Erbschaftsteuerreform: Was große Familienunternehmen künftig beachten müssen

RA/StB/FBIntSR Prof. Dr. Christian Rödl, LL.M., Vorsitzender der Geschäftsleitung und Geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner

RA/StB/FBIntStR Prof. Dr. Christian Rödl, LL.M., Vorsitzender der Geschäftsleitung und Geschäfts-führender Partner bei Rödl & Partner

Seit der Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 (Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, RS1046342; vgl. dazu Stalleiken, DB 2015 S. 18 und Lüdicke, DB0689696) zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer haben viele deutsche Unternehmer die bisherigen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen und Gesellschaftsanteile noch genutzt, um ihr Unternehmen steuerbegünstigt auf die nächste Generation zu übertragen. Aus der heutigen Perspektive war dies meist wohl auch die richtige Entscheidung. Denn nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 29.09.2016 führen die neuen Verschonungsregeln für Betriebsvermögen und Gesellschaftsbeteiligungen rückwirkend zum 01.07.2016 zu erheblichen Verschärfungen.

 

 

Ist die Rückwirkung der verschärften Erbschaftsteuerregelungen zum 01.07.2016 zulässig?

Sowohl die Pressestelle des BVerfG als auch die Finanzverwaltung hatten im Vorfeld erklärt, dass die bisherigen Regelungen über den 30.06.2016 hinaus Bestand haben sollen. Dies ist durch den Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 29.09.2016 ausgehebelt geworden. Danach sind die neuen Regelungen auf Erwerbe anwendbar, für die die Steuer nach dem 30.06.2016 entsteht. Aufgrund des im Erbschaftsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzips könnte eine echte Rückwirkung vorliegen, wenn der Erbfall z.B. am 01.07.2016 eingetreten ist. Eine gesetzliche Norm ist erst mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt rechtlich existent, so dass die Frage durchaus berechtigt ist, ob die rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen auf diesen Erbfall zulässig ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob der Steuerpflichtige auch nach dem 30.06.2016 noch Vertrauensschutz in die alte Rechtslage genießt.

Es wird vertreten, dass bereits seit dem Urteil des BVerfG kein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen mehr in die Anwendung der bisherigen Regelungen bestehe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, RS0707935; vgl. hierzu auch Brandt, StR kompakt, DB0556564) stellt die Einbringung eines Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage in Frage, da hierdurch geplante Gesetzesänderungen offensichtlich und allgemein vorhersehbar werden. Der Bundestag hatte das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG (ErbStRG) am 24.06.2016 beschlossen, also noch vor der vom Gericht gesetzten Frist zum 30.06.2016. Bereits zu diesem Zeitpunkt mussten sich potenziell Betroffene wohl auf die Geltung von Neuregelungen ab dem 01.07.2016 einstellen und entsprechend disponieren. Zwar wurden im Vermittlungsausschuss am 22.09.2016 noch Änderungen beschlossen (vgl. hierzu Wiese, Steuerboard vom 23.09.2016); ob dies jedoch ausreicht, um ein Vertrauen der Steuerpflichtigen in die alten Regelungen auch nach dem 30.06.2016 aufrechtzuerhalten, ist zu bezweifeln.

Welche Auswirkungen hat der neu eingeführte Kapitalisierungsfaktor?

Die Herabsetzung des Kapitalisierungsfaktors bei Unternehmensbewertungen nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf 13,75 ist dem Grunde nach zu begrüßen. Hierdurch wird eine Annäherung an realistische Unternehmenswerte erreicht. Er ist rückwirkend ab dem 01.01.2016 anwendbar. In der ursprünglichen Gesetzesbegründung hieß es, die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich unproblematisch, da sie allein zu Gunsten des Steuerpflichtigen wirke. Dies ist nicht der Fall: Für Übertragungen im 1. Halbjahr 2016 kann sich die rückwirkende Anwendung des niedrigeren Kapitalisierungsfaktors negativ im Hinblick auf die Verwaltungsvermögensquote auswirken. Im schlimmsten Fall wird die Grenze von 50% zulässigem Verwaltungsvermögen überschritten, so dass keine Verschonung mehr möglich ist. So wird quasi über die Hintertür des Bewertungsgesetzes eine nachteilige Rückwirkung zum 01.01.2016 eingeführt. Ob der Steuerpflichtige sich hierauf bereits im Januar 2016 einstellen musste, darf bezweifelt werden. Jedoch hätte er noch die Möglichkeit, ein anderes anerkanntes Bewertungsverfahren einzusetzen.

Welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen für große Familienunternehmen?

Nach Möglichkeit sollte der bis zu 30%ige Vorab-Bewertungsabschlag für Familienunternehmen angestrebt werden – mit bestimmten Satzungsregelungen wie Ausschüttungs-, Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen. Diese Bestimmungen müssen zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung eingehalten werden. Wie bei den Schenkungsteuerfreibeträgen sollten Inhaber großer Vermögen rechtzeitig in Tranchen übertragen und so die 10-Jahres-Frist bei der Ermittlung der Prüfschwelle von 26 Mio. € nutzen. Für die Ermittlung dieser Prüfschwelle werden nämlich mehrere Erwerbe begünstigten Vermögens von derselben Person innerhalb der letzten zehn Jahre addiert. In diese Zusammenrechnung fallen auch Erwerbe vor dem Inkrafttreten der Reform. Zudem spielt die Reihenfolge der Übertragung künftig eine Rolle. So ist es z.B. sinnvoll, zunächst begünstigtes Betriebsvermögen auf einen vermögenslosen Erwerber zu übertragen und erst nach zehn Jahren weiteres Privatvermögen zu vererben oder zu verschenken. So kann der Erwerber den 100%igen Erlass der Schenkungsteuer beantragen, da das später übertragene Privatvermögen in die Verschonungsbedarfsprüfung nicht einzubeziehen ist.

Um das Überschreiten der Prüfschwelle von 26 Mio. € pro Erwerb zu vermeiden, wird es vermehrt zum Einsatz von Familienstiftungen kommen. Beispielsweise kann begünstigtes Vermögen, das den Wert von 26 Mio. € übersteigt, auf eine neu errichtete Familienstiftung übertragen werden, das restliche begünstigte Vermögen kann auf den beschenkten Nachfolger übertragen werden. Für die beschenkte natürliche Person gilt in diesem Fall das bisherige Verschonungskonzept, während für die Übertragung auf die Familienstiftung das Erlassmodell mit Verschonungsbedarfsprüfung in Anspruch genommen werden kann. Denn das auf die Familienstiftung übertragene Vermögen sollte so strukturiert sein, dass die Verschonungsbedarfsprüfung für die Stiftung kein Problem darstellt. Auch kann Privatvermögen auf eine Familienstiftung übertragen und so eine Vermögenslosigkeit des Unternehmensnachfolgers erreicht werden.

Kommentare sind geschlossen.