Änderungsbedarf von Gesellschaftsverträgen und Satzungen von Familienunternehmen nach der Erbschaftsteuerreform

RA Dr. Nils Christian Wighardt, EMBA, Associate bei McDermott Will & Emery, München

RA Dr. Nils Christian Wighardt, EMBA, Associate bei McDermott Will & Emery, München

Am 14.10.2016 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ zugestimmt. Das BVerfG hatte mit seiner Entscheidung vom 17.12.2014 (Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, RS1046342; vgl. dazu Stalleiken, DB 2015 S. 18 und Lüdicke, DB0689696) den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 30.06.2016 zu handeln. Die Neuregelung erfolgt rückwirkend ab dem 01.07.2016. Für Familienunternehmen bedeutet dies, dass sie nicht nur mit dem neuen Gesetz und seinen teils dramatischen Steuerbelastungen zurechtkommen, sondern ggf. auch die Gesellschaftsverträge bzw. Satzungen anpassen müssen.

Vorwegabschlag für Familienunternehmen

Um Familienunternehmen bei der Unternehmensnachfolge weiterhin nicht über Gebühr zu belasten, hat der Gesetzgeber mit dem sog. Vorwegabschlag eine besondere Begünstigungsregelung für Familienunternehmen vorgesehen. Hintergrund ist, dass ansonsten bei der Unternehmensbewertung nach § 9 BewG ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, zu denen auch Verfügungsbeschränkungen zählen, nicht berücksichtigt werden können. Die Regelung hat ihre nunmehrige Fassung erst in der letzten Nacht des Vermittlungsverfahrens erhalten (zum Vermittlungsergebnis vgl. Wiese, Steuerboard vom 23.09.2016). Leider ist festzuhalten, dass den Familienunternehmen damit „Steine statt Brot“ gegeben werden. Denn die gesetzliche Regelung verfehlt ihr Ziel, leidet an handwerklichen Mängeln und ist praxisfern. Dabei hilft es nichts, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass das BVerfG auch das neue Erbschaftsteuergesetz zu Fall bringen wird.

Nach § 13a Abs. 9 ErbStG wird der Wert des übergehenden begünstigten Vermögens vorab um bis zu 30% reduziert. Dies stellt gegenüber „normalen“ Unternehmen eine Begünstigung dar. Voraussetzung für den Vorwegabschlag ist, dass der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erstens die Entnahmemöglichkeit von Gewinnen bzw. die Höhe von Gewinnausschüttungen, zweitens die Verfügung über Gesellschaftsanteile sowie drittens die Höhe der Abfindung beschränkt. Die rechtlichen Verhältnisse müssen auch den tatsächlichen entsprechen. Mit der Anknüpfung an den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung schließt der Gesetzgeber Familienunternehmen aus, die in der Rechtsform eines Einzelunternehmens organisiert sind. Einzelunternehmern ist daher der Formwechsel in die GmbH & Co. KG zu empfehlen.

Der Vorwegabschlag kann bei der Nachfolgeplanung großer Familienunternehmen eine erhebliche Entlastung darstellen (zu den Optimierungsmöglichkeiten für große Familienunternehmen vgl. Rödl, Steuerboard vom 29.09.2016). Mit Hilfe des Vorwegabschlags kann die Grenze von 26 Mio. € unterschritten werden, um das begünstigte Betriebsvermögen zu 85% oder 100% steuerfrei übertragen zu können; bei höherem begünstigten Betriebsvermögen kann bei dem sog. Verschonungsabschlag das Abschmelzen der Steuerbefreiung eingedämmt werden bzw. bei der sog. Verschonungsbedarfsprüfung der Steuerausgangswert abgesenkt werden, für dessen Begleichung 50% des nicht begünstigten, übergegangenen Vermögens und des bereits vorhandenen, entsprechenden Vermögens des Erwerbers heranzuziehen ist.

Entnahmebeschränkung und Höhe der zulässigen Gewinnausschüttungen

Der Gesetzgeber verlangt, dass die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag von Familienunternehmen zukünftig vorsieht, dass die Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens 37,5% des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttung entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerlichen Gewinns beschränkt ist; Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt.

Die gesetzliche Regelung ist unverständlich. Dies fängt bereits mit der Anknüpfung an den „steuerrechtlichen Gewinn“ statt an die Handelsbilanz an. In der Regel ist das positiv, da eine Vielzahl von Gewinnminderungen in der Handelsbilanz nicht auf die Steuerbilanz durchschlagen (§ 5 Abs. 2a EStG ff.). Aber wie soll nun in einem Gesellschaftsvertrag der „steuerrechtliche Gewinn“ definiert werden? Mit oder ohne Sonderbetriebsvermögen und steuerlichen Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften? Was ist mit außerbilanziellen Korrekturen, z.B. nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben?

