Die Veräußerung von Immobilien im steuerlichen Privatvermögen ist als privates Veräußerungsgeschäft nur steuerpflichtig, wenn sie innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach der Anschaffung der Immobilie erfolgt. Auch innerhalb dieser Zehnjahresfrist bleibt die Veräußerung steuerfrei, wenn der Veräußerer die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Eine Immobilie dient eigenen Wohnzwecken, wenn sie vom Veräußerer selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird. Eine eigene Wohnnutzung liegt daher grundsätzlich nicht mehr vor, wenn der Veräußerer die Wohnung Familienangehörigen unentgeltlich zur Nutzung überlässt, ohne selbst darin zu wohnen. Typische Fälle sind die unentgeltliche Überlassung der Wohnung an erwachsene Kinder, die allein darin wohnen, oder an minderjährige Kinder, die nach der Trennung des Veräußerers von dem anderen Elternteil nur mit diesem in der Wohnung verbleiben.
Eigene Wohnzwecke auch bei Überlassung einer Wohnung an Kinder mit Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass der Veräußerer die Wohnung allein, mit seinen Familienangehörigen oder mit einem Dritten bewohnt, solange eine eigene Haushaltsführung des Veräußerers möglich bleibt. Die Größe oder die Anzahl der selbst genutzten Wohnungen spielt keine Rolle. Eine eigene Wohnnutzung kann daher auch hinsichtlich mehrerer Wohnungen vorliegen. Der Verkauf einer Wohnung, die einem (erwachsenen) Kind unentgeltlich zur Nutzung überlassen wurde, ist daher innerhalb der Zehnjahresfrist grundsätzlich steuerpflichtig, wenn der Veräußerer nicht selbst in der Wohnung gewohnt hat. Die Finanzverwaltung erkennt aber einen Ausnahmefall als eigene Wohnnutzung an, auch wenn der Veräußerer tatsächlich nicht in der fraglichen Wohnung wohnt. Eigene Wohnzwecke liegen danach auch vor, wenn der Veräußerer die Wohnung einem Kind unentgeltlich überlassen hat, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag nach den Bestimmungen des EStG hat. Die unentgeltliche Überlassung an andere Familienangehörige akzeptiert die Finanzverwaltung dagegen nicht als eigene Wohnnutzung, selbst wenn diese unterhaltsberechtigt sind.
Finanzgerichte legen die Ausnahme zur eigenen Wohnnutzung eng aus
Auf dieser Linie liegen zwei jüngst veröffentlichte Entscheidungen der Finanzgerichte Baden-Württemberg und Hessen. In dem einen Fall hatten die Eltern eine Eigentumswohnung für ihre studierende Tochter erworben. Rund vier Jahre später veräußerten sie die Wohnung. Allerdings war einige Monate vor der Veräußerung der Status der Tochter als Kind i.S.d. EStG und damit der Anspruch auf Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag erloschen. Das FG Baden-Württemberg verneinte daher die Steuerbefreiung, legte also die Ausnahme zur eigenen Wohnnutzung bei Überlassung an Kinder mit Kindergeldberechtigung eng aus (FG Baden-Württemberg vom 04.04.2016 – 8 K 2166/14). Der BFH hat die vom FG zugelassene Revision inzwischen wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verworfen.
In dem vom FG Hessen entschiedenen Fall hatte der Wohnungseigentümer die Wohnung zusammen mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter bewohnt. Nach der Trennung zog der Eigentümer aus der Wohnung aus und überließ die Wohnung für zwei Jahre unentgeltlich seiner ehemaligen Lebensgefährtin und der Tochter. Nach einigen Monaten Leerstand veräußerte er die Wohnung schließlich innerhalb der Zehnjahresfrist. Das FG versagte die Steuerbefreiung, weil zwar die Überlassung an die kindergeldberechtigte Tochter als eigene Wohnnutzung des Veräußerers anzusehen ist, nicht aber die gleichzeitige Überlassung an die ehemalige Lebensgefährtin. Dass die minderjährige Tochter keinen eigenen Hausstand führen kann und von der ehemaligen Lebensgefährtin betreut wird, ändert daran nichts (FG Hessen vom 30.09.2015 – 1 K 1654/14). Ein Revisionsverfahren ist hierzu nicht anhängig.
Die beiden Entscheidungen der Finanzgerichte stimmen mit der von der Finanzverwaltung formulierten Ausnahme zur eigenen Wohnnutzung überein. Sie ziehen einem erweiterten Verständnis der „eigenen Wohnzwecke“ i.S.d. Gesetzes Grenzen. Dies ist insofern zu begrüßen, als die Ausnahme im Gesetz nicht angelegt ist. Das Abstellen auf die Kindergeldberechtigung ist aus systematischen Gründen noch nachvollziehbar, auch wenn es keinen tieferen Zusammenhang zu dem Zweck der Steuerbefreiung für die eigene Wohnnutzung gibt. Daher ist auch hinzunehmen, dass die Steuerbefreiung wegen eigener Wohnnutzung mit dem Tage entfällt, in dem die Kindergeldberechtigung endet – wie im Urteilsfall des FG Baden-Württemberg.
Zweifel an einer konsequenten Umsetzung der Ausnahme zur eigenen Wohnnutzung verbleiben jedoch angesichts der Entscheidung des FG Hessen, gerade bei einem Vergleich der Überlassung an minderjährige und erwachsene Kinder. Vom Veräußerer der Wohnung getrennt lebende minderjährige Kinder können regelmäßig ohne die Betreuung Dritter nicht in der Wohnung leben. Wenn – wie im Urteilsfall – die kindergeldberechtigte Tochter des Veräußerers in der Wohnung lebt und dies aufgrund der allseits akzeptierten Ausnahme als eigene Wohnnutzung des Veräußerers gilt, muss es nach den allgemeinen Regeln für die Steuerbefreiung unschädlich sein, wenn zugleich noch ein Dritter (hier die ehemalige Lebensgefährtin) in der Wohnung wohnt. Dabei würde es nicht einmal darauf ankommen, dass diese(r) Dritte die minderjährige Tochter betreut. Nichts anderes gilt auch, wenn der Veräußerer selbst mit einer dritten Person (Lebensgefährtin oder nicht) in der Wohnung wohnt. Dass hier diese dritte Person die minderjährige Tochter betreut, verstärkt noch die Zweifel an der Versagung der Steuerbefreiung.