Auch nach 10 Jahren keine Unternehmenssteuerreform für Deutschland

StB Solveig Wickinger, Partnerin bei der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Crowe Horwath Trinavis. Sie berät regelmäßig Mandanten aus der Immobilien- und Energiewirtschaft in allen Fragen des Steuerrechts.

Über vier Monate nach der Bundestagswahl und vier Wochen nach den Sondierungsgesprächen haben sich CDU/CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Der vorliegende Entwurf (Stand: 07.02.2018) enthält auch einige Passagen mit konkreten Hinweisen auf steuerliche Entlastungen und Förderungen für Bürger und Unternehmen. Vieles bleibt jedoch abstrakt und wird in wagen Prüfaufträgen dargestellt. Eine grundlegende Unternehmenssteuerreform zur Förderung der deutschen Wirtschaft ist leider nicht zu erwarten.

 

 

Allgemeine steuerliche Vorhaben auf internationaler und nationaler Ebene

Unter dem Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa“ wird gleich im ersten Kapitel des Koalitionsvertrags die Bekämpfung von Steuerdumping, Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Steuervermeidung, unfairem Steuerwettbewerb und Geldwäsche auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene genannt. Ergänzt wird das Ziel durch den Willen zur Schließung von Steuerschlupflöchern und Steueroasen. International sollen eine gerechte Besteuerung großer Internetkonzerne erreicht und der Umsatzsteuerbetrug beim Handel mit Waren im Internet bekämpft werden. Neben dem Festhalten an dem Ziel der Einführung einer Finanztransaktionssteuer im europäischen Kontext sollen im Rahmen einer deutsch-französischen Initiative eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei den Unternehmenssteuern, insbesondere Mindeststeuersätze bei der Körperschaftsteuer und eine Angleichung der Bemessungsgrundlagen der jeweiligen nationalen Körperschaftsteuer verwirklicht werden. National soll dabei auf eine zeitgemäße Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung, Ergänzung von Hybridregelungen und die Anpassung der sogenannten Zinsschranke hingewirkt werden.

So nachvollziehbar die Bekämpfung von Geldwäsche auch ist, erscheint doch eine undifferenzierte Nennung im Gleichklang mit einer (legalen) Steuervermeidung nicht gerechtfertigt. Auch eine europäische Vereinheitlichung bei den Unternehmenssteuern scheint vor dem Hintergrund, dass hierzu bislang europaweit so gut wie keine konkreten Ansätze vorliegen, eher in weiter Ferne.

Förderung von Innovationen und Gründungen

Steuerliche Förderungen für die deutsche Wirtschaft sind vor allem in den Kapiteln „Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen“ und „Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen“ zu finden. Leider verlieren sich aber auch hier viele Ansätze eher in abstrakten Hinweisen und Prüfaufträgen.

Bei der Förderung von Innovationen und einer Gründungskultur soll eine steuerliche Forschungsförderung insbesondere für forschende kleine und mittlere Unternehmen, die bei den Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung ansetzt, eingeführt werden. Konkretere Ausführungen finden sich hier nicht. Ob dies tatsächlich zu einer spürbaren Forschungsförderung beiträgt, bleibt angesichts der verhältnismäßig zurückhaltenden Budgetierung dieser Förderung kritisch zu beobachten. Auch die vereinbarte Absicht zu prüfen, ob die Abschreibungstabellen zugunsten „digitaler Innovationsgüter“ zu überarbeiten sind, bleibt derart unkonkret, dass man sich fragen darf, worum es sich bei „digitalen Innovationsgütern“ handelt und, ob dies generell Unternehmen einen ausreichenden Anreiz für Investitionen in die Digitalisierung bieten wird. Zur Förderung der Gründungskultur ist vereinbart, zum einen steuerliche Anreize zur Mobilisierung von privatem Wagniskapital zu prüfen. Zum anderen wird eine „Umsatzsteuerbefreