Gewerbesteuerliche Unternehmensidentität im Fall der Betriebseinbringung durch eine Kapitalgesellschaft

RA Delia Maria Palenker, Associate bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Das gewerbesteuerliche Schicksal vortragsfähiger Gewerbeverluste ist seit Längerem für die Konstellation umstritten, dass eine Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb in eine gewerbliche Personengesellschaft einbringt. Anfang des Jahres hat sich mit dem FG Baden-Württemberg erstmals auch die Rechtsprechung zu der Kontroverse geäußert (Urteil vom 30.01.2017 – 10 K 3703/14, EFG 2017 S. 1604 ff.). Die aktuell gegen die Entscheidung beim BFH anhängige Revision (I R 35/17) verspricht in absehbarer Zeit höchstrichterliche Klärung für den Rechtsanwender.

 

Verlustabzug nach § 10a GewStG?

Dreh- und Angelpunkt der praxisrelevanten Frage ist § 10a GewStG. Die Vorschrift ermöglicht den abschnittsübergreifenden Verlustabzug, indem der maßgebliche Gewerbeertrag eines Erhebungszeitraums um die Gewerbeverluste aus vorangegangenen Perioden (bis zu einem bestimmten Höchstbetrag, sog. Mindestbesteuerung) zu kürzen ist, soweit letztere nicht bereits abgezogen wurden. Ein Steuerpflichtiger, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, muss nach ständiger Rechtsprechung die Verluste allerdings zuvor in eigener Person erlitten haben – namentlich sowohl im Zeitpunkt der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein (sog. Unternehmeridentität). Aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer wird als weiteres Kriterium die sog. Unternehmensidentität abgeleitet. Sie verlangt die Identität des im Anrechnungsjahr bestehenden Gewerbebetriebs mit dem Gewerbebetrieb des Verlustentstehungsjahrs, da eine Verlustberücksichtigung zwischen verschiedenen Gewerbebetrieben bzw. Steuerobjekten ausscheidet. Wird ein Betrieb in eine Personengesellschaft eingebracht, muss dieser nach einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung daher tatsächlich fortgeführt werden. Wichtige Fortführungsparameter sind insoweit die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens.

In Bezug auf die geforderte Unternehmensidentität werden unterschiedliche Anforderungen an Kapital- und Personengesellschaften gestellt. Unter Hinweis darauf, dass Kapitalgesellschaften – anders als Personengesellschaften – schon kraft Rechtsform sachlich gewerbesteuerpflichtig sind und ihre Tätigkeiten stets und in vollem Umfang als (ein) Gewerbebetrieb qualifizieren, hat diese Voraussetzung für den Fortbestand des Gewerbeverlusts grundsätzlich keine Bedeutung.

Beteiligt sich eine Kapitalgesellschaft indes an einer gewerblich tätigen bzw. gewerblich geprägten Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) und bringt sie ihren Betrieb mitsamt der entstandenen vortragsfähigen Gewerbeverluste in diese ein, ist fraglich, ob die Kapitalgesellschaft in ihrer neuen Eigenschaft als bloße Mitunternehmerin die (ihr unverändert zuzurechnenden) Verluste nach den Kriterien des § 10a GewStG mit einem positiven Gewerbeertrag der Personengesellschaft verrechnen kann. Auch im nachfolgend skizzierten Sachverhalt ist in diesem Zusammenhang insbesondere streitig, ob die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs aus Sicht der einbringenden Kapital- oder vielmehr aus der Warte der übernehmenden Personengesellschaft zu prüfen sind.

Ausgangslage: Ausgliederung eines Geschäftsbetriebs auf Personengesellschaft

Die Klägerin, eine vormals u.a. auf dem Gebiet der Hard- und Software-Entwicklung sowie dem Vertrieb von Produkten im Bereich Netzwerksicherheit tätige Aktiengesellschaft (W-AG), gliederte im Jahr 2009 ihr gesamtes operatives Geschäft auf eine von ihr zu 100 % gehaltene GmbH & Co. KG (W-KG) aus. Von der Ausgliederung zu Buchwerten waren mit Ausnahme einiger zurückbehaltener Beteiligungen alle Aktiva und Passiva erfasst. Die W-AG fungierte in der Folge als reine Holdinggesellschaft, während die W-KG den ihr übertragenen Betrieb unverändert fortführte. Die in die Klägerin formgewechselte W-AG machte sodann die Berücksichtigung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags der W-AG bei der W-KG geltend.

