Sanierungserlass gekippt – unüberwindbare Hürde für Unternehmensretter?

RA Dr. Ralf Bornemann, Partner / StB Dr. Alf Hillen, Partner bei der dhpg, Bonn.

Der Große Senat des BFH hat mit dem Sanierungserlass des BMF Anfang Februar 2017 ein wichtiges Werkzeug für die Rettung angeschlagener Unternehmen verworfen (BFH vom 28.11.2016 – GrS 1/15, RS1228837; vgl. dazu Werth, DB 2017 S. 337). Künftig wird es den Steuererlass auf Sanierungsgewinne in dieser Form nicht mehr ohne weiteres geben.  Dennoch gibt es Möglichkeiten, die Folgen einer Besteuerung des Sanierungsgewinns zu mildern.

 

Zum Hintergrund der Entscheidung des Großen Senats

Nach Auffassung des Großen Senats des BFH verstößt der Sanierungserlass als Verwaltungsanweisung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die im Jahr 2003 erlassene und im Jahr 2009 ergänzte Verwaltungsanweisung sah eine Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen vor. Unter Berufung auf den Sanierungserlass hatten die Finanzämter in der Vergangenheit bei Vorlage eines Insolvenzplans Sanierungsgewinne von steuerpflichtigen Unternehmen erlassen. Faktisch hatte die Finanzverwaltung damit die vom Gesetzgeber aufgehobene Steuerbefreiung im Wege einer Verwaltungsanweisung rückgängig gemacht. Ohne diese Verwaltungsanweisung sähe sich ein notleidendes Unternehmen grundsätzlich gezwungen, trotz wirtschaftlicher Schieflage, die Rettungsversuche seiner Gläubiger zu versteuern. Die mögliche Unternehmensrettung wäre hierdurch akut gefährdet, da die zur Begleichung der anfallenden Steuer notwendigen Mittel von sanierungsbedürftigen Unternehmen in der Regel nicht aufgebracht werden können. Die Finanzverwaltung erkannte dies und reagierte mit dem Sanierungserlass auf die im Jahr 1997 aufgehobene gesetzliche Regelung zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen. Der Große Senat des BFH stellte in seiner Entscheidung nun klar, dass die bisherigen insolvenzrechtlichen Kriterien nicht den Rahmen einer sachlichen Unbilligkeit bilden können.

Dem versucht nun der Bundesrat entgegen zu steuern. Der Finanzausschuss des Bundesrates bittet im Rahmen seiner 954. Sitzung des Bundesrates am 10.03.2017 im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Änderung des EStG und GewStG zu prüfen.

Welche Möglichkeiten haben betroffene Unternehmen?

Bis zur Umsetzung der geplanten Neuregelung wird es auch nach der Entscheidung des BFH möglich sein, einen Steuererlass auf Sanierungsgewinne zu erhalten. Der Steuerpflichtige muss nun allerdings nachweisen, dass „persönliche Billigkeitsgründe“ vorliegen; somit  ist eine Ermessensentscheidung im Einzelfall notwendig. Damit wären ein Erlassantrag und daran gekoppelt eine Steuerbegünstigung nach Auffassung des BFH weiterhin möglich.

Einzelfallbezogene Prüfung

Um in den Genuss eines Steuererlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen zu gelangen, muss der Steuerpflichtige „erlassbedürftig“ und „erlasswürdig“ sein. Das heißt, die Zahlung der auf den Sanierungsgewinn entfallenen Steuer muss zu einer Existenzgefährdung führen. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass der Steuerpflichtige in der Vergangenheit weder gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, noch seine Leistungsunfähigkeit selbst herbeigeführt haben darf. In der Regel versagt das Finanzamt einen Billigkeitserlass wegen Erlassunwürdigkeit des Steuerpflichtigen, wenn dieser seinen Erklärungspflichten gegenüber dem Finanzamt nicht nachgekommen ist und/oder die Zahlungsunfähigkeit durch einen verschwenderischen Lebensstil selbst herbeigeführt hat. Es obliegt nun dem Steuerpflichtigen, nachzuweisen, dass sein Fehlverhalten für die Sanierungsbedürftigkeit nicht ursächlich war. Ein Nachweis hierüber kann durch die Feststellungen im Rahmen eines Sanierungsgutachtens bzw. Insolvenzplans erbracht werden, da im Rahmen der Erläuterung des Sanierungskonzepts zwingend eine Prüfung der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens und der Krisenursachen zu erfolgen hat. Dies gilt gleichermaßen für außergerichtliche wie für gerichtliche Sanierungsverfahren im Rahmen der Insolvenzordnung.

Ein Erlass soll insbesondere denjenigen begünstigen, der unverschuldet in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, weshalb in den meisten Fällen das Finanzamt Gründe finden wird, die gegen eine Erlasswürdigkeit sprechen. Um dennoch die Chancen für den Steuererlass zu erhöhen, ist es ratsam die Krisenursachen ausführlich zu analysieren und entsprechend darzustellen.