Es lässt sich aktuell nicht einmal ansatzweise mit einer gewissen Sicherheit bestimmen, welche Gewinne zukünftig thesauriert werden müssen und welche ausgeschüttet bzw. entnommen werden dürfen. Beispiel: Werden Steuern vom Einkommen auf Ebene der Gesellschaft berücksichtigt? Handelt es sich bei der Gewerbesteuer oder dem Solidaritätszuschlag um eine Steuer vom Einkommen? Was gilt bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbeünstigung nach § 34a EStG? Wie wird die Rechtsformneutralität von Körperschaften und Personengesellschaften sichergestellt? Wie soll mit Entnahmeregelungen für Erbschaft- oder Schenkungsteuer umgegangen werden?

In der Praxis kann man also nur abwarten, spekulieren, eine verbindliche Auskunft (gebührenpflichtig) beantragen oder eine unbestimmte dynamische Klausel aufnehmen, nach der Gewinne nur in einem Umfang entnommen werden können oder ausgeschüttet werden dürften, die i.S.v. § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 ErbStG unschädlich sind. Der absehbare steuerliche Meinungsstreit zur Auslegung der Gesetzesregelung wird so in das Familienunternehmen hineingetragen.

Praktische Probleme für Familienunternehmen

Praktische Probleme ergeben sich bei Familienunternehmen, in denen sich keine satzungs- bzw. gesellschaftsvertragsändernde Mehrheit für die Erhöhung der Thesaurierungsquote findet. Bei Personengesellschaften ist den Gesellschaftern zu raten, die Entnahmebeschränkung auf die „willigen“ Gesellschafter zu beschränken. Das sollte angesichts des Zwecks ausreichen, bedingt aber schwierige Regelungen bei der Zuordnung der Kapitalkonten, wenn andere Stämme mehr entnehmen. Bei Kapitalgesellschaften sind die Möglichkeiten disquotaler Gewinnausschüttungen gesellschaftsrechtlich und steuerlich eingeschränkt (§ 29 Abs. 3 GmbHG; vgl. auch BMF-Schreiben vom 17.12.2013, DB 2014 S. 23).

Auch bei Familienunternehmen mit einer Vielzahl von Gesellschaftern sowie in Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter ihre steuerliche Situation nicht gegenüber der Geschäftsführung offenlegen wollen, muss dennoch sichergestellt werden, dass es zu keinen „Überentnahmen“ oder „Überausschüttungen“ kommt, um den Vorwegabschlag nicht zu gefährden. Bei Personengesellschaften sowie Anteilen von Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen wirkt sich der individuelle Steuersatz des Gesellschafters auf die maximale Entnahme-/Ausschüttungshöhe aus. Wie soll die Höhe der zulässigen Ausschüttung oder Entnahme festgelegt werden, wenn die entsprechenden Verhältnisse nicht bekannt sind? Eine Gestaltungsüberlegung könnte sein, dass jeder Gesellschafter eine „eigene Zweck GmbH & Co. KG“ vorschaltet, in der die Voraussetzungen unabhängig von den anderen Gesellschaftern geschaffen werden.

Notwendige Verfügungsbeschränkung und Stiftungen

Der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung müssen zukünftig die Übertragung der Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige i.S.d. § 15 AO oder auf eine Familienstiftung beschränken. Zahlreiche Familienunternehmen werden diese Vorgabe bereits erfüllen, da solche Verfügungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen weit verbreitet sind. Tatsächlich dürfte der Kreis der Erwerbsberechtigten in vielen Fällen enger gezogen sein, als dies § 15 AO vorsieht. Nach dieser Vorschrift dürften die Anteile auch an Verlobte, Lebenspartner der Geschwister, Nichten und Neffen übertragen werden.

Problematisch ist die Vorgabe für viele Familienunternehmen, die die Übertragung von Gesellschaftsanteilen bisher an keine, eine einfache oder an eine qualifizierte Mehrheit gebunden haben. Sofern ein einzelner Gesellschafter die Fungibilität seiner Anteile nicht einschränken will, ist den anderen Gesellschaftern zu raten, lediglich die Verfügbarkeit ihrer Anteile im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung einzuschränken. Das mag aber zu schwierigen Verhandlungen führen, ob dann die anderen Gesellschafter im Hinblick auf die Aufhebung der für sie nicht geltenden Verfügungsbeschränkungen ein Stimmrecht haben. Ein Ausschluss dieses Stimmrechts dürfte problematisch ein, da dann letztlich der Verfügende die Regelung stets für sich aufheben kann und diese letztlich nur formal im Gesellschaftsvertrag steht. Das wäre bei einer Ein-Mann GmbH & Co. KG auch so.

Streitanfällig dürften zukünftig Gesellschaftsverträge oder Satzungen sein, die eine Übertragung eines Anteils auch an eine ausländische Familienstiftung vorsehen. Nach zutreffender Ansicht der Finanzverwaltung fallen nur inländische Familienstiftungen in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und nicht unter die Erbersatzsteuer (R E 1.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). Darin liegt aber keine Rechtfertigung für den Verstoß gegen die EU-rechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, zumindest wenn in der vom Finanzgericht zu beurteilenden Konstellation keine Übertragung auf eine in- oder ausländische Familienstiftung erfolgt ist. Völlig praxisfern ist auch, dass gemeinnützige Stiftungen als Gesellschafter schädlich sein sollen.

