BFH befasst sich erneut mit der Zinsschranke – Keine Zusammenrechnung von Vergütungen für Fremdkapital von qualifiziert beteiligten Gesellschaftern

StB Dipl.-Kfm. Dr. Dietmar Lange, Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg, Bonn

StB Dipl.-Kfm. Dr. Dietmar Lange, Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Dass die Zinsschranken-Regelung (§§ 4h EStG und 8a KStG) streitanfällig sein würde, wurde bereits bei ihrer Einführung vom Schrifttum prognostiziert. Seither sind die Vorschriften mehrfach Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren gewesen. Erst vor kurzem hat der BFH dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Zinsschranken-Regelung aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig ist (BFH vom 14.10.2015 – I R 20/15, DB 2016 S. 321; vgl. dazu auch München/Mückl, DB 2016 S. 497). In einem weiteren Verfahren (BFH vom 11.11.2015 – I R 57/13, DB 2016 S. 505) brauchte der BFH hingegen „nur“ eine materiell-rechtliche Frage zur Gesellschafterfremdfinanzierung zu entscheiden.

Vereinfachter Sachverhalt

An der konzernzugehörigen M-GmbH, die Organträgerin im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft mit der T-GmbH (als Organgesellschaft) ist, sind während des Streitjahres zwei einander nahe stehende Gesellschaften A und B mit jeweils mehr als 25% als Gesellschafter beteiligt. Die übrigen Gesellschafter sind jeweils mit weniger als 25% beteiligt. Der (negative) Zinssaldo des Organkreises beträgt ca. 4,1 Mio. €, Gesellschafter A hat rd. 400.000 € und Gesellschafter B rd. 350.000 € Zinsen bezogen. Die Eigenkapitalquote des Organkreises ist höher als die des Konzerns. Die M-GmbH zog den Zinsaufwand im Rahmen ihrer Körperschaftsteuererklärung als Betriebsausgabe ab, da die Zinsschranken-Regelung nicht anwendbar sei. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Vorinstanz (FG Niedersachsen vom 11.07.2013 – 6 K 226/11, RS1045494) soll der Abzug des Zinsaufwands indes durch die Zinsschranke begrenzt sein.

Was war streitig?

Im Besprechungsfall geht es darum, ob die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG (sog. Eigenkapital-Escape) aufgrund des Vorliegens einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung i.S.d. § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut von § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG ist der Zinsabzug nur dann nicht beschränkt, wenn – vereinfacht dargestellt – die Vergütungen für Fremdkapital der Körperschaft (M-GmbH) an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Kapital beteiligten Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft, eine diesem nahe stehende Person oder einen auf vorgenannte Gesellschafter oder Personen rückgriffsberechtigten Dritten, nicht mehr als 10% der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen betragen (keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung) und wenn diese Verbindlichkeit in der Konzernbilanz ausgewiesen wird. Da die Verbindlichkeiten gegenüber A und B in der Konzernbilanz ausgewiesen wurden, war nur streitgegenständlich, ob die Vergütungen für Fremdkapital der beiden jeweils qualifiziert beteiligten Gesellschafter A und B zusammenzurechnen sind oder nicht.

Gesamtbetrachtung vs. isolierte Betrachtung

Sind die an A und B geleisteten Zinsaufwendungen – so BMF-Schreiben vom 04.07.2008, BStBl. I 2008 S. 718 = VA0344542, Rn. 82 Satz 2 – zu addieren (Gesamtbetrachtung), wird die 10%-Schwelle überschritten (750.000 €/ 4,1 Mio. € ~ 18,3%). Es läge eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vor. Der den Zinsertrag übersteigende Zinsaufwand wäre nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA abziehbar. Gegen eine solche Auslegung spricht der Gesetzeswortlaut („an einen Gesellschafter“). Auch nach Ansicht des BFH müssen qualifiziert Beteiligte (ggf. unter zusammenfassender Betrachtung mit diesem nahe stehenden Personen und auf diesen rückgriffsberechtigten Dritten) isoliert betrachtet werden. Zinsaufwendungen an qualifiziert beteiligte Gesellschafter sind nicht zusammenzurechnen. Folge ist, dass die gesamten an A und B geleisteten Zinsaufwendungen i.H.v. 750.000 € abzugsfähig sind, die 10%-Schwelle wird weder bei A (400.000 €/ 4,1 Mio. € ~ 9,8%) noch bei B (350.000 €/ 4,1 Mio. € ~ 8,5%) überschritten. Eine Zusammenrechnung unterbleibt auch dann, wenn die beiden qualifiziert beteiligten Gesellschafter A und B einander „nahe stehende Personen“ sind. Denn wenn A und B schon als „wesentlich Beteiligte“ zum relevanten Personenkreis des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG gehören, schließt die isolierte Betrachtung eine weitere Qualifizierung als tatbestandsrelevante – jeweils einander nahe stehende – Person aus.

Stellungnahme

Dass der BFH trotz beachtlicher gesetzessystematischer Gründe (am weitesten gehende Verhinderung von Finanzierungsgestaltungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern) eine über den Gesetzeswortlaut („an einen Gesellschafter“) hinausgehende Ausdehnung der Norm ablehnt, ist zu begrüßen. Angesichts der weitreichenden Belastungseffekte der Zinsschranke, die auf der Grundlage typisierender und weitgehend pauschalierender Annahmen zur „angemessenen Fremdfinanzierung“ das Grundprinzip des Betriebsausgabenabzugs beeinträchtigt, sind an die Eingriffsvoraussetzungen klare und eindeutige Anforderungen zu stellen. Steuerrecht stellt Eingriffsrecht dar, aus dem Fehlen einer expliziten gesetzlichen Regelung darf keine für den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolge abgeleitet werden. Missbrauchsvermeidungsklauseln sind eng auszulegen.

Sollte die Zinsschranke nach Ansicht des BVerfG verfassungsgemäß sein, so bleibt zu hoffen, dass der BFH – auch zukünftig – den Anwendungsbereich der Zinsschranken-Regelung durch eine restriktive Rechtsprechung „auf ihren Kern“ begrenzen wird. Stand-alone-Escape (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG i.V.m. § 8a Abs. 2 KStG) und Eigenkapital-Escape (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG i.V.m. § 8a Abs. 3 KStG) müssen für den Steuerpflichtigen in der Praxis unter realistischen Maßstäben nutzbar sein. D.h. im Einzelnen u.a.,

  1. bei den Vergütungen für Fremdkapital sind nur solche Beträge zu berücksichtigen, die das maßgebliche Einkommen gemindert haben. Haben solche Beträge das maßgebliche Einkommen nicht gemindert, sind sie auch im Rahmen der Beurteilung, ob eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt, nicht zu berücksichtigen;
  2. für die Beurteilung der Frage, ob eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt, kommt es darauf an, dass der rückgriffsberechtigte Dritte eine rechtliche Möglichkeit des Rückgriffs auf wesentlich beteiligte Anteilseigner oder nahe stehende Personen hat. Allein die faktische Möglichkeit eines Rückgriffs, z.B. im Rahmen einer weichen Patronatserklärung, sollte nicht ausreichen, um den Zinsabzug einzuschränken, und
  3. die Anforderungen an die Nachweisführung für das Nichtvorliegen einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung müssen moderat ausfallen. Ausreichend sollte sein, wenn nachgewiesen wird, dass für den Fall, dass ein wesentlich beteiligter Anteilseigner existiert, in Bezug auf diesen keine schädliche Fremdfinanzierung vorliegt.

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