Die Investmentsteuerreform wirft ihre Schatten voraus: Am 01.01.2018 wird sie in Kraft treten. Man kann sie mit Fug und Recht als die tiefgreifendste Reform der Investmentbesteuerung seit langem bezeichnen. Führt sie doch ein vollkommen neues Besteuerungssystem für Investmentfonds und ihre Anleger ein.
Die Finanzverwaltung war mit dem bisherigen Investmentsteuerrecht schon seit langem unzufrieden. Zu kompliziert sei es, zu missbrauchsanfällig. Und auch europarechtlich bestanden Bedenken. Es sollte deshalb ein neues, einfacheres – und damit auch weniger missbrauchsanfälliges – und nicht zuletzt auch europarechtskonformes Investmentsteuerrecht geschaffen werden.
Ob dies gelungen ist, muss die Zukunft zeigen. Zwar ist das Gesetz selbst vom Druckumfang her in der Tat etwas kürzer geworden. Die vielfach pauschalierenden Regelungen gerade auch für die Publikumsfonds wirken auf den ersten Blick einfacher als das bisherige, recht komplexe System der eingeschränkten Transparenz.
Die Finanzverwaltung hat mittlerweile zwei Entwürfe für ein BMF-Schreiben zur Konsultation an die Verbände der Investmentwirtschaft verschickt. Ferner gab es am 14.06.2017 ein erstes offizielles Verbändeanschreiben des BMF zu wichtigen Fragen des neuen Rechts, mit dem einige Punkte aus den genannten Entwürfen „vorgezogen“ wurden. Obwohl insbesondere die Entwürfe des BMF nur einen relativ kleinen Ausschnitt des neuen Rechts behandeln, umfassen sie mittlerweile schon über 100 Druckseiten.
Ganz so einfach wird es also wohl nicht werden, und zwar nicht nur für die derzeit primär im Fokus stehenden großen offenen Publikumsfonds, sondern erst recht für Investmentfonds, die sich an institutionelle Anleger wenden und eher in alternative Anlagen investieren. Diese Fonds können häufig aufgrund ihrer Anlagestrategie nicht sämtliche Voraussetzungen für einen Spezialfonds nach neuem Recht erfüllen und unterliegen daher den gleichen Regeln wie Publikumsfonds. Gerade hier liegt aber noch einiges im Argen.
Das neue Recht sieht u.a. Teilfreistellungen für Anleger bestimmter Fondstypen vor. Das bedeutet, dass die Einkünfte, die Anleger aus diesen Fonds erzielen zu einem bestimmten Prozentsatz steuerfrei gestellt werden. Von Interesse ist dabei vor allem die Teilfreistellung für sog. Aktien- und Mischfonds, die bis zu 80% betragen kann. Voraussetzung ist, dass der betreffende Fonds in sog. Kapitalbeteiligungen investiert.
Kapitalbeteiligungen sind neben klassischen börsennotierten Aktien auch nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn diese Kapitalgesellschaften in ihrem Ansässigkeitsstaat einer Ertragsbesteuerung unterliegen (in Staaten außerhalb der EU und des EWR muss diese mindestens 15% betragen), ohne von dieser befreit zu sein.
Nun investieren Fonds gerade im Bereich der alternativen Anlagen häufig nicht unmittelbar in derartige Kapitalbeteiligungen, sondern mittelbar über weitere geschlossene (Ziel-)Fonds, die ihrerseits die Rechtsform von in- oder ausländischen Personengesellschaften haben. Während der erste Entwurf des BMF-Schreibens hier noch – dem Grundsatz der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft folgend – eine Durchschau gestattete, sollen nunmehr mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Kapitalbeteiligungen nicht mehr berücksichtigt werden. Für die genannten Fonds dürfte es damit nahezu unmöglich werden, die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung zu erfüllen. Die Erträge aus derartigen Fonds wären somit voll steuerpflichtig.
Ein weiteres Problem stellen Kapitalrückzahlungen dar. Der Gesetzgeber hat sich im Zuge der Investmentsteuerreform bewusst dafür entschieden, sämtliche Ausschüttungen eines Investmentfonds, also ggf. auch Kapitalrückzahlungen, als steuerpflichtigen Investmentertrag zu behandeln. Man sah Schwierigkeiten, im Massenverfahren Kapitalrückzahlungen sachgerecht von „echten“ Gewinnausschüttungen abzugrenzen.
In diesem Zusammenhang ist übrigens auf etwas durchaus denkwürdiges hinzuweisen: Der Gesetzgeber selbst hat in diesem Zusammenhang eine Gestaltungsempfehlung abgegeben. Wenn und soweit während der Laufzeit des Investmentfonds Kapital steuerneutral zurückgeführt werden soll, so soll dies im Wege der Anteilsrücknahme und nicht im Wege der Ausschüttung erfolgen. Bei der Anteilsrücknahme müssen Anleger eines Investmentfonds nicht den gesamten Rücknahmepreis, sondern nur die Differenz zwischen dem Rücknahmepreis und ihren Anschaffungskosten versteuern. Damit sind im Ergebnis steuerneutrale Kapitalrückzahlungen möglich.
Die gesetzgeberische „Empfehlung“ setzt aber voraus, dass derartige Anteilsrücknahmen überhaupt möglich sind. In den meisten Ländern, insbesondere auch in wichtigen Fondsjurisdiktionen wie Luxemburg oder Irland, sind Fonds typischerweise in der Lage Anteile ihrer Anleger zurückzunehmen. In anderen Ländern kann es hingegen durchaus denkbar sein, dass derartige Anteilsrücknahmen nach dem lokalen Recht nicht möglich sind. In diesen Fällen läuft die gesetzgeberische „Empfehlung“ ins Leere. Ferner kann es auch denkbar sein, dass ein Fonds, der zwar Anteile zurücknehmen könnte, dies aufgrund seiner Anlagebedingungen nicht darf. Es ist nicht gesichert, dass deutsche Anleger, die in einen derartigen Fonds investieren wollen, durchsetzen können, dass die Anlagebedingungen dahingehend geändert werden, dass Anteilsrücknahmen vorgenommen werden.
Insgesamt zeigt sich, dass das neue Investmentsteuerrecht durchaus Chancen bietet, den Fondsstandort Deutschland auch steuerlich attraktiv zu machen. Weniger schön ist allerdings, wenn diese Chancen wie bei den Teilfreistellungen durch eine restriktive Praxis zunichte gemacht werden. Wenn es den politisch Verantwortlichen mit ihrem Bekenntnis zur Stärkung des Fondsstandorts wirklich ernst ist, müssen sie auch für vernünftige steuerliche Rahmenbedingungen sorgen. Das reformierte Investmentsteuergesetz bietet durchaus Ansatzpunkte für derartige Rahmenbedingungen. Es müssen nun nur noch diese Verantwortlichen, namentlich auch die Finanzverwaltung, dafür sorgen, dass das neue Investmentsteuerrecht eine Erfolgsgeschichte wird.