Der vom Unternehmer im Rahmen der lebzeitigen Übertragung seines Unternehmens oder von Anteilen am Unternehmen auf den Nachfolger vorbehaltene Nießbrauch erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit. Einerseits kann der Unternehmer durch den Nießbrauch – bei entsprechend umsichtiger Vertragsgestaltung – eine erbschaftsteuergünstige Übertragung vornehmen und andererseits weiterhin dauerhaft an den Erträgen des übertragenen Unternehmens teilhaben sowie Einfluss auf die laufende Geschäftsführung des Unternehmens nehmen. Nach der BFH-Rechtsprechung ist der vom Unternehmer vorbehaltene Nießbrauch auch nicht als Gegenleistung im ertragsteuerlichen Sinne für die Übertragung anzusehen, so dass jedenfalls insoweit keine Realisierung stiller Reserven droht (BFH vom 24.04.1991 – XI R 5/83, DB 1991 S. 1860, ständige Rechtsprechung). Nach einem neuen Urteil des BFH (BFH vom 25.01.2017 – X R 59/14, DB 2017 S. 1813) birgt der Vorbehalt eines Nießbrauchs bei der Unternehmensübergabe an die nächste Generation gleichwohl das nicht unerhebliche Risiko, dass die steuerneutrale Buchwertfortführung dabei versagt wird. Einkommensteuerlich würde die Übertragung dann beim Übertragenden wie ein Verkauf des Unternehmens zum Verkehrswert behandelt, freilich ohne dass der Übertragende einen korrespondierenden Mittelzufluss hat.
Buchwertansatz nur bei Übergang des geschäftlichen Organismus wirtschaftlicher Einheiten
Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder eines Anteils eines Mitunternehmers an einem Betrieb grds. die Buchwerte vom Betriebsübernehmer fortzuführen, so dass beim Übertragenden kein Betriebsaufgabegewinn entsteht (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG). Hierdurch soll die wirtschaftliche Einheit „Betrieb“ bei unentgeltlichen Übertragungen erhalten bleiben. Der BFH versteht diese Regelung allerdings so, dass für den Buchwertansatz das wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen einschließlich solcher des Sonderbetriebsvermögens in einem einheitlichen Vorgang unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Nachfolger übertragen werden muss (BFH vom 25.01.2017 – X R 59/14, DB 2017 S. 1813, m.w.N.). Ertragsteuerlich begünstigt ist somit nur der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit auf den Nachfolger, nicht dagegen eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, welche ertragsteuerlich als Entnahme zu qualifizieren ist.
Urteil des BFH vom 25.01.2017 – X R 59/14
Mit Urteil vom 25.01.2017 hat der BFH entschieden, dass die Übertragung eines Einzelunternehmens unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der dem Übertragenden die Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit erlaubt, der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG entgegensteht. Der Buchwertansatz ist hiernach nur anwendbar, wenn der Nachfolger im Zuge der Betriebsübergabe in die Lage versetzt wird, die gewerbliche Tätigkeit ohne weiteres fortzusetzen (tätigkeitsbezogener Betriebsbegriff). Der Nießbrauch des Übergebers hindere den Übergang der wirtschaftlichen Einheit „Betrieb“ auf den Nachfolger. Steuerneutral sei die Betriebsübergabe demnach nur möglich, wenn der Betriebsübergeber mit der Betriebsübergabe an den Nachfolger seine eigene gewerbliche Tätigkeit in dem Betrieb einstellt. Die Übertragung eines Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt ist nach diesen Grundsätzen ertragsteuerlich als Entnahme zu werten, mit der Folge, dass die stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern realisiert werden. Da der Übergeber die gewerbliche Tätigkeit aufgrund seines Nießbrauchs weiterführt, entsteht ihm grds. auch kein tarifbegünstigter Aufgabegewinn i.S.v. §§ 16, 34 EStG, sondern er erzielt einen laufenden gewerblichen Gewinn.
Folgen bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Nießbrauchsvorbehalt?
Im Wirtschaftsleben kommt häufig die Übertragung von Kommanditbeteiligungen unter Vorbehalt eines Nießbrauchs zugunsten des übertragenden Gesellschafters vor. Nach dem Urteil des BFH vom 25.01.2017 stellt sich auch in solchen Fällen die Frage, ob der Nießbrauch den steuerneutralen Übergang der Beteiligung hindert. Fest steht jedenfalls, dass der Anteilserwerber im Zuge der Übertragung selbst Mitunternehmer der Gesellschaft werden muss, da andernfalls der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 EStG gar nicht eröffnet wäre. Auch aus einem weiteren Grund sollten dem Übernehmer – trotz des Nießbrauchs – für die Mitunternehmerstellung hinreichende Vermögens- und Verwaltungsrechte am Unternehmen zukommen: Nur wenn der Erwerber ertragsteuerlicher Mitunternehmer der Gesellschaft wird, kann er die schenkungsteuerlichen Vergünstigungen für Unternehmensvermögen in Anspruch nehmen (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Anders als bei der Übertragung eines Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt ist jedoch nicht zu fordern, dass der Übertragende als Mitunternehmer des Unternehmens ganz ausscheidet (Stimmrechte in lfd. Angelegenheiten werden regelmäßig vereinbart); denn zum einen ist es der Mitunternehmerschaft kraft Definition immanent, dass mehrere Personen gemeinschaftlich Einkünfte erzielen. Zum anderen hat der Anteilserwerber aufgrund der ihm zustehenden Stimmrechte in sog. Grundlagengeschäften im Rahmen seiner erhaltenen Mitunternehmerstellung die Möglichkeit, hinreichenden Einfluss auf die Einkünfteerzielung zu nehmen und von den Erträgen zu partizipieren; trotz des Nießbrauchs ist daher die wirtschaftliche Einheit „Mitunternehmeranteil“ übergegangen (vgl. FG Münster vom 24.06.2014 – 3 K 3886/12 F; die hiergegen unter IV R 38/14 vor dem BFH geführte Revision des Finanzamts wurde zwischenzeitlich zurückgenommen). Mangels höchstrichterlicher Bestätigung dieser Auffassung ist allerdings auch bei der Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen unter Nießbrauchsvorbehalt Vorsicht geboten.
Fazit und alternative Gestaltungsoptionen
Die Übertragung von Einzelunternehmen unter Vorbehalt eines Nießbrauchs ist also grundsätzlich nicht mehr möglich, ohne Ertragsteuern beim Übergeber auszulösen. Als alternative Gestaltungsoptionen kommen folgende Erwägungen in Betracht:
- In seinem Urteil vom 25.01.2017 hat der BFH darauf hingewiesen, dass die sog. Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – eine Betriebsübergabe gegen Zahlung laufender Renten vom Nachfolger an den Übergeber – anders als der Nießbrauch den Buchwertansatz nicht gefährdet, da bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen der Übergeber die gewerbliche Tätigkeit einstellt. Eine steuerneutrale Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist allerdings nur innerhalb enger Grenzen möglich (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG).
- Darüber hinaus ist zu erwägen, ob der Vorbehalt eines Ertragsnießbrauchs bei der Betriebsübergabe die vom BFH in seinem Urteil vom 25.01.2017 aufgeworfenen Schwierigkeiten vermeidet. Beim Ertragsnießbrauch stehen dem Nießbraucher nur die laufenden Erträge des Unternehmens zu, er hat aber keinen Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit, die allein vom Nachfolger geführt wird. Zivilrechtlich handelt es sich dabei streng genommen nicht um einen Nießbrauch, der BFH spricht deshalb von einer bloßen Vorausabtretung künftiger Gewinnansprüche des Erwerbers (BFH vom 13.05.1976 – IV R 83/75, RS0743333). Die Einkommensteuer auf alle Gewinne trifft somit allein den Erwerber, weshalb der Ertragsnießbrauch als Netto-Nießbrauch zu vereinbaren ist. Demnach sollte der Vorbehalt eines Ertragsnießbrauchs möglich sein, ohne den Buchwertansatz nach § 6 Abs. 3 EStG zu gefährden. Auch insoweit besteht allerdings ein Risiko der Realisierung, da der BFH in seinem Urteil vom 25.01.2017 den Ertragsnießbrauch nicht ausdrücklich als unschädlich anerkannt hat.
- Bei der Betriebsübergabe eines Einzelunternehmens wie im Entscheidungsfall wäre schließlich als Alternative zum Nießbrauch zu erwägen, ob nicht der Nachfolger als Mitunternehmer steuerneutral in das bisherige Einzelunternehmen aufgenommen werden kann. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte der Übergeber dann ebenfalls steuerneutral aus der Mitunternehmerschaft – unter Aufrechterhaltung derselben – ausscheiden.