Heute ist Brexit-Day. Das Brexit-Referendum hat die Karten in Europa neu gemischt. Es ist eine politische Herausforderung, aber zugleich eine wirtschaftliche Chance für Deutschland, wie es sie nicht oft geben wird. Deutschland kann diese ergreifen und seiner starken Industrie endlich einen Kapitalmarkt zur Seite stellen, der der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes und dem Finanzierungsbedarf seiner Unternehmen gerecht wird. Dazu bedarf es veränderter Rahmenbedingungen, zu denen auch verbesserte Regeln für außerbörsliche Unternehmensfinanzierungen (Private Equity) und für den Fondsstandort Deutschland gehören. Das Steuerrecht kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
Brexit
Es liegt etwas in der Luft, es bewegt sich was. Es ist der Wind der Veränderung. Besonders intensiv ist der Wind der Veränderung zu spüren, wenn man sich mit Vertretern der Private Equity Branche aus Großbritannien und den USA unterhält. Das Brexit-Referendum und die US-Präsidentschaftswahl haben beide Länder politisch durchgerüttelt. Noch ist ungewiss, wie es in beiden Ländern politisch und wirtschaftlich weitergeht. Aber dass einiges anders werden wird, bei aller Stärke von etablierten Institutionen und Regeln, wird kaum jemand bestreiten wollen.
Heute ist der 29. März 2017. UK-Premierministerin Theresa May hat für heute die Mitteilung nach Artikel 50 des EU-Vertrages gegenüber dem Europäischen Rat angekündigt, um das Verfahren zum Austritt aus der Europäischen Union formell einzuleiten.
Niemand hat eine Glaskugel, mit der in die Zukunft geblickt werden kann. Fragen zum Zugang zum europäischen Binnenmarkt, zur Freizügigkeit, zur Kapitalverkehrsfreiheit sowie zum Dritt-Staaten-Pass werden erst in zähen Verhandlungen geklärt werden (oder auch nicht). London, der bislang weltweit führende Finanzstandort, der selbst New York Paroli bieten konnte, ist und bleibt eine attraktive Stadt, von der sich viele nur ungern verabschieden würden. Dennoch stellen sich viele, insbesondere auch die Amerikaner und Vertreter anderer außereuropäischer Staaten, für die Großbritannien oft das Eingangstor nach Europa war, die Frage, wie es künftig weitergehen soll. Dazu gehört auch die Frage, ob man sich nach Alternativen – zumindest für einen Teil der Belegschaft seines Unternehmens – in Kontinentaleuropa umschauen soll.
An der Seitenlinie formiert sich bereits die Konkurrenz zum Finanzstandort UK. Da ist in erster Linie Luxemburg zu nennen, aber auch Paris, Amsterdam und Irland buhlen um die Position als künftiger erster Finanzplatz in Europa – und selbst New York will eine Scheibe vom Brexit-Kuchen abbekommen.
Der Industriestandort Deutschland braucht einen starken Kapitalmarkt
Auch der Börsen- und Bankenstandort Frankfurt ist in London auf Werbetour gegangen. Bislang fehlt aber eine konzertierte Aktion von Deutschland, um die Attraktivität von Deutschland als Finanzstandort zu erhöhen. Deutschland ist ein sprichwörtlicher Riese, was die industrielle Substanz und die wirtschaftliche Exportkraft anbelangt. Dort spielt Deutschland in der Champions League. Nur beim heimischen Kapitalmarkt mit seinen Banken und Private Equity Fonds spielt Deutschland im internationalen Vergleich ein paar Ligen darunter. Dabei hängt die Zukunft des Industriestandorts Deutschland und der damit verbundenen Arbeitsplätze gerade auch entscheidend vom Zugang seiner exportorientierten Unternehmen zu Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt ab, um im zunehmend härteren Wettbewerb mit der (vor allem asiatischen, aber auch erstarkten US-amerikanischen) Konkurrenz bestehen und weiter wachsen zu können.
Angenommen, der politische Wille wäre da, was müsste die Politik tun?
Die Regelungen zum Kapitalmarkt sind komplex und vielschichtig. Die folgenden Vorschläge beschränken sich auf den Teilbereich des Kapitalmarkts, der „Private Equity“ genannt wird – und dort auf wenige steuerrechtliche Stellschrauben auf Fondsebene. Dieses Segment reicht von der Start-up Finanzierung junger Unternehmensgründungen (Venture Capital) bis zur außerbörslichen Wachstumsfinanzierung des deutschen Mittelstands. Dafür sammeln Fondsmanager weltweit Gelder bei institutionellen Investoren ein, bündeln diese in einem Fonds und investieren dann in Form von Eigenkapital- (und auch zunehmend Fremdkapital-)Finanzierungen von Unternehmen.
Diese Vorschläge sind nicht neu (vgl. auch Mardini, Steuerboard vom 05.03.2015). Sie werden aber oft nur isoliert diskutiert, ohne das „große Ganze“ und die Bedeutung für den Fondsstandort Deutschland zu sehen.
Ertragsteuerliche Transparenz des Fonds und Rechtssicherheit für Investoren
International ist die steuerliche Transparenz des Fonds üblich. Die Besteuerung soll ausschließlich auf der Ebene des Fondsanlegers stattfinden. Er soll so gestellt werden, als ob er direkt in die Vermögenswerte des Fonds investiert hätte.
