Kapitalgesellschaften können im Regelfall das körperschaftsteuerliche Beteiligungsprivileg (§ 8b KStG) in Anspruch nehmen. Bei Holdinggesellschaften oder vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften gibt es in der Praxis jedoch nicht selten ein böses Erwachen, wenn der Steuerfreiheit von Erträgen die sog. „Bankenklausel“ (§ 8b Abs. 7 KStG) entgegengehalten wird (etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung). Das FG Münster hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 31.08.2015 (9 K 27/12 K, EFG 2016 S. 59, rkr.) detailliert mit der dabei relevanten „Absicht eines kurzfristigen Eigenhandelserfolges“ beschäftigt. Wesentlich stärker als in einer früheren Entscheidung desselben Senats (FG Münster vom 11.02.2015 – 9 K 806/13 K, EFG 2015 S. 1222; vgl. hierzu Müller, Steuerboard vom 09.06.2015) kommt in der neuen Entscheidung zum Ausdruck, dass die bilanzielle Zuordnung von Anteilen nur ein erstes Indiz im Rahmen einer Gesamtabwägung sein kann. Das Gericht räumt dabei einer retrospektiven Betrachtung des tatsächlichen Umschlagsverhaltens ganz erhebliches Gewicht ein.
Vorliegen eines „Finanzunternehmens“
Da Gewinne und Verluste aus bankentypischen Geschäften steuerlich verrechenbar sein sollen, gilt das körperschaftsteuerliche Beteiligungsprivileg (§ 8b KStG) nach § 8b Abs. 7 Satz 1 KStG nicht für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. KWG. Gleiches gilt für Anteile, die von „Finanzunternehmen“ i.S.d. KWG mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. Nach der Rechtsprechung des BFH sind hiervon jedoch nicht nur Unternehmen der Finanzbranche erfasst. Betroffen sind auch Beteiligungs- und Holdinggesellschaften, wenn deren Haupttätigkeit darin besteht, bestimmte im KWG genannte Tätigkeiten auszuüben (vgl. BFH vom 14.01.2009 – I R 36/08, BStBl. I 2009 S. 671 = DB 2009 S. 709). Auch eine vermögensverwaltende (Familien-)Kapitalgesellschaft, die Wertpapiere hält, kann „Finanzunternehmen“ in diesem Sinne sein (vgl. BFH vom 12.10.2011 – I R 4/11, BFH/NV 2012 S. 453 = RS0699969; vgl. hierzu Huken, StR kompakt, DB0468068).
Erwerb mit dem Ziel eines kurzfristigen Eigenhandelserfolges
Für die kurzfristige Eigenhandelsabsicht kommt es nach Definition des FG Münster (im Anschluss an Gosch, KStG, § 8b Rn. 590) darauf an, ob im Erwerbszeitpunkt eine zeitlich kurzfristige Wiederanlage beabsichtigt ist, indem die aus der Systembedingtheit des Geschäfts resultierende Marktsituation jederzeit unmittelbar ausgenutzt werden soll. Eine nur bedingte Absicht, bei Vorliegen bestimmter Umstände zu veräußern, ist danach unbeachtlich.
Ob eine „unbedingte Veräußerungsabsicht“ gegeben ist, lässt sich nur aus den objektiven Umständen folgern. Im Anschluss an die Auffassung des BFH (vgl. etwa BFH vom 12.10.2011, a.a.O.) sieht das FG Münster die zeitnahe Zuordnung der Anteile zum Anlage- oder Umlaufvermögen zunächst als beachtliches Indiz für oder gegen die kurzfristige Eigenhandelsabsicht an. Eine spätere bilanzielle Umgliederung sei unerheblich. Ebenso wenig komme es grds. auf die tatsächlich eingetretene Haltedauer einzelner Wertpapiere an, da einer retrospektiven Betrachtung bei der Indizwirkung für den Erwerbszeitpunkt keine entscheidende Bedeutung zukomme. Insoweit steht das Urteil vom 31.08.2015 in einer Linie mit der BFH-Rechtsprechung (BFH vom 12.10.2011, a.a.O.) und der Entscheidung des Senats vom 11.02.2015.
Erforderlichkeit einer Gesamtabwägung
Anders als in der Vorgängerentscheidung betont das FG Münster im Urteil vom 31.08.2015 jedoch in stärkerem Maße, dass eine Gesamtabwägung aller Umstände vorzunehmen sei. Zu würdigen waren dabei im Urteilsfall zwei bei unterschiedlichen Banken geführte Depots, wobei die dort verwahrten Aktien bilanziell jeweils zum Teil dem Anlagevermögen und zum Teil dem Umlaufvermögen zugeordnet waren.
