Wieso die Cannabis-Legalisierung föderale Friktionen im US-Steuerrecht offenbart

RA David Hötzel, Associate bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Zeitgleich mit der Präsidentenwahl in den USA am 09.11.2016 wurde in einigen Bundesstaaten über die Legalisierung von Cannabis-Produkten abgestimmt. Kalifornien, Maine, Massachusetts und Nevada reihen sich seither in die Liste der Bundesstaaten ein, in denen Besitz, Erwerb und Anbau zu Freizeitzwecken legal sind (recreational marijuana). Hinzu kommen Staaten, in denen jedenfalls Besitz und Erwerb aus medizinischen Gründen legal sind (medical marijuana). Interessant ist der Blick auf das Thema aus der Brille einer Einkommensteuer im bundesstaatlichen Gefüge. Das Steuerrecht beleuchtet hier anschaulich die Friktionen, für die im föderalen Regelungsgeflecht Lösungen gefunden werden müssen.

Offene Besteuerung: Verkehrssteuern auf Staatsebene

Nehmen wir Kalifornien als Beispiel: Die zur Wahl stehende Gesetzesinitiative (Proposition 64) sah neben der Entkriminalisierung von Marihuana-Produkten auch Regelungen zu deren künftiger Besteuerung vor. Mit dem Gesetzespaket verbunden war die Einführung von zwei neuen Verkehrssteuern: Eine cultivation tax besteuert den Cannabis-Anbau pro Pfund Marihuana-Blüten mit einer Abgabe 9,25 $, sowie pro Pfund Marihuana-Blättern mit einem Betrag von 2,75 $. Eine weitere retail tax besteuert den Verkauf an den Endkunden mit 15% auf den Kaufpreis.

Durch diese gesonderten Verkehrs- bzw. Verbrauchsteuern erhoffen sich die Staaten nennenswerte Mehreinnahmen. Den fiskalischen Erfolg macht der Bundesstaat Colorado vor. Dort ist Marihuana seit 2012 legal, seit 2014 ist der regulierte Verkauf erlaubt. Im Fiskaljahr 2016 bescherte das nach Angaben des Finanzministeriums Colorado Einnahmen in Höhe von etwa 200 Millionen $.

Versteckte Besteuerung: Abzugsverbot für Betriebsausgaben (§ 280E I.R.C.)

Das Besteuerungssystem wäre einer steuerjuristischen Erwähnung kaum wert, solange nur eindimensional das Regelungsgefüge eines Staates betroffen ist. Rechtssystematisch interessant wird es jedoch, wenn man die Dimension des Bundes(steuer)rechts hinzunimmt: Es dürfte zunächst nicht überraschen, dass – ebenso wie in Deutschland – auch im föderalen System der USA eine Gesetzesänderung auf Staatenebene die Rechtslage auf der (normenhierarchisch höher stehenden) Bundesebene unberührt lässt. Auf Bundesebene ist Marihuana jedoch seit jeher in die höchste Betäubungsmittelklasse eingeordnet (auf einer Ebene mit Heroin, aufgelistet in Schedule I des Controlled Substances Act). Die Legalisierung in einigen Bundesstaaten ändert am bundesrechtlichen Verbot der Substanz nichts.

Interessanterweise kollidieren diese gegenläufigen strafrechtlichen Regelungen im Einkommensteuerrecht. Das Einkommensteuerrecht ist ausschließlich als Bundesrecht geregelt. Es steht folglich in der Normenhierarchie über dem Recht der Einzelstaaten.

Die Einkommensbesteuerung sieht – im Grundsatz ebenso wie das deutsche EStG – einen Betriebsausgabenabzug für alle Aufwendungen vor, die durch eine betriebliche Tätigkeit veranlasst sind (ordinary and necessary busines expenses). Die betrieblich veranlassten Ausgaben eines Händlers, etwa für Wareneinkauf oder Anmietung eines Ladens, wären grundsätzlich ohne weiteres von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehbar.

Von diesem Grundsatz macht § 280E des Internal Revenue Code (I.R.C.) eine Ausnahme: Nach dieser Regelung ist ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen für Aufwendungen eines Betriebs, soweit der Betrieb im Handel oder Vertrieb von Betäubungsmitteln besteht, die in Schedule I oder Schedule II des Controlled Substances Act aufgelistet sind. Mit dem Verweis auf ein anderes Bundesgesetz wird an die Legalität auf Bundesebene angeknüpft. Folge ist, dass der Handel mit Marihuana-Produkten für Zwecke der US-Einkommensteuer weiterhin als illegal anzusehen ist. Ein Betriebsausgabenabzug für mit dem Verkauf zusammenhängende Kosten scheidet damit aus. Die Finanzgerichte haben diesbezüglich entschieden, dass es hierfür keinen Unterschied macht, ob es sich um den Verkauf von recreational marijuana oder medical marijuana handelt.

Rechtsvergleichend ist an dieser Stelle ein Hinweis auf die Reichweite der Wertneutralität des deutschen Steuerrechts angezeigt. Grundsätzlich ist es nach § 40 AO für die deutsche Besteuerung unerheblich, ob ein steuerlich relevantes Verhalten gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Zugleich sieht aber auch § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG ein Abzugsverbot für die Zuwendung von Vorteilen vor, wenn darin eine strafbare oder bußgeldbewährte Handlung liegt.

Reichweite des § 280E I.R.C. und praktische Folgen

Die steuerlichen Folgen des § 280E I.R.C sind ernüchternd für die Renditeerwartungen so manchen Unternehmens. Neben Einzelhändlern zögern, dem Vernehmen nach, auch multinationale Tabakkonzerne im Hinblick auf das steuerliche Abzugsverbot mit Investitionen. Das gilt zumal deshalb, da Reichweite und Grenzen des Abzugsverbotes von den Finanzgerichten noch nicht abschließend herausgearbeitet sind. Während erste Entscheidungen der Auslegung langsam Konturen geben, verbleiben Zweifelsfragen.

§ 280E I.R.C. verbietet den Betriebsausgabenabzug nur für den Teilbetrieb, auf den der Marihuana-Handel entfällt. Betreibt der Steuerpflichtige daneben ein sonstiges Geschäft, etwa den Handel mit Tabakprodukten, bleiben die darauf zu allokierenden Kosten abzugsfähig. Es kommt nicht zu einer Infektion durch das Abzugsverbot auf sämtliche Betriebsausgaben. Rechtsunsicherheit und Gestaltungsspielraum verbleibt hier freilich bei der richtigen Allokation der Kosten auf verschiedene Teilbetriebe.

Etwas Erleichterung kommt von der Finanzverwaltung: Nach einer informellen, nicht bindenden Stellungnahme des Internal Revenue Service bleiben konkrete Umsatzkosten gehandelter Waren abziehbar (costs of goods sold bzw. cost of sales), lediglich allgemeine Betriebsausgaben, die sich nicht konkret zuordnen lassen, fielen weiterhin unter § 280E I.R.C. Die Abgrenzung zwischen zuordenbaren costs of goods sold und allgemeinen Betriebsausgaben lässt gewissen Allokationsspielraum, der dem Geschäft von Steuerberatern und Buchhaltern zuträglich sein dürfte, einem mit der Marihuana-Legalisierung eigentlich angestrebten rechtssicheren regulierten Handel jedoch einstweilen noch Steine in den Weg legt.

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