Durch das am 14.11.2016 veröffentlichte BMF-Schreiben vom 10.11.2016 wird Rn. 13.04 des Umwandlungssteuererlasses (BMF vom 11.11.2011, BStBl. I 2011 S. 1314 = DB0464115) dahingehend geändert, dass für eine Anwendung des § 13 UmwStG auf Ebene eines im Inland ansässigen Anteilseigners im Rahmen einer Drittstaatenverschmelzung keine beschränkte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers mehr gefordert wird. Damit beseitigt die Finanzverwaltung einen wesentlichen Streitpunkt im Rahmen von Drittstaatenverschmelzungen.
Neufassung von Rn. 13.04 UmwStE
Die neu gefasste Rn. 13.04 lautet wie folgt:
Wird das Vermögen einer nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als Ganzes durch einen Verschmelzungsvorgang i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG nach ausländischem Recht auf eine andere Körperschaft übertragen, gilt nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG für die Besteuerung der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft § 13 UmwStG entsprechend.
Hintergrund der Änderung von Rn. 13.04
Die Änderung der Rn. 13.04 UmwStE erfolgt vor folgendem Hintergrund: Durch § 13 UmwStG wird – an Stelle eines gewinnrealisierenden Tauschvorgangs gem. § 6 Abs. 6 EStG zum gemeinen Wert der Anteile – unter bestimmten Voraussetzungen die Abwicklung einer „Drittstaatenverschmelzung“ (z.B. einer side-stream-Verschmelzung von zwei in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaften) auf Ebene des im Inland ansässigen Gesellschafters zu steuerlichen Buchwerten ermöglicht. Praktisch bedeutet dies, dass der Anteilseigner die steuerlichen Anschaffungskosten der Anteile an dem übertragenden Rechtsträger auf die Anschaffungskosten der Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger umbucht.
Im Fall einer Drittstaatenverschmelzung ist § 13 UmwStG auf Ebene des inländischen Gesellschafters der übertragenden ausländischen Körperschaft allerdings nicht unmittelbar anwendbar. Der Anwendungsbereich des § 13 UmwStG auf Gesellschafterebene wird erst durch § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG eröffnet. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG setzt die entsprechende Anwendung des § 13 UmwStG auf Gesellschafterebene allerdings voraus, dass das Vermögen einer Körperschaft durch einen „Vorgang i.S.d. Satzes 1“ auf eine andere Körperschaft übertragen wird.
Seit einiger Zeit wird streitig diskutiert, welche Anforderungen an die Art der Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG und damit die entsprechende Anwendung des § 13 UmwStG auf Gesellschafterebene zu stellen sind (vgl. hierzu zuletzt Pohl, DStR 2016 S. 2498).
Im Kern geht es um die Frage, ob der aus § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG resultierende Verweis auf einen „Vorgang i.S.d. Satzes 1“ auch die dort bezeichnete Art der Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft (Satz 1 fordert eine beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft) umfasst oder ob es sich bei Satz 2 um einen eigenen Tatbestand mit einem eigenen Anwendungsbereich handelt, der auch dann einschlägig ist, wenn der übertragende Rechtsträger in Deutschland nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegt.
In dem Entwurf von R 12 KStR 2015 hatte sich die Finanzverwaltung noch dahingehend positioniert (vgl. hierzu Hick, Steuerboard vom 22.05.2015), dass die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG eine beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft erfordert. In der Endfassung der KStR 2015 war R 12 dann allerdings nicht mehr enthalten.
Bedeutung der Änderung der Rn. 13.04
Aufgrund der Änderung der Rn. 13.04 liegen nach Verwaltungsauffassung die Voraussetzungen für die Anwendung des § 13 UmwStG auf Ebene des inländischen Anteilseigners vor, wenn der übertragende Rechtsträger in Deutschland nicht steuerpflichtig ist oder der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Die Änderung von Rn. 13.04 ist in systematischer Hinsicht dadurch begründet, dass § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG die entsprechende Anwendung des Satzes 1 der Vorschrift für „Körperschaften“ und damit nicht nur für „beschränkt steuerpflichtige Körperschaften“ eröffnet. Hinzu kommt, dass durch § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nur das Erfordernis eines „Vorgangs i.S.d. Satzes 1“ und nicht „in den Fällen des Satzes 1“ verlangt wird. Dies spricht – und dieser Auffassung hat sich die Finanzverwaltung nunmehr angeschlossen – dafür, dass es sich bei Satz 2 der Vorschrift um einen eigenen Tatbestand (mit einem eigenen Anwendungsbereich) handelt und sich der Verweis auf einen Vorgang i.S.d. Satzes 1 nur darauf bezieht, dass es sich bei dem Umwandlungsvorgang nach ausländischem Recht um einen mit § 2 UmwG vergleichbaren Vorgang handeln muss.
Beurteilung der Änderung von Rn. 13.04
Aus Sicht der Praxis ist die Änderung von Rn. 13.04 zu begrüßen. Durch die Aufgabe des Kriteriums der beschränkten Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers wird ein wesentlicher Streitpunkt mit der Finanzverwaltung im Rahmen von Drittstaatenverschmelzungen (für alle in verfahrensrechtlicher Hinsicht offenen Fälle) beseitigt. Hierdurch entfallen auch die zahlreichen – an das Kriterium der beschränkten Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers anknüpfenden – Folgefragen: Zu welchem Zeitpunkt muss eine beschränkte Steuerpflicht vorliegen und wie lange muss diese aufrechterhalten werden? Ist eine konkrete beschränkte Steuerpflicht i.S.v. R 2 Abs. 1 KStR 2015 erforderlich oder ist eine abstrakte beschränkte Steuerpflicht ausreichend?
Auf in der Praxis umgesetzte Strukturen, eine beschränkte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers vor Umsetzung einer Umwandlungsmaßnahme bewusst herbeizuführen (z.B. durch den Erwerb von vermietetem inländischem Grundbesitz), kann damit zukünftig verzichtet werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Finanzgericht von der neuen Verwaltungsauffassung abweichen könnte (zu einem solchen Fall vgl. auch von Freeden, Steuerboard vom 10.02.2016), dürfte die Einholung einer verbindlichen Auskunft vor einer Transaktion (bis zu einer möglichen Klarstellung durch den Gesetzgeber) dennoch ratsam bleiben.