Manchmal geht es schneller als man denkt. In zwei Urteilen hat der BFH entschieden, dass auch die Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern eine Realteilung ist. Damit sollte das Thema (fast) erledigt sein. Der erst Ende des Jahres 2016 veröffentlichte neue (oder besser: modifizierte) Realteilungserlass ist damit schon wieder überholt.
Sachwertabfindung – Das Grundsatzurteil des BFH
Ein Blick zurück: Lange war umstritten, nach welchen Regeln sich der folgende Vorgang bemisst. Ein Mitunternehmer scheidet aus seiner Gesellschaft aus, nimmt dabei Wirtschaftsgüter der Mitunternehmerschaft mit und nutzt diese anschließend betrieblich. Insbesondere die Verwaltung hat sich konsequent dagegen gesperrt, dies als Realteilung zu betrachten, denn die Gesellschaft bestehe ja noch fort. Mit einem Urteil aus dem Jahr 2015 (BFH vom 17.09.2015 – III R 49/13, DB 2016 S. 624; vgl. dazu auch Schacht, DB 2016 S. 794) hat der III. Senat des BFH entschieden, dass auch das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Personengesellschaft mit einem Teilbetrieb als Abfindung als Realteilung zu verstehen ist. Tragendes Argument war, dass das Ausscheiden mit Sachwertabfindung eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils darstellt und die Realteilung systematisch an die Aufgabe des Betriebs einer Mitunternehmerschaft oder aber die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils anknüpft. Die Einordnung einer Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern wurde dabei ausdrücklich offengelassen. Diese Entscheidung hatte der III. Senat explizit mit dem IV. sowie dem VIII. Senat abgestimmt.
Der hinhaltende Widerstand des BMF
Das BMF hat auf dieses Urteil Ende des Jahres 2016 mit einer Neufassung des Realteilungserlasses reagiert (BMF vom 20.12.2016, DB 2017 S. 97; vgl. hierzu Pupeter, DB 2017 S. 684). In diesem wurde das Ausscheiden mit Sachwertabfindung grundsätzlich weiterhin nicht als Realteilung angesehen. Eine Ausnahme gab es nur für den Fall, dass dem Ausscheidenden ein Teilbetrieb zugewiesen wurde. Dieser hinhaltende Widerstand wurde allgemein als unglücklich angesehen, denn die Begründung des BFH ist für die Sachwertabfindung mit Teilbetrieben wie mit Einzelwirtschaftsgütern anwendbar.
So kam, was kommen musste: Der IV. Senat des BFH hat im März 2017 in zwei Urteilen entschieden, dass auch die Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern eine Realteilung ist. Dabei stützt sich der IV. Senat jeweils auf das Urteil aus dem Jahr 2015 und dessen Begründung. Damit wurde der neue Realteilungserlass bereits drei Monate nach seiner Veröffentlichung in diesem, seinem wichtigsten Punkt schon wieder obsolet.
Für einen Außenstehenden ist nicht nachvollziehbar, weshalb das BMF eine Neufassung des Realteilungserlasses trotz dieser zwei schwebenden und, wie das Urteilsdatum jeweils zeigt, wohl bereits Ende 2016 weitgehend ausgeschriebenen Verfahren für erforderlich hielt. Diese „Klatsche“, um es in der Fußballsprache zu sagen, hätte man sich ersparen können.
Der „Doppelpack“ des IV. Senats
Betrachtet man die beiden Urteile näher, so fallen zwei Besonderheiten ins Auge:
Im ersten Urteil vom 16.03.2017 (IV R 31/14, DB 2017 S. 1424) war eine Aussage zum Thema Sachwertabfindung gar nicht erforderlich, denn es lag eine vollbeendigende Realteilung vor. Der IV. Senat hat es dennoch (sogar) als Leitsatz aufgenommen, dass die Grundsätze der Realteilung sowohl für die Auflösung einer Mitunternehmerschaft (von ihm als „echte Realteilung“ bezeichnet) als auch für das Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Mitnahme von Vermögen aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft („unechte Realteilung“) anzuwenden ist. Dass der IV. Senat somit ein obiter dictum in einen Leitsatz schreibt, erweckt den Eindruck, dass er dieses Thema entgegen dem BMF-Schreiben geklärt haben wollte. Fast möchte man meinen, der IV. Senat sei durch den neuen Realteilungserlass hierzu provoziert worden. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der IV. Senat die vom BMF hochgehaltene Differenzierung je nach Art des übernommenen Vermögens nicht einmal anspricht.
Allerdings ist die vom IV. Senat in diesem Urteil gewählte Terminologie „unechte Realteilung“ etwas unglücklich, denn wenn ein Vorgang nur als „unechte Realteilung“ anzusehen sein sollte, kann man es dem BMF nicht verdenken, diesen Vorgang nicht als Realteilung behandeln zu wollen. Falls man die beiden Varianten der Realteilung mit gesonderten Begriffen belegen möchte, bietet sich beispielsweise das Begriffspaar „vollständige“ und „partielle Realteilung“ an.
Im zweiten Urteil vom 30.03.2017 (IV R 11/15, DB 2017 S. 1427) ging es dann tatsächlich um eine Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern. Der IV. Senat hat es hier zum Leitsatz gemacht, dass die Grundsätze der Realteilung auf das Ausscheiden aus einer Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern Anwendung finden. Dieser Leitsatz erfolgte explizit gegen den neuen Realteilungserlass. Es verwundert allerdings, dass sich der IV. Senat in diesem Urteil davor scheut, auszusprechen, dass das Ausscheiden mit Sachwertabfindung eine Realteilung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ist. Die Urteilsgründe ergeben jedoch eindeutig, dass er die Realteilungsregeln hierauf nicht nur analog oder in erweiternder Auslegung anwenden will, sondern § 16 Abs. 3 EStG als „genau auf den Fall des Ausscheidens bezogene Norm“ sieht (so wörtlich).
Nach dem Erlass ist vor dem Erlass
Ein Blick nach vorne: Wünschenswert wäre, dass die Verwaltung das nunmehr komplettierte Verständnis des BFH von der Realteilung übernimmt und in einem dann wirklich neuen Realteilungserlass umsetzt. Das Thema ist für die Praxis zu wichtig, als dass überholte dogmatische Konzepte vom Begriff der Realteilung zu weiterer Rechtsunsicherheit führen sollten, zumal die Interessen des Fiskus durch die Missbrauchsklauseln der Realteilung mehr als abgesichert sind.