgte in seiner Entscheidung der Auffassung des Finanzamts und qualifizierte den Exitbonus als Leistungsvergütung bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit und nicht als Teil des Veräußerungsgewinns im Rahmen des § 17 EStG. Der Exitbonus sei letztlich nicht wegen der Veräußerung der eigenen Anteile des Klägers, sondern anlässlich der Veräußerung sämtlicher Anteile der Finanzinvestoren gezahlt worden. Darüber hinaus könne sich ein disquotaler Anspruch auf Zuteilung des Jahresergebnisses oder ähnliches nur gegen die Gesellschaft selbst richten. Hier bestehe der Anspruch aber gegen die Finanzinvestoren, also gegen die Mitgesellschafter. Die Gewährung des Bonus‘ auch an nicht beteiligte Manager zeige außerdem, dass die kapitalmäßige Beteiligung des Managements eben nicht Voraussetzung für die Zahlung des Exitbonus‘ sei. Vielmehr handele es sich bei dem Exitbonus um eine Gegenleistung für den gewinnmaximierten Verkauf durch die Finanzinvestoren.
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung disquotaler Veräußerungserlöse
Dem Ergebnis der Entscheidung dürfte bei diesem Sachverhalt nur schwer zu widersprechen sein. Widersprechen muss man allerdings der in der Entscheidung enthaltenen Aussage, dass ein disquotaler Veräußerungsgewinn im Rahmen des § 17 EStG, und damit auch allgemein, nicht denkbar sei. Der BFH hat bereits früher festgestellt, dass eine Gegenleistung nicht dem Verkehrswert entsprechen müsse, sondern auch zivilrechtlich wirksam vereinbarte Über- oder Unterpreise grundsätzlich als Veräußerungspreise anzuerkennen seien (BFH vom 16.02.2007 – VIII B 26/06, BFH/NV 2007 S. 11; vom 25.11.1965 – IV 216/64-S, BStBl. III 1966 S. 110). Nicht zum Kaufpreis zählen lediglich Entgelte für zusätzliche selbstständige Leistungen, wie z.B. die Entschädigung für ein Wettbewerbsverbot oder der Verzicht auf eine Pensionszusage (BFH vom 29.05.2008 – IX R 97/07, BFH/NV 2009 S. 9; vom 11.03.2003 – IX R 76/99, BFH/NV 2003 S. 1161 m.w.N.; vom 24.07.2004 – IX R 64/01, BFH/NV 2005 S. 191 m.w.N.; vom 21.09.1982 – VIII R 140/79, BStBl. II 1983 S. 289).
Maßgeblich für die Anerkennung einer Zahlung als disquotaler Veräußerungserlös ist, dass die wirtschaftliche Veranlassung für die Zahlung im Verhältnis zum Erwerber liegt. Diese kann sich z.B. aus dem Veräußerungsprozess ergeben, wenn der entsprechende Gesellschafter besondere Bedeutung für den Veräußerungsprozess hat. Die betreffende Person darf auch nicht aus anderen Gründen oder vertraglichen Verpflichtungen, z.B. gegenüber den Mitgesellschaftern, zur Erbringung einer besonderen Leistung an den Erwerber oder die Mitgesellschafter verpflichtet sein.
Konkret bedeutet dies, dass
- die Zahlung im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang des betreffenden Gesellschafters stehen muss, was sich z.B. in der Bemessung des Preises in Abhängigkeit vom persönlichen Veräußerungspreis zeigen kann,
- der veräußernde Gesellschafter gegenüber dem Erwerber oder den Mitgesellschaftern keine besondere, selbstständige und über die Beteiligung am Veräußerungsvorgang hinausgehende Leistung schulden darf, und
- sich der disquotale Veräußerungserlös als Gegenleistung für die veräußerten Anteile darstellt, was z.B. durch die Vereinbarung des Preises im Kaufvertrag dokumentiert sein kann, aber nicht muss.
Fazit
Legt man diese Kriterien an den vorliegenden Sachverhalt an, ist der Entscheidung des FG Münster im Ergebnis zuzustimmen. Dennoch sind disquotale Veräußerungsgewinne auch steuerlich möglich und grundsätzlich anzuerkennen. Die Fallgestaltungen mögen in der Praxis (insbesondere bei Betrachtung mit fiskalischer Brille) selten sein, ausgeschlossen sind sie nicht.