Darlehensverzicht gegenüber ausländischer Immobilienkapitalgesellschaft ist nicht steuerpflichtig

RA Dr. Jan Dominik, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

RA Dr. Jan Dominik, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Seit dem Jahressteuergesetz 2009 („JStG 2009“) stellt sich für ausländische Immobilieninvestoren die bedeutsame Frage, ob ein Ertrag aus einem ihnen gegenüber erklärten Darlehensverzicht zu versteuern ist (grundlegend Günkel, in JbFSt 2010/2011 S. 826). Dieser Klassiker der Beratungspraxis beschäftigt nun – nach längerer Diskussion in der steuerrechtlichen Literatur – die Finanzgerichte. Mit Urteil vom 12. November 2014 (12 K 12320/12, IStR 2015 S. 32) entschied das FG Berlin-Brandenburg, dass ein Darlehensverzicht gegenüber einer ausländischen Objektkapitalgesellschaft mit inländischen Veräußerungseinkünften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb EStG) nicht steuerpflichtig ist. Ob sich der BFH der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg anschließen wird, bleibt abzuwarten (Revision anhängig: I R 76/14). Zumindest im Bereich der Einkünfte aus der Vermietung inländischer Immobilien (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG) hält Gosch einen Darlehensverzicht für nicht gewinnwirksam (Gosch in Kirchhof, EStG14, § 49 EStG Rn. 46).

Sachverhalt

Eine luxemburgische Kapitalgesellschaft (Klägerin) erwarb im Jahr 2007 eine inländische Immobilie. Den Erwerb finanzierte sie zu rd. 94 Prozent mit Fremdkapital, welches ihr sowohl von verbundenen Unternehmen als auch von Banken gewährt wurde. Die Einkünfte aus der Vermietung der Immobilie ermittelte die Klägerin durch Betriebsvermögensvergleich.

Im Jahr 2011 veräußerte die Klägerin die Immobilie mit einem Verlust. Eine mit der Klägerin verbundene Darlehensgeberin verzichtete nach der Veräußerung auf ihre Darlehensforderung. Der Veräußerungserlös reichte lediglich aus, um die Verbindlichkeiten gegenüber den Banken teilweise zu tilgen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Darlehensverzicht ihre inländischen Einkünfte nicht erhöht. Die Verbindlichkeit sei in Deutschland nicht steuerverstrickt. Zum einen ergebe sich dies aus einem Vergleich zur Rechtslage vor dem JStG 2009. Zum anderen weise das DBA zwischen Deutschland und Luxemburg (DBA-Luxemburg) die Ausübung des diesbezüglichen Besteuerungsrechts nicht Deutschland zu.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung wirkt sich der Darlehensverzicht im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs gewinnerhöhend aus. Die Verbindlichkeit sei Betriebsvermögen der Klägerin. Sie stehe mit den inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang.

Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg

Das FG Berlin-Brandenburg teilt die Auffassung der Klägerin. Die Verbindlichkeiten der Klägerin, die sie zum Erwerb der Immobilie aufgenommen hat, seien nicht steuerverstricktes Betriebsvermögen. Voraussetzung für eine Steuerverstrickung einer Verbindlichkeit sei, dass durch sie die jeweilige Tätigkeit als solche (Vermietung bzw. Veräußerung) ausgeübt wird und sie unmittelbar mit der jeweiligen Tätigkeit zusammenhängt. Dieser Zusammenhang liege hinsichtlich einer Verbindlichkeit, die zum Erwerb einer Immobilie aufgenommen wurde, nicht vor. Praktische Konsequenz einer gewinnerhöhenden Berücksichtigung des Darlehensverzichts wäre, dass dieser Ertrag doppelt erfasst werden könnte, zum einen in Deutschland und zum anderen in Luxemburg. Dies sei nicht von dem DBA-Luxemburg abgedeckt und könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.

Stellungnahme

Kernfrage dieses Urteils ist, ob durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG nur die Immobilie oder auch die zur Erwerbsfinanzierung aufgenommen Verbindlichkeiten in Deutschland steuerverstrickt sind.

Die Qualifikation von Betriebsvermögen durch einen Veranlassungszusammenhang zu der jeweiligen Tätigkeit im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG trifft zu. Dies entspricht dem Wortlaut der Norm. Im Zentrum dieser Vorschrift stehen die Zugriffstatbestände „aa) Vermietung und Verpachtung oder bb) Veräußerung“, die sich an den im Inland ausgeübten Tätigkeiten orientieren. Eine Gleichstellung mit Betriebsstätteneinkünften, wie sie die Finanzverwaltung im Ergebnis fordert (vgl. BMF vom 16.05.2011 – IV C 3-S 2300/08/10014, BStBl. I 2011 S. 530 = DB0418082, Rn. 8; OFD Münster/Rheinland vom 05.09.2011, juris, I. 3.2), ist daher nicht angezeigt. In diesem Fall wären Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen zu qualifizieren, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkunftsquellen – und nicht mit den jeweiligen Tätigkeiten – stehen.

Das Urteil benennt nicht die Gründe, warum eine zum Immobilienerwerb aufgenommene Verbindlichkeit nicht mit der Tätigkeit „Veräußerung“ in unmittelbarem Zusammenhang steht. Ein Zusammenhang zwischen Darlehensaufnahme und Veräußerung liegt nicht fern. Auslösender Vorgang für die Darlehensaufnahme ist die Anschaffung der Immobilie, die wiederum Voraussetzung für eine Veräußerung ist. Mit anderen Worten: Wenn die Klägerin keine Verbindlichkeiten für den Erwerb der Immobilie aufgenommen hätte, hätte sie die Immobilie nicht veräußern können.

Die aufgeworfene Frage, wie trotz nicht zu passivierender Verbindlichkeiten eine ausgeglichene Bilanz aufzustellen ist, könnte mit der Bildung eines statischen Ausgleichspostens in Höhe der zum Erwerb der Immobilie aufgenommen Verbindlichkeiten beantwortet werden. Wertveränderungen der Verbindlichkeiten können sich so nicht auf den Betriebsvermögensvergleich auswirken.

Trotz der fehlenden Steuerverstrickung der zum Immobilienerwerb aufgenommenen Verbindlichkeit sollten die entsprechenden Schuldzinsen im Rahmen der Gewinnermittlung für Vermietungseinkünfte zu berücksichtigen sein. Diese laufend anfallenden Zinsen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der laufenden Tätigkeit „Vermietung“. Auslösendes Moment für die Schuldzinsen ist die tatsächliche Verwendung der aufgenommenen Verbindlichkeit für den Erwerb der inländischen (vermieteten) Immobilie. Im Übrigen steht dies in Einklang mit der Rechtslage vor dem JStG 2009. Nicht zuletzt dürfte eine Nichtberücksichtigung der Schuldzinsen europarechtlich bedenklich sein.

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