In Deutschland ist man zuletzt bei der ab 2018 in Kraft tretenden Investmentsteuerreform einen anderen Weg gegangen (vgl. dazu Mardini, Steuerboard vom 31.07.2015), allerdings nur für Fonds, die keine Personengesellschaften sind. Die große Mehrheit der Private Equity Fonds weltweit ist als Kommanditgesellschaft (bzw. vergleichbare ausländische Personengesellschaft) strukturiert. Diese sind vom Anwendungsbereich ausgenommen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG n.F.). Für sie gelten die allgemeinen steuerlichen Regeln, wozu insbesondere die in der Praxis nicht immer einfache Abgrenzung von Gewerblichkeit und privater Vermögensverwaltung gehört (vgl. Mardini, Steuerboard vom 03.01.2014). Damit ist eine Rechtsunsicherheit für den Fonds (mögliche Gewerbesteuerbelastung) und die Anleger (mögliche Begründung einer Betriebsstätte in Deutschland und Steuererklärungspflichten für ausländische Investoren) verbunden. Dies führt dazu, dass deutsche Fonds teilweise von Investoren gemieden werden bzw. nur durch komplexe Strukturen „erwerbbar“ gemacht werden können. Dies ist ein klarer Nachteil gegenüber ausländischen Fondsstandorten, wie Luxemburg oder Großbritannien.
Dies könnte durch die folgenden Regelungen für Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft leicht korrigiert werden:
- Gewerbesteuerbefreiung des Fonds selbst;
- keine Begründung bzw. anteilige Zurechnung einer Betriebsstätte durch Beteiligung des Anlegers am Fonds (und keine entsprechenden Steuererklärungspflichten) sowie
- keine Vermittlung gewerblicher Einkünfte durch den Fonds.
Umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung von Private Equity Fonds
Anders als in den wesentlichen Fondsstandorten in der EU ist die Verwaltung von Private Equity Fonds in Deutschland nicht umsatzsteuerbefreit. Deshalb unterliegt die bei einem deutschen Fonds zu zahlende Vergütung (Management Fee) einer 19%igen Mehrbelastung aufgrund der Umsatzsteuer.
Bislang findet die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG nur auf Investmentfonds (vor allem Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere – OGAW) Anwendung. Ob die ab 2018 geltende geänderte Fassung daran etwas ändert ist fraglich. Danach werden nur solche Alternativen Investmentfonds (AIFs) von der Befreiung erfasst, die mit OGAWs „vergleichbar“ sind. Die Finanzverwaltung will dies restriktiv auslegen, um ihre bisherige Position, entgegen des EuGH-Urteils vom 09.12.2015 (Rs. C-595/13; Fiscale Eenheid, RS1188215), fortzuführen (vgl. dazu Buge, Steuerboard vom 31.03.2016).
Hier würde eine Änderung von § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, wonach sämtliche AIFs erfasst sind, eine Gleichbehandlung sämtlicher Fondsarten sicherstellen und diesen europarechtswidrigen deutschen Sonderweg beenden (vgl. dazu Bujotzek, Steuerboard vom 15.12.2015).
Verlässlichkeit und verfahrensrechtliche Berechenbarkeit
Neben materiell-rechtlichen Änderungen sind auch verfahrensrechtliche Verbesserungen erforderlich. Die derzeitigen Regelungen zur Quellensteuerentlastung sind in der Praxis bei Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft mit einer Vielzahl von ausländischen Anlegern ungeeignet. In diesen Fällen ist es in der Praxis schwer bis unmöglich, den unbestritten materiell-rechtlich bestehenden Erstattungsanspruch ausländischer Investoren verfahrensrechtlich durchzusetzen. Hier bedarf es praxisgerechter verfahrensrechtlicher Klarstellungen, die es beispielsweise dem Fonds erlauben würden, selbst einen Antrag auf Quellensteuerentlastung in Vertretung der ausländischen Investoren zu stellen.
Neben den genannten Punkten ist es aber mindestens ebenso wichtig, dass verlässliche Regeln bestehen, die die Steuerbelastung für Anleger berechenbar machen. Private Equity Fonds sind geschlossene Fonds mit einer Laufzeit von zehn bis zwölf Jahren. Investoren erwarten Rechtssicherheit für die Dauer ihres Investments. An den Änderungen zu § 8b KStG in den letzten Jahren und der ständig schwelenden Diskussion um weitere Verschärfungen zeigt sich, dass bislang der politische Wille für beständige, verlässliche Regeln fehlt.
Fazit
Die genannten Vorschläge in Bezug auf die Besteuerung der Fondsebene ließen sich durch weitere Vorschläge zu Investoren, Fondsmanager und Portfolio-Unternehmen (z.B. Steuererlass auf Sanierungsgewinne) ergänzen. Viele davon wurden bereits an anderer Stelle unterbreitet. Wenn der politische Wille da wäre, könnte man ein gutes Paket zur Stärkung des Fondsstandorts und Kapitalmarkts Deutschland schnüren und gestärkt aus dem Brexit hervorgehen. Nun zurück zum Wind der Veränderung, der uns umweht. Nach Aristoteles gilt: „Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen.“ Wir sollten es tun!