Ausschüttungen eines ausländischen Trusts an in Deutschland ansässige Begünstigte unterliegen nach der Rechtsprechung des BFH der Schenkungsteuer, da von einem „Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse“ auszugehen sei (BFH vom 27.09.2012 – II R 45/10, BFH/NV 2013, 136 = RS0700263; vgl. hierzu bereits Escher, Steuerboard vom 13.03.2013). In Bezug auf rechtsfähige ausländische Familienstiftungen geht die wohl herrschende Auffassung hingegen bislang davon aus, dass von diesen vorgenommene satzungsmäßige Ausschüttungen ebensowenig als steuerpflichtige Schenkung anzusehen sind wie satzungsmäßige Ausschüttungen inländischer Stiftungen (vgl. hierzu Escher, Steuerboard vom 13.03.2013). In einem jüngeren Urteil des FG Baden-Württemberg wurde diese Sichtweise infrage gestellt (Urteil vom 22.04.2015 – 7 K 2471/12).
Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22.04.2015
Im Urteilsfall, welcher Zuwendungen einer schweizerischen Familienstiftung an in Deutschland ansässige Destinatäre betraf, bestätigte das FG zunächst die herrschende Auffassung, wonach satzungsmäßige Zuwendungen einer Stiftung beim Zuwendungsempfänger nicht als freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu werten sind, während satzungswidrige Zuwendungen den genannten Tatbestand erfüllen. Das Gericht vertrat sodann allerdings die Ansicht, dass es auf die Satzungsmäßigkeit der infrage stehenden Zuwendung im Fall ausländischer Stiftungen letztlich nicht ankomme. Selbst wenn im Entscheidungsfall eine satzungskonforme Ausschüttung vorgelegen haben sollte, sei von einer steuerpflichtigen Schenkung auszugehen, da – wie im Fall der Ausschüttung eines ausländischen Trusts – jedenfalls ein „Erwerb durch Zwischenberechtigte“ gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG anzunehmen sei. Zwar beziehe sich § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG dem Wortlaut nach lediglich auf den Erwerb bei Auflösung einer „Vermögensmasse ausländischen Rechts“ sowie den „Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse“. Der erkennende Senat vertrat jedoch die Auffassung, dass der Begriff der „Vermögensmasse ausländischen Rechts“ als Oberbegriff auch ausländische Stiftungen als verselbstständigte Rechtsträger umfasse.
Gegenargumente aus dem BFH-Beschluss vom 21.07.2014
Argumente gegen die dargelegte Auffassung des FG Baden-Württemberg ergeben sich unmittelbar aus einem bereits zuvor veröffentlichten Beschluss des BFH in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (BFH vom 21.07.2014 – II B 40/14, RS0768774). Danach ist es ernstlich zweifelhaft, ob es sich bei einer ordentlichen Ausschüttung einer ausländischen Familienstiftung schenkungsteuerrechtlich um den Erwerb durch „Zwischenberechtigte“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG handelt.
Zum einen unterscheidet § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG (ebenso wie § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) ausdrücklich zwischen „Stiftungen“ und „Vermögensmassen ausländischen Rechts“. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung, was bei Aufhebung einer „Stiftung“ oder eines auf die Vermögensbindung gerichteten Vereins erworben wird. Von diesem Tatbestand sind rechtsfähige Stiftungen, auch solche ausländischen Rechts (vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 19.03.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998 S. 1021, rkr.), erfasst. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steht dem gleich „der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist“, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der „Vermögensmasse“. Es ist davon auszugehen, dass von Satz 2 im Unterschied zu den von Satz 1 erfassten rechtsfähigen Stiftungen ausschließlich nichtrechtsfähige Gebilde (namentlich der anglo-amerikanische Trust) erfasst werden sollten, die ihrer rechtlichen Struktur nach nicht deutschen Stiftungen entsprechen.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Ausschüttungen an die nach der Satzung Begünstigten nach der Rechtsprechung des BFH als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterliegen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG); dies gilt auch für Ausschüttungen einer ausländischen Familienstiftung (vgl. BFH vom 21.07.2014, a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung dürften dann aber jedenfalls satzungsmäßige Ausschüttungen einer ausländischen Familienstiftung nicht zugleich der Schenkungsteuer unterliegen. Denn aus systematischen Gründen ist davon auszugehen, dass eine auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhende Bereicherung nicht zugleich der Einkommensteuer und der Schenkungsteuer unterliegen kann (vgl. BFH vom 12.09.2011 – VIII B 70/09, BFH/NV 2012 S. 229 = RS0699924).
Kein stimmiges Konzept hinsichtlich der Besteuerung von Ausschüttungen
Insgesamt ist unter Berücksichtigung der wesentlichen in Betracht kommenden Konstellationen festzustellen, dass auf Grundlage der gegenwärtigen Rechtsprechung des BFH und der besonderen schenkungsteuerlichen Tatbestände (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) eine Gemengelage entstanden ist, die in sich nicht stimmig erscheint. Auch stellt sich regelmäßig das Problem einer potenziell doppelten Belastung desselben Rechtsvorgangs mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer, die es zu vermeiden gilt (vgl. auch BFH vom 15.07.2014 – X R 41/12, RS0699149).
Ausschüttungen an die nach der Satzung Anfallsberechtigten anlässlich der Auflösung einer in- oder ausländischen Familienstiftung oder eines ausländischen Trusts unterliegen aufgrund gesetzlicher Spezialtatbestände (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1, 2 ErbStG) stets in vollem Umfang der Schenkungsteuer. Die Finanzverwaltung geht für den Fall einer Stiftungsauflösung zudem davon aus, dass – wohl zugleich – Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) vorliegen sollen, jedenfalls soweit die Ausschüttung aus den Erträgen erfolgt (BMF vom 27.06.2006, BStBl. I 2006 S. 417 = DB0145323); dies kann nicht richtig sein. Würden demgegenüber erhebliche Teile des Vermögens einer inländischen rechtsfähigen Familienstiftung inklusive thesaurierter Erträge bereits vor Auflösung der Stiftung auf der Grundlage satzungsmäßiger Bestimmungen an die Begünstigten ausgekehrt, so wäre keine schenkungsteuerbare Zuwendung anzunehmen; dasselbe dürfte für ausländische Familienstiftungen gelten (s.o.), wofür nicht zuletzt auch unionsrechtliche Argumente sprechen (vgl. hierzu FG Hessen vom 10.2.2014 – 1 V 2602/13, EFG 2014 S. 1014). Jedenfalls im Umfang der ausgekehrten Erträge dürfte dann aber von einkommensteuerpflichtigen Einkünften auszugehen sein (vgl. BMF vom 27.06.2006, a.a.O.). Bei einer beabsichtigten Stiftungsauflösung kann demnach der Zeitpunkt der Ausschüttung über die einschlägige Steuerart entscheiden. Eine satzungswidrige Ausschüttung einer bestehenden in- oder ausländischen Stiftung unterliegt demgegenüber in vollem Umfang der Schenkungsteuer (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), weshalb hier konsequenterweise die Einkommensteuer in vollem Umfang nicht eingreifen dürfte. Laufende Ausschüttungen eines Trusts oder einer sonstigen Vermögensmasse ausländischen Rechts – statutengemäß oder nicht – sollen hingegen stets in vollem Umfang der Schenkungsteuer unterliegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG), weshalb die Einkommensteuer hier in jedem Fall zurücktreten müsste. Eine steuerliche Systematik ist unter Zugrundelegung dieser Kasuistik kaum noch erkennbar.
Fazit
Es ist zu hoffen, dass der BFH seine im o.g. Beschluss vom 21.07.2014 vertretene Auffassung in nächster Zeit in einem Hauptsacheverfahren bestätigen kann, damit jedenfalls für Ausschüttungen ausländischer Familienstiftungen wieder hinreichende Planungssicherheit besteht. Gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (anhängig beim BFH: II B 41/15), so dass hierzu zeitnah Gelegenheit bestehen könnte. Einer hinreichenden Planungssicherheit bedürfen zum einen die Stiftungsgremien, welche zur Ausübung sachgerechten Ermessens bei der Planung von Ausschüttungen deren steuerliche Belastung zu berücksichtigen haben, als auch die Destinatäre, denen eine korrekte steuerliche Deklaration der empfangenen Ausschüttungen obliegt. Im Übrigen bliebe nur die Möglichkeit, Ausschüttungen zu verschieben und einen etwaigen Bedarf der Destinatäre ggf. durch die Gewährung langfristiger Darlehen der Stiftung zu decken. Soweit laufende Stiftungszuwendungen aus einem der ausländischen Familienstiftung noch zu übertragenden Vermögen erfolgen sollen, ist auch eine Übertragung des Vermögens unter Nießbrauchsvorbehalt in Betracht zu ziehen.
Sollte sich in absehbarer Zeit auf Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein stimmiges Konzept für die steuerliche Behandlung von Stiftungs- und Trustausschüttungen herausbilden, das konsequent eine Doppelbelastung derselben Bereicherung mit Einkommen- und Schenkungsteuer vermeidet, dürfte überdies der Gesetzgeber gefordert sein, insoweit die gebotene Klarheit zu schaffen.