Im Hinblick auf das eine Depot wertete das Gericht eine glaubhaft vorgetragene defensive und langfristig orientierte Anlagestrategie ebenso als Indiz gegen eine kurzfristige Eigenhandelsabsicht wie das Fehlen einer kurzfristigen Fremdfinanzierung und die fehlende Vereinbarung pauschaler Transaktionskosten mit der depotführenden Bank im Rahmen einer „all-in-fee“. Auch der Risikoeinschätzung der Bank („moderat“, nicht „spekulativ“) wurde Bedeutung beigemessen. Trotz Betonung, dass es auf das tatsächliche Verkaufsverhalten nicht ankomme, berücksichtigte das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung vor allem auch den Umstand, dass die Mehrzahl der Anteile über mehrere Jahre gehalten wurde. Vor diesem Hintergrund verneinte das Gericht eine kurzfristige Eigenhandelsabsicht mit Blick auf sämtliche in diesem Depot verwahrten Anteile, auch hinsichtlich der bilanziell im Umlaufvermögen erfassten.
Hinsichtlich des bei einer anderen Bank unterhaltenen Depots erkannte das Gericht ein erheblich anderes Umschlagsverhalten. Die hier verwahrten Anteile wurden nach Überzeugung des Gerichts deutlich überwiegend nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum gehalten und in allen Streitjahren zu einem erheblichen Teil unterjährig wieder verkauft. Auch die Anzahl der Transaktionen lasse den Schluss darauf zu, dass die Erzielung von Veräußerungsgewinnen gegenüber der Dividendenerzielung im Vordergrund gestanden habe. Das Gericht ging daher von einer kurzfristigen Eigenhandelsabsicht in Bezug auf alle in diesem Depot verwahrten Anteile aus, wiederum unabhängig von der bilanziellen Erfassung der einzelnen Anteile im Anlage- oder Umlaufvermögen.
Fazit
Während das Urteil des FG Münster vom 11.02.2015 noch den Eindruck erweckte, die bilanzielle Zuordnung habe eine maßgebliche Indizwirkung und sorge für ein Stück weit Sicherheit in der Praxis (vgl. hierzu Müller, Steuerboard vom 09.06.2015), geht das nun vorliegende Urteil desselben Senats in eine andere Richtung. Trotz mehrfacher Betonung, dass das tatsächliche Verkaufsverhalten (zumindest isoliert betrachtet) keinen zwingenden Rückschluss auf den Erwerbszeitpunkt zulasse, wird der Haltedauer und Transaktionsanzahl ganz maßgebliches Gewicht beigemessen. Obwohl § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG anteilsbezogen formuliert ist, zieht das Gericht aus dem Umschlagsverhalten in Bezug auf die Mehrzahl der im jeweiligen Depot erfassten Anteile ferner Schlüsse auf die Existenz oder das Fehlen einer kurzfristigen Eigenhandelsabsicht im Hinblick auf sämtliche im betreffenden Depot verwahrten Anteile. Die bilanzielle Zuordnung der einzelnen Anteile tritt dabei in den Hintergrund.
Für die Praxis bedeutet dies, dass im Hinblick auf die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG mangels klarer Abgrenzungskriterien weiterhin erhebliche Unsicherheit verbleibt. Unter Zugrundelegung des Urteils des FG Münster vom 31.08.2015 wird die bilanzielle Zuordnung des einzelnen Anteils zwar weiterhin eine gewisse Indizwirkung haben. Entscheidungserheblich wäre aber auch das gelebte Transaktionsverhalten bezüglich des Gesamtportfolios. Mit Blick auf die Entscheidung könnte es sich insoweit anbieten, verschiedene Depots mit unterschiedlicher Anlagestrategie zu unterhalten oder ggf. die unterschiedliche Ausrichtung verschiedener Portfolien sogar durch den Einsatz verschiedener Holding-Vehikel zu dokumentieren. Eine überwiegende Haltedauer von mehr als einem Jahr im einzelnen Portfolio wäre dann als Indiz dafür zu werten, dass bei Erwerb aller hier zugehörigen Anteile keine kurzfristige Orientierung gegeben war. Auf die Haltedauer des einzelnen Anteils würde es im Hinblick auf die Frage, ob gerade auf diesen Anteil § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG Anwendung findet, hingegen nicht ankommen. Gleichwohl wird man dies, auch wenn das FG Münster keine Gründe für die Zulassung der Revision gegen das Urteil vom 31.08.2015 gesehen hat, weiterhin nicht als abschließend geklärt ansehen können.
Wenn man bedenkt, dass die Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des § 8b Abs. 7 KStG eine andere war und erst die Auslegung der Norm durch den BFH zu dem (überraschenden) Ergebnis führte, dass auch Holdinggesellschaften außerhalb des Finanzsektors „Finanzunternehmen“ sein können, wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber dem ein Ende bereitet und den Anwendungsbereich der Norm jedenfalls auf Unternehmen der Finanzbranche verengt. Eine in diese Richtung gehende Empfehlung des Finanzausschusses des Bundesrates zum JStG 2013 hatte seinerzeit bedauerlicherweise kein Gehör gefunden (vgl. BR-Drucks. 632/1/12, S. 7).