Wenn eine ausländische Körperschaft inländische Kapitalgesellschaftsanteile veräußert, wird der Veräußerungsgewinn in vielen Fällen infolge eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Besteuerung im Quellenstaat Deutschland ausgenommen. Der BFH hat mit einem am 25.10.2017 veröffentlichten Urteil vom 31.05.2017 (I R 37/15, RS1252965) entgegen weitverbreiteter Beratungspraxis, Handhabung durch die Finanzverwaltung und dem erstinstanzlichen Urteil (FG Hessen vom 28.04.2015 – 4 K 1366/14) entschieden, dass eine inländische Besteuerung des Veräußerungsgewinns im Inbound-Fall auch ungeachtet einer abkommensrechtlichen Freistellung ausscheidet.
Urteil des BFH
Im Streitjahr 2006 erzielte eine auf den Bermudas ansässige Kapitalgesellschaft einen mittelbaren Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer knapp 11%-igen Beteiligung an einer inländischen AG. Zwar bemängelte der BFH, dass die Vorinstanz keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob die veräußernde Bermuda Limited Partnership nach einem Rechtstypenvergleich wirklich als transparent einzustufen ist. Dies sei jedoch unerheblich, da eine Besteuerung ohnehin ausgeschlossen ist. Der Veräußerungsgewinn sei nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG in voller Höhe steuerbefreit, eine Besteuerung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG scheide mangels Rechtsgrundlage aus.
Die Fiktion pauschalierter Betriebsausgaben laufe ins Leere, da keine inländischen Einkünfte erzielt würden, bei deren Ermittlung Betriebsausgaben berücksichtigt werden könnten. Die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger erfasse ausschließlich die in § 49 EStG abschließend aufgeführten Einkunftsquellen. Der Veräußerungsgewinn sei definiert als Saldobetrag zwischen einerseits Veräußerungspreis und andererseits Anschaffungs- und Veräußerungskosten, ohne dass ein Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) oder eine Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) durchzuführen wären. Veräußerungskosten wirkten sich aufgrund der Freistellung ohnehin nicht aus – etwaiger weiterer betrieblicher Aufwand unterläge mangels inländischen Anknüpfungspunkts nicht der deutschen Besteuerung. Schließlich greife keine wirtschaftliche Betrachtung in Form einer effektiv nur 95%-igen Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns; auf Basis des Wortlauts der Norm bleibe es vielmehr bei der 100%-igen Steuerbefreiung und Qualifizierung der Nichtabzugsgröße als nicht abziehbare Betriebsausgaben.
Praxiseffekte
Das Urteil ist sachgerecht und der Urteilsbegründung ist vollumfänglich zuzustimmen. Es ist uneingeschränkt auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen. Relevanz entfaltet das Judikat zum einen dann, wenn mit dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers kein DBA abgeschlossen wurde (Nicht-DBA-Fälle) wie bspw. im Urteilsfall mit den Bermudainseln. Bislang drohte hier eine effektiv ca. 0,8%-ige Besteuerung des Veräußerungsgewinns; eine Gewerbesteuerbelastung schied mangels inländischer Betriebsstätte im Regelfall aus.
Zum anderen ist das Urteil auch von Bedeutung, wenn zwar ein DBA in Kraft ist (DBA-Fälle), abkommensrechtlich jedoch das Besteuerungsrecht des Quellenstaats, mithin von Deutschland, nicht ausgeschlossen wird. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein. So setzt etwa die Anwendbarkeit bestimmter DBA dem Grunde nach voraus, dass die jeweiligen Schranken für Abkommensvergünstigungen überwunden werden (vgl. etwa die Limitation on Benefits-Tests in Art. 28 DBA-USA); künftig könnte das Multilaterale Instrument entsprechend die Nutzung von Abkommensvorteilen untersagen (Stichwort „Principal Purpose Test“). Ein weiteres Beispiel sind sog. real estate rich entities, deren Vermögen überwiegend aus in Deutschland belegenem Grundbesitz besteht (siehe etwa die Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Quellenstaat nach Art. 13 Abs. 2 DBA-Niederlande mit Abstellen auf einen Grundbesitzwert i.H.v. 75%).
Folglich sollten ausländische Körperschaften, die über i.S.d. § 17 EStG relevanten Beteiligungsbesitz verfügen, von einer auch effektiv vollumfänglichen Steuerbefreiung ihrer Veräußerungsgewinne profitieren können. Betroffene Investoren sollten prüfen, für welche bereits vollzogenen Veräußerungen noch auf eine Änderung der entsprechenden Körperschaftsteuer-Bescheide hinzuwirken ist. Insbesondere für künftig geplante Veräußerungen ist zu berücksichtigen, dass es gegenwärtig unklar ist, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird und ob gesetzgeberische Änderungen drohen. Im Rahmen der diesbezüglichen Diskussionen ist zu hoffen, dass die Funktion des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG als integraler Bestandteil des Teileinkünfteverfahrens zur Verhinderung von Kaskadeneffekten nicht völlig außer Acht gelassen wird. Die generelle Abschaffung der Schachtelstrafe gemäß § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG für Dividenden und nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG für Veräußerungsgewinne würde den Standort Deutschland im weltweiten Steuerwettbewerb ganz erheblich stärken.