Steter Tropfen höhlt den Stein – Kapitalrückzahlungen aus Drittstaaten wieder vor dem Finanzgericht

RA Gerald Herrmann, Associate bei P+P Pöllath + Partners, München

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Die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen, die nicht in das Nennkapital geleistet wurden, unterliegt nach deutschem Steuerrecht grundsätzlich nicht der Ertragsbesteuerung, da der Gesellschafter lediglich hingegebene Vermögenssubstanz wieder zurückerhält. Seit Einführung des § 27 Abs. 8 KStG gilt dies unter bestimmten Voraussetzungen auch für Gesellschaften, die innerhalb der EU ansässig sind. Streitig ist, ob die Rückgewähr von Einlagen einer im Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft ebenfalls steuerneutral möglich ist.

Das FG Nürnberg entschied mit Urteil vom 12.06.2013 (5 K 1552/11; rechtshängig beim BFH unter dem Az. VIII R 47/13), dass auch für Drittstaatengesellschaften die Kapitalrückzahlung auf Ebene des Anteilseigner nicht steuerbar ist, wenn es sich nach ausländischem Handels- und Gesellschaftsrecht um eine Rückzahlung von Einlagen und gerade nicht um Ausschüttung von Gewinnen handelt (vgl. zu diesem Urteil Buge, Handelsblatt Steuerboard vom 28.03.2014).

Nunmehr bestätigte das FG Münster mit Urteil vom 19.11.2015 (9 K 1900/12 K, rechtshängig beim BFH unter dem Az. I R 15/16) in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt die bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung. In dem zugrundeliegenden Streitfall ging es um die steuerliche Beurteilung von Zahlungen einer US-Kapitalgesellschaft, die über keine ausschüttungsfähigen Gewinne verfügte. Das Urteil soll im Folgenden näher betrachtet werden.

Hintergrund

Nach § 27 Abs. 1 KStG sind unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften verpflichtet, nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen auf einem besonderen Konto, dem sog. steuerlichen Einlagenkonto, auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist dabei in erster Linie für die Besteuerung der Anteilseigner relevant. Die Vorschrift stellt mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sicher, dass sich eine Einlage nicht auf das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft und sich die Einlagenrückgewähr (als actus contrarius) beim Anteilseigner ebenfalls wirtschaftlich nicht auswirken darf.

Für die Qualifikation einer Einlagenrückgewähr ausländischer Gesellschaften galten bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2005 von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze (s.o.). Mit Einführung des § 27 Abs. 8 KStG ist seit dem Veranlagungszeitraum 2006 eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr von EU-Gesellschaften jedoch nur noch unter erschwerten Voraussetzungen möglich. So muss ein fristgebundener formeller Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern gestellt werden und es müssen erhebliche Nachweispflichten erfüllt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 8 KStG und nach den zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien soll dies nach Ansicht der Literatur aber nicht für Drittstaaten-Gesellschaften gelten. Die Finanzverwaltung geht hingegen davon aus, dass eine Einlagenrückgewähr aus Drittstaaten-Gesellschaften grundsätzlich nicht steuerneutral möglich sei, d.h. vielmehr stets eine steuerpflichtige Dividende darstelle.

Sachverhalt

In dem Streitfall vor dem FG Münster leistete eine US-Kapitalgesellschaft (die nachweislich über keine ausschüttungsfähigen Gewinne verfügte) gegenüber ihrer Alleingesellschafterin (einer inländischen Kapitalgesellschaft) Zahlungen. Streitig war, ob die Zahlungen bei der Anteilseignerin als steuerbare und steuerpflichtige Gewinnausschüttungen oder als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sind.

Entscheidung des FG Münster

Das FG Münster entschied, dass Zahlungen einer Drittstaaten-Gesellschaft nicht zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Dividende beim Gesellschafter führen, wenn die zahlende Gesellschaft nachweislich über keine ausschüttungsfähigen Gewinne verfügt.

Unbeantwortet ließ das FG Münster dabei allerdings die Fragen, ob aufgrund der Regelung des § 27 Abs. 8 KStG einfachgesetzlich der Schluss zu ziehen sei, dass es mangels einer eindeutigen Regelung für Drittstaaten-Gesellschaften bei den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen verbleibe, oder ob die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zwar weiterhin anzuwenden, aber in Anlehnung an die in § 27 Abs. 1 Satz 3, 5 KStG vorgesehene Zugriffsreihenfolge zu modifizieren seien, oder ob § 27 KStG als abschließende Regelung für Kapitalrückzahlungen außerhalb einer Herabsetzung des Nennkapitals anzusehen sei.

Vielmehr stütze das FG Münster die o.g. Entscheidung anhand der Auslegungsmethode der geltungserhaltenden Reduktion. Demnach erfordere die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV eine Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 27 KStG dahingehend, dass Kapitalrückzahlungen aus Drittstaaten, die nachweislich über keine ausschüttungsfähigen Gewinne verfügt, wie entsprechende Ausschüttungen von im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften oder von im EU-Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften bei dem inländische Gesellschafter erfolgsneutral mit dem Buchwert der Beteiligung verrechnet werden können. Der Ausschluss von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften von der Möglichkeit einer erfolgsneutralen Einlagenrückgewähr würde andernfalls Gesellschafter von Drittstaaten-Gesellschaften im Vergleich zu inländischen und EU-Sachverhalten benachteiligen. Rechtfertigungsgründe für eine solche Benachteiligung seien nicht ersichtlich.

Zusammenfassung

Die in der Finanzverwaltungs-Praxis vorgenommene Qualifikation von Zahlungen einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft an inländische Anteilseigner als stets steuerbar und steuerpflichtig wird von den Beratern und Stimmen in der Literatur zurecht kritisiert. Es ist kein Grund ersichtlich, die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen als steuerpflichtige Dividende zu behandeln; eine solche Handhabung stellt vielmehr eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Drittstaaten-Gesellschaftern dar. Umso erfreulicher ist, dass die Finanzgerichte der Auffassung der Finanzverwaltung entgegentreten. Abzuwarten bleibt, wie der BFH die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften qualifizieren wird (insbesondere, ob der erste und der achte Senat die Zahlungen einheitlich qualifizieren wird) und ob der BFH ggf. (in einem obiter dictum) darüber hinaus zur Frage der Anwendung der Verwendungsreihenfolge Stellung beziehen wird.

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