EuGH: Umtauschgeschäfte mit virtuellen Währungen (z.B. Bitcoin) umsatzsteuerfrei

RA David Hötzel, Associate bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

RA David Hötzel, Associate bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Während dezentral organisierte virtuelle Währungen, zu deren geläufigsten Beispielen der Bitcoin zählt, für ein breites Alltagspublikum noch immer Neuland sind, hat der EuGH bereits zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoin-Tauschdienstleistungen entschieden (EuGH vom 22.10.2015 – Rs. C-264/14). Damit hat er einen wichtigen Beitrag zur rechtssicheren steuerlichen Einordnung virtueller Währungen geleistet.  

 

Virtuelle Währungen im Umsatzsteuerrecht

Virtuelle Währungen stellen die Rechtsordnung überall dort vor Herausforderungen, wo im Gesetz eine Unterscheidung zwischen Geld und sonstigen Gütern angelegt ist. Diese Unterscheidung wird in Alltags- und Rechtssprache zumeist unterbewusst richtig anhand eines praktischen Begriffsverständnisses über das Geld getroffen. Die Einführung von Bitcoin fordert dem Rechtsanwender jedoch ab, sich der im Gesetz verwendeten Begriffe „Geld“, „Entgelt“ oder „Zahlungsmittel“ bewusster zu werden.

Ein Beispiel für diese Einordnungsschwierigkeiten bietet das Umsatzsteuerrecht. Das Problem der umsatzsteuerlichen Behandlung virtueller Währungen lässt sich in zwei Grundkonstellationen veranschaulichen:

Zum einen kann ein Unternehmer Beträge in virtueller Währung gegen Zahlung eines gesetzlichen Zahlungsmittels veräußern („Bitcoin gegen Euro“). Setzt man die Übertragung der virtuellen Währung einer herkömmlichen Geldzahlung gleich, so ist dieser bloße Austausch von Zahlungsmitteln umsatzsteuerlich irrelevant. Es wird kein im umsatzsteuerlichen Sinne konsumierbares Gut übertragen. Versteht man die Übertragung virtueller Währungen dagegen als Übertragung eines (immateriellen) Wirtschaftsgutes oder Erbringung einer sonstigen Dienstleistung, so liegt darin eine umsatzsteuerbare Leistung gegen Entgelt.

In der zweiten Grundkonstellation nimmt ein Unternehmer virtuelle Währung als Erfüllungsgegenstand für eine Leistung entgegen („Pizza gegen Bitcoin“). Sieht man hier die Erfüllung in virtueller Währung als reine Geldzahlung an, handelt es sich um eine umsatzsteuerbare Lieferung gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Ordnet man sie dagegen als umsatzsteuerbare Leistung ein, liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG). Das hätte zur Folge, dass (zwei beteiligte Unternehmer unterstellt) zwei umsatzsteuerbare Vorgänge vorlägen.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hatte – angelehnt an die erstgenannte Fallgruppe – über die Erbringung von Umtauschdienstleistungen zu entscheiden. Der betroffene Unternehmer beabsichtigte online eine Handelsplattform zur Verfügung zu stellen, die dem Tausch von Beträgen in virtueller Währung gegen das gesetzliche Zahlungsmittel (im konkreten Fall: schwedische Kronen) dienen sollte (und vice versa). Der Unternehmer plante dabei einen geringen Differenzbetrag zwischen seinem Ankaufspreis und dem Verkaufspreis als Bezahlung für sich zu behalten. Vor der Durchführung solcher Umsätze beantragte er einen Steuervorbescheid. Das damit befasste schwedische Oberste Verwaltungsgericht legte den Fall dem EuGH vor.

Der EuGH entschied, die Umtauschdienstleistung in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Preis, zu dem der Unternehmer virtuelle Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie an seine Kunden weiterverkauft, sei zunächst als steuerbare Leistung gegen Entgelt einzuordnen. Die Richter ordneten damit lediglich die Umtauschleistung als solche als steuerbare Leistung ein und bemaßen das Entgelt anhand der (in den Wechselkurs eingerechneten) Kursdifferenz. Der EuGH ging nicht in voller Höhe der Übertragung des virtuellen Währungsbetrages von einer Leistung gegen Entgelt aus. (Freilich war bereits die Vorlagefrage lediglich auf die Erbringung der Umtauschleistung gerichtet.)

Die entgeltliche Umtauschleistung sah der EuGH jedoch als steuerbefreit und damit nicht steuerpflichtig an. Die Richter prüften die in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen für Finanzgeschäfte (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d bis f MwStRL), deren Zweck sie vor allem darin erkannten, Schwierigkeiten bei der Bemessung der Umsatzsteuer bei Finanzgeschäften zu beseitigen. Von den denkbaren Befreiungstatbeständen lehnte der EuGH die Steuerbefreiungen für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr (Buchst. d) sowie für Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen (Buchst. f) ab. Er sah indes die Steuerbefreiung nach Buchst. e für Umsätze, „die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind“ als einschlägig an. Diese Vorschrift beziehe sich – unter Berücksichtigung der verschiedenen Sprachfassungen der Union – nicht lediglich auf konventionelle Währungen. Über die konkrete Auslegung der Befreiungstatbestände durch den EuGH lässt sich trefflich streiten. Im Ergebnis ist der Entscheidung jedoch zuzustimmen. Es besteht wertungsmäßig nach dem Sinn und Zweck der Befreiungstatbestände kein überzeugender Grund, funktional als Zahlungsmittel verwendete konventionelle Währungen und ebenso genutzte virtuelle Währungen unterschiedlich zu behandeln.

Keine uneingeschränkte Übertragbarkeit auf andere Rechtsfragen

Es wäre verfehlt, aus der Entscheidung des EuGH die Gleichstellung virtueller und konventioneller Währungen im (Steuer-)Recht allgemein zu folgern. Das Gesetz verwendet den Begriff „Geld“ nicht einheitlich. Während der Normzweck einer Vorschrift allein auf das (inländische) gesetzliche Zahlungsmittel gerichtet sein kann, kann ein anderer Tatbestand Geld im funktionalen ökonomischen Sinne erfassen – und damit auch andere Tausch- und Zahlungsmittel neben Euro einschließen. Welche Auslegung heranzuziehen ist, muss der Rechtsanwender abhängig vom jeweiligen Normzweck bestimmen. Die Entscheidung des EuGH ist vor diesem Hintergrund ein erster Schritt auf dem Weg zur rechtssicheren Einordnung virtueller Währungen, er sollte jedoch nicht der letzte bleiben.

Kommentare sind geschlossen.