Auch insoweit könnte eine der eigentlichen Familiengesellschaft vorgeschaltete für Zwecke der Neuregelung des § 13a Abs. 9 ErbStG saubere Zweck-GmbH & Co. KG weiterhelfen.

Abfindungsbeschränkung und Buchwertklausel

Für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft muss der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung eine Abfindung vorsehen, die unter dem Verkehrswert der Beteiligung oder des Anteils liegt. Die Höhe des Vorwegabschlags hängt davon ab, in welchem Umfang der Abfindungsbetrag vom Verkehrswert abweicht. Sieht der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung z.B. vor, dass die Abfindung 20% unter dem Verkehrswert liegt, wird ein Vorwegabschlag i.H.v. 20% gewährt. Der Vorwegabschlag ist auf maximal 30% beschränkt.

Die Frage, ob auch eine gesellschaftsrechtlich ggf. wegen signifikanter stiller Reserven unwirksame Buchwertklausel diese Vorgabe erfüllen könnte, dürfte letztlich die Finanzgerichte beschäftigen. In jedem Fall empfiehlt es sich, bei einer Buchwertklausel mindestens eine Abfindung von 50% des gemeinen Werts (Verkehrswerts) der Beteiligung vorzusehen.

Auch insoweit ist die Frage berechtigt, welchen Zweck die Regelung bei einer Ein-Mann GmbH & Co. KG haben soll.

Zwei- und Zwanzigjahresfrist und gesetzliche Rückwirkung

Die beschriebenen Vorgaben hinsichtlich des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung müssen zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und zwanzig Jahre danach vorliegen. Die Fristen sind praxisfern.

Da in der Praxis bisher kein Gesellschaftsvertrag entsprechende Bestimmungen, wie sie das Erbschaftsteuergesetz vorgibt, enthalten wird, müssen die Familienunternehmen zwei Jahre nach Änderung des Gesellschaftsvertrags warten, um in den Genuss der Begünstigung zu kommen. Für den „steueroptimalen Tod“ sollte sich der Unternehmer daher noch mindestens zwei Jahre Zeit lassen.

Eine Übergangsregelung für die Fälle, in denen in den letzten zwei Jahren die Vorgaben tatsächlich gelebt wurden, aber noch nicht expressis verbis verankert waren, ist verfassungsrechtlich geboten. Ohne eine solche Regelung hat der Gesetzgeber eine Vorschrift erlassen, die für Familienunternehmen in den ersten Jahren praktisch nicht angewendet werden kann.

Nach der Entstehung der Steuer müssen die Regelungen zwanzig Jahre eingehalten werden. Bei einem Verstoß kommt es rückwirkend zum Wegfall des Vorwegabschlags. Das kann in der Zukunft dazu führen, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung eine Unternehmensnachfolge, die fast zwanzig Jahre zurückliegt, nachträglich steuerpflichtig macht und nachzubesteuern ist. Zwanzig Jahre sind in der Praxis ein kaum nachzuhaltender Kontrollzeitraum. Zur Erinnerung: Vor zwanzig Jahren (1996) war Theo Waigel noch Bundesfinanzminister, der Bundeskanzler hieß noch Helmut Kohl.

Familienunternehmen ist wegen der langen Laufzeiten der Nachbesteuerungsfristen zu raten, dass in den Gesellschaftsvertrag oder in die Satzung Regelungen aufgenommen werden, wie sich Gesellschafter untereinander für die Nachsteuern freistellen, die dadurch entstehen, dass ein Gesellschafter auf die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung drängt und dies bei einem Gesellschafter rückwirkend zum Wegfall des Vorwegabschlags führt. Dies wird in Zukunft häufiger vorkommen, insbesondere da der Einfluss von Familiengesellschaftern in der Regel mit der Generationenfolge sinkt.

Fazit

Das traurige Fazit ist, dass die Regelung zur Begünstigung von Familienunternehmen in einer Vielzahl von Fällen bloße Kosmetik ist, um das Gesetzgebungsverfahren zum Ende zu bringen. Den berechtigten, praktischen Anliegen des deutschen Mittelstandes wird leider nicht Rechnung getragen, obwohl die Anteile wegen der tatsächlichen Beschränkungen (unterhalb der hier gezogenen Ebene) häufig nicht zum Verkehrswert veräußert werden können. Einzige wirksame Gestaltung dürfte sein, Anteile über vorgeschaltete „Ein-Mann GmbH & Co. KG´s“ zu halten, bei denen der einzelne Unternehmer in Bezug auf den Gesellschaftsvertrag schalten und walten kann, wie er will. Das mag aber für interessierte Kreise auch wieder der nächste Hebel sein, um das neue Erbschaftsteuergesetz in Karlsruhe abermals zu Fall zu bringen.

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