Ersatzbemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer verfassungswidrig

RA/StB Ulrich Siegemund, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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Bei Grundstückskäufen bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nach dem Kaufpreis. Gibt es keine Gegenleistung, etwa beim Wechsel von 95% der Gesellschafter einer Grundstücke haltenden Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG oder in den Fällen der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, berechnet sich die Grunderwerbsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG. Diese führt in der Regel zu einer unter dem Verkehrswert liegenden Besteuerungsgrundlage. Die Grundbesitzwerte werden dabei je nach Art des Grundbesitzes auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt. Der Bundesfinanzhof hielt § 8 Abs. 2 GrEStG für mit dem Gleichheitsgebot von Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Daher setzte er das Ausgangsverfahren aus und holte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23.06.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11) ein, die nun den Gesetzgeber zum Handeln zwingt und voraussichtlich eine erneute Erhöhung der Grunderwerbsteuer zur Folge haben wird.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Mit Beschluss vom 23.06.2015 entschied das BVerfG, dass § 8 Abs. 2 GrEStG verfassungswidrig sei, da die Ersatzbemessungsgrundlage mit dem Verweis auf das Bewertungsgesetz zu einer erheblichen Ungleichbehandlung zulasten der Steuerschuldner führe, deren Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der (höheren) Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG berechnet werde. Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet bis spätestens zum 30. Juni 2016 rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Regelung zu treffen.

Im Falle des § 8 Abs. 1 GrEStG verfolgen Käufer und Verkäufer meist gegenläufige Interessen und der Kaufpreis entspricht deswegen dem Marktwert der Immobilie. Im Falle des § 8 Abs. 2 GrEStG bestimmt das Bewertungsgesetz dagegen unterschiedliche Wertansätze. Die Werte bebauter Grundstücke liegen nach Einschätzung des BVerfG im Durchschnitt 50% unter dem Kaufpreis, unbebaute Grundstücke erreichten nur ein Niveau von rund 70% des gemeinen Werts, weil dieser sich nach dem um 20% ermäßigten Bodenrichtwert ermittelt. Der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitzwert belaufe sich auf lediglich 10% des Verkehrswerts. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung, die nicht zu rechtfertigen sei.

Folgen

Die wahrscheinlichste Reaktion des Gesetzgebers ist die Herstellung der Gleichbehandlung durch Einführung realistischerer, also in den meisten Fällen höherer Grundstückswerte auch in den Fällen der Ersatzbemessungsgrundlage. Wenn es zu einer solchen Erhöhung kommt, wird dies alle zukünftigen Fälle, aber auch bereits verwirklichte Fälle betreffen, bei denen die Ersatzbemessungsgrundlage anzuwenden ist.

Das BVerfG hatte bereits in dem Beschluss vom 7. November 2006 die Bewertungsvorschriften des damaligen Erbschaftsteuerrechts für verfassungswidrig erklärt und angeordnet, dass diese Regeln nur noch bis Ende 2008 fortgelten sollten. Im aktuellen Beschluss stellen die Richter ausdrücklich fest, dass Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen nach dem Beschluss aus 2006 und nach Ablauf der dem Gesetzgeber vom Gericht eingeräumten Frist am 31. Dezember 2008 hätte klar sein müssen, dass die Ungleichbehandlung durch die Vorschriften des Bewertungsgesetzes mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Grunderwerbsteuer betreffen würde. Tatsächlich hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen zu reagieren und auch die Vorlage des Bundesfinanzhofs hat keine gesetzgeberische Reaktion zur Folge gehabt, sodass es der erneuten Entscheidung des BVerfG bedurfte, um eine Korrektur nunmehr zu erzwingen.

Rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzungen?

Nach dem aktuellen Beschluss sind grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge bis zum 31. Dezember 2008 nicht von der Entscheidung betroffen. Vorgänge, die seit dem 1. Januar 2009 der Grunderwerbsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage unterlegen haben, sind von der angeordneten Gesetzesänderung ebenfalls nicht mehr betroffen, wenn das entsprechende Grunderwerbsteuerfestsetzungsverfahren bereits endgültig abgeschlossen ist, also Bestands- oder Rechtskraft eingetreten ist.

Das BVerfG führt aus, dass die Steuerschuldner sich darauf einstellen können, dass sie zur Grunderwerbsteuer nach dem bis Mitte 2016 zu beschließenden Gesetz herangezogen werden, die Grunderwerbsteuerbelastung für sie also eine höhere sein wird. Die rückwirkenden Änderungen dürften allerdings nur „soweit nach geltendem Recht zulässig“ erfolgen. Das Gericht verweist dabei auf die Vertrauensschutzregeln, insbesondere § 176 der Abgabenordnung. Danach sind bereits ergangene Bescheide bei einer – wie hier – für den Steuerpflichtigen ungünstigen Entscheidung des BVerfG nicht zu ändern. Es wird sich in den Einzelfällen jeweils die Frage stellen, ob die Rückwirkung des neuen Gesetzes sich gegen den Vertrauensschutz durchsetzen kann. Dies betrifft auch die Grunderwerbsteuerbescheide, die nach dem Aussetzungsbeschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. März 2011 mit dem Vermerk der Vorläufigkeit ergangen sind. Soweit Bescheide für bereits verwirklichte grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge, auf die die Ersatzbemessungsgrundlage anwendbar ist, noch nicht ergangen sind, wird nach der Begründung des Beschlusses des BVerfG der Einwand der Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung keine Aussicht auf Erfolg haben.

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