Der EuGH hatte in der Rechtssache Barlis 06 über die Frage zu entscheiden, ob dem Leistungsempfänger ein Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsrechnungen zusteht (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655). Die Eingangsrechnungen enthielten die Angaben „Erbringung juristischer Dienstleistung ab [einem bestimmten Datum] bis zum heutigen Tag“ oder „Erbringung juristischer Dienstleistung bis zum heutigen Tag“. Fraglich war, ob diese Angaben den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG) und an die Angabe des Leistungszeitpunkts in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG) genügen.
Leistungsbeschreibung in der Rechnung
Grundsätzlich kann der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung geltend machen, wenn die Rechnung den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Rechnung muss die Angabe von Umfang und Art der erbrachten sonstigen Leistung enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG). Nach Auffassung des EuGH erfordert diese Bestimmung, dass der Umfang und die Art der erbrachten sonstigen Leistung in der Rechnung zu präzisieren sind. Dagegen ist es nicht zwingend, die erbrachten sonstigen Leistungen erschöpfend zu beschreiben. Vielmehr ist auf den tatsächlichen Zweck der Rechnungsangaben abzustellen. Nach Auffassung des EuGH erschöpft sich dieser darin, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und den Vorsteuerabzug zu kontrollieren (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 26 f.).
Ausgehend von diesem Zweck kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Angabe „juristische Dienstleistungen“ die Anforderung an eine ordnungsgemäße Beschreibung der Art und des Umfangs der sonstigen Leistung nicht erfüllt. Denn die Angabe „juristische Dienstleistungen“ kann ein breites Spektrum von sonstigen Leistungen abdecken. Dazu können auch Leistungen gehören, die nicht notwendigerweise zur wirtschaftlichen Tätigkeit zählen (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 28). Daher verneint der EuGH die ordnungsgemäße Beschreibung der Art der sonstigen Leistung. Ebenso verneint der EuGH die ordnungsgemäße Beschreibung des Umfangs der erbrachten sonstigen Leistung. Denn die Angaben sind so allgemein gehalten, dass sich der Umfang der erbrachten sonstigen Leistung nicht entnehmen lässt.
Angabe des Leistungszeitpunkts in der Rechnung
Die Rechnung, aus der der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug begehrt, muss die Angabe des Leistungszeitpunkts enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG). Auch diese Anforderung legt der EuGH im Lichte des Zwecks aus, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und den Vorsteuerabzug zu kontrollieren. Die Finanzverwaltung kontrolliert anhand des Datums, zu welchem Zeitpunkt der Steuertatbestand verwirklicht wurde. Dadurch lässt sich bestimmen, welche steuerlichen Vorschriften in zeitlicher Hinsicht auf den Umsatz anzuwenden sind (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 30). Nach Auffassung des EuGH wird die Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistung ab [einem bestimmten Datum] bis zum heutigen Tag“ diesem Zweck gerecht. Denn dieser Angabe sind der Beginn und das Ende des Leistungszeitraums zu entnehmen. In diesem Fall sind die Anforderungen an die Angabe des Leistungszeitpunkts erfüllt (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 32).
Anders ist dies jedoch bei der Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“. Diese Angabe bezeichnet nicht den Beginn des fraglichen Zeitraums. Deshalb lässt sich der Zeitraum, auf den sich die Abrechnung bezieht, nicht bestimmen. In diesem Fall sind die Anforderungen an die Angabe des Leistungszeitpunkts nicht erfüllt (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 33).
Vorsteuerabzug auch bei fehlenden Rechnungsangaben
Darüber hinaus trifft der EuGH eine für den Leistungsempfänger erfreuliche Aussage. Selbst wenn die Eingangsrechnung nicht alle erforderlichen Rechnungsangaben enthält, kann dem Leistungsempfänger dennoch ein Vorsteuerabzug zustehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für den Vorsteuerabzug geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind (EuGH vom 15.09.2016 – Rs. C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 43). Die Finanzverwaltung darf sich nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat alle vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen.
Die deutsche Finanzverwaltung gewährt den Vorsteuerabzug bisher nur dann, wenn zwischen den Dokumenten, aus denen sich die erforderlichen Rechnungsangaben ergeben, ein eindeutiger Bezug besteht (vgl. § 31 Abs. 1 UStDV). Dies stellt in der Praxis eine große Hürde für den Steuerpflichtigen dar. Beruft sich der Steuerpflichtige nunmehr auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache Barlis, dürfte ihm der Nachweis der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug leichter fallen. Denn sofern die Rechnung nicht alle Rechnungsangaben enthält, muss die Finanzverwaltung auch die ihr vorgelegten Informationen berücksichtigen, auf die sich die Rechnung nicht bezieht. Der Steuerpflichtige bleibt zwar weiterhin in der Beweispflicht für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs. Er hat aber viel mehr Möglichkeiten als bisher.
Fazit
Aus der Rechnung müssen sich die Art und der Umfang der erbrachten Leistung deutlich ergeben. Zudem muss die Rechnung Angaben zum Leistungszeitpunkt enthalten. Dafür ist es ausreichend, wenn die Rechnung Angaben zum Beginn und zum Ende des Leistungszeitraums enthält. Ungenügend ist dagegen die Angabe „bis zum heutigen Tag“.
Selbst wenn die Eingangsrechnung nicht alle erforderlichen Rechnungsangaben enthält, kann dem Leistungsempfänger dennoch ein Vorsteuerabzug zustehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aus zusätzlichen Informationen ergeben, die der Steuerpflichtige der Finanzverwaltung vorlegt.