Auffassung der Finanzverwaltung: Aus Sicht der Kapitalgesellschaft kein Verlustübergang

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Gewerbeverlust infolge der Einbringung nicht auf die W-KG übergegangen und folglich nicht mit dem positiven Gewerbeertrag der Gesellschaft zu verrechnen war. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der W-AG sei kraft Rechtsform ungeachtet dessen bestehen geblieben, dass sich ihre Tätigkeit durch den Betriebsübergang fortan auf das Halten des Mitunternehmeranteils an der W-KG beschränkt habe. Der Gewerbeverlust könne daher auf Ebene der Kapitalgesellschaft weiter vorgetragen und – zumindest dem Grunde nach – mit positiven Gewerbeerträgen aus künftiger Tätigkeit verrechnet werden.

Diese Argumentation entspricht der seit dem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2012 vertretenen Position der Finanzverwaltung, die von weiten Teilen des Schrifttums kritisiert worden ist. Danach soll ein Übergang des Gewerbeverlustes auf Personengesellschaften rückwirkend ab dem Erhebungszeitraum 2009 nicht mehr in Betracht kommen.

FG bejaht Vorrang des gewerbesteuerlichen Verlustabzugskonzepts der Personengesellschaft

Anders als die Finanzverwaltung sieht das FG die Voraussetzungen für einen Verlustübergang auf die W-KG als erfüllt an. Das Merkmal der Unternehmensidentität bleibe bei der Betriebseinbringung in eine Personengesellschaft auch dann von Bedeutung, wenn Einbringender eine Kapitalgesellschaft sei. Der Rückschluss von der Gewerblichkeitsfiktion bei Kapitalgesellschaften darauf, dass die Unternehmensidentität grundsätzlich bedeutungslos sei, lasse die Ebene der aufnehmenden Personengesellschaft außer Acht, bei der sich die Frage der Verlustübernahme ja gerade stelle. Auf die Personengesellschaft fänden die allgemeinen Grundsätze zur Unternehmensidentität Anwendung. Danach sei für die Personengesellschaft nicht entscheidend, dass auf Ebene der Kapitalgesellschaft weiterhin ein Gewerbebetrieb angenommen werde, der von dem eingebrachten völlig verschieden sei. Würde man stattdessen auf die Sicht der Kapitalgesellschaft abstellen, dürfte auch im umgekehrten Fall der Einbringung eines Betriebs einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft – entgegen bisheriger Rechtsprechung – eine Fortsetzung des übergehenden Geschäftsbetriebs nicht geprüft werden. Schließlich verweist das Gericht auf die Gesetzesgenese zu § 10a Satz 10 Hs. 2 GewStG.

Da die Unternehmensidentität nach den wesentlichen Merkmalen der Tätigkeit vor und nach Einbringung erhalten geblieben und auch die Unternehmeridentität unproblematisch gegeben war, konnte der Fehlbetrag mit 100 % des der W-AG zustehenden Gewinns der W-KG verrechnet werden.

Fazit

Das Urteil des FG überzeugt. Der Übergang vortragsfähiger Verluste sollte sich maßgeblich nach dem von der übernehmenden Personengesellschaft tatsächlich fortgeführten Geschäftsbetrieb und nicht nach einem zurückbleibenden fiktiven Gewerbebetrieb der Kapitalgesellschaft richten. Dies entspricht der Rechtslage bei Betriebseinbringungen durch einen Einzelunternehmer. Eine solche Auslegung vermeidet Friktionen mit dem Umwandlungssteuerrecht, das für die Einbringung in eine Personengesellschaft den Abzug von vortragsfähigen Fehlbeträgen bei dieser gerade nicht untersagt. Eine Verlustverrechnung auf Ebene der Kapitalgesellschaft, wie sie von der Finanzverwaltung vertreten wird, erscheint mit Blick auf die Kürzung des Gewerbeertrags um Gewinnanteile aus der Mitunternehmerschaft problematisch (vgl. § 9 Nr. 2 GewStG; so bereits Schober, EFG 2017 S. 1605) und dürfte ins Leere gehen, wenn die Holdinggesellschaft keine Einkünfte außerhalb ihrer Mitunternehmerstellung generiert. Bis zu einer Entscheidung durch den BFH sollten daher entsprechende Verfahren offen gehalten werden.

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