Auch nach Verwerfung des Sanierungserlasses empfiehlt es sich dennoch, einen angestrebten Steuererlass stets im Vorfeld rechtlich durch das zuständige Finanzamt abklären zu lassen. Dies ist im Wege einer verbindlichen Auskunft möglich.

Ist ein Steuererlass wegen fehlender Voraussetzungen nicht möglich, bedarf es zur Sanierung des Unternehmens weiterer Maßnahmen. In diesem Fall muss die Entstehung eines Sanierungsgewinns verhindert oder zumindest reduziert werden. Dies ist z.B. durch Stundung fälliger Verbindlichkeiten und sukzessiven Teilerlass in Höhe unmittelbar steuerlich verrechenbarer Verluste möglich.

Gesetzliche Neuregelung

In seinem Gesetzesentwurf (BR-Drucks. 59/1/17) greift der Bundesrat die Entscheidung des Großen Senats auf. Der Gesetzesentwurf sieht für die Zukunft vor, dass der Steuerpflichtige auf seinen Antrag hin von der Besteuerung eines Sanierungsgewinns befreit wird. Voraussetzung ist jedoch, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen in Sanierungsabsicht erfolgt. Die Voraussetzungen entsprechen genau denen, die die Finanzverwaltung unter Berücksichtigung des Sanierungserlasses bisher bereits als notwendig erachtet hat. Neu ist jedoch, dass die Ausübung des Wahlrechts der Steuerfreistellung des Sanierungsgewinns alle bisher festgestellten Verlustvorträge untergehen lässt. Hervorzuheben ist, dass die geplante Vorschrift auf alle offenen Fälle, auch für Jahre vor 2017, Anwendung finden soll. Klargestellt werden muss, dass es sich es sich bei der geplanten Neuregelung lediglich um einen Entwurf handelt. Ob und vor allem wann es zu einer entsprechenden Gesetzesänderung kommen wird, ist noch nicht absehbar. Zwar soll die erste Anhörung im Rahmen der Bundesratssitzung am 10.03.2017 stattfinden, hieraus lässt sich jedoch noch kein endgültiger Beschlusstermin ableiten. Es bleibt zu hoffen, dass die geplante Änderung vor der anstehenden Bundestagswahl verabschiedet wird, um notleidenden Unternehmen möglichst bald Rechtssicherheit gewähren zu können.

Der Gesetzesentwurf dient weiterhin der Beseitigung von Konflikten zwischen Besteuerungsverfahren und Insolvenzordnung. Hiermit soll der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 22.11.2016 steuerlich begleitet werden, um in diesem Bereich Rechtskonformität zu erlagen.

Fazit

In der Praxis war der Sanierungserlass bisher ein wichtiges Mittel zur erfolgreichen Rettung angeschlagener Unternehmen. Bereits bei Aufstellung eines Insolvenzplans konnte über verbindliche Auskünfte sichergestellt werden, dass die Finanzämter die durch einen Forderungsverzicht begründeten Steuern erlassen werden. Der Wegfall führt aus Sicht der Verfasser nun zu erheblichen Unsicherheiten in diesem Bereich, zumal das BMF mittlerweile die Finanzämter aufgefordert hat, Erlassanträge ab einer gewissen Größenordnung an das BMF weiterzuleiten. Abzuwarten bleibt auch, ob die Finanzämter – im Rahmen ihres Ermessenspielraums bei der Erlassentscheidung – die nunmehr erforderlichen persönlichen Billigkeitsgründe zugunsten der Steuerpflichtigen auslegen. Hierdurch könnten bis zu einer etwaigen gesetzlichen Neuregelung unbillige Härten vermieden werden.

Dennoch gibt es Möglichkeiten, den Sanierungserlass weiterhin zu erhalten oder aber die Folgen einer Besteuerung des Sanierungsgewinns zu mildern – im Interesse von Unternehmen, Beschäftigten und Gläubigern. Derzeit ist nicht absehbar, wann und in welcher Ausgestaltung die geplante Gesetzesänderung tatsächlich umgesetzt wird. Deshalb sollte in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen vorliegen, ein solcher Antrag gestellt werden. Eine Versagung des Steuererlasses ist im Hinblick auf die oben dargestellte geplante Gesetzesänderung unschädlich. Die geplante Gesetzesänderung stellt keine Billigkeitsmaßnahme dar. Dem Steuerpflichtigen wird vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Wahlrecht auf Ausübung der Steuerfreistellung zugestanden. Ist ein Erlassantrag abgelehnt worden, so ist die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer in einen Sanierungs- oder Insolvenzplan einzubeziehen. Dies kann jedoch zur Folge haben, dass die Durchführung des Plans scheitert und die Zerschlagung des Unternehmens vorgenommen werden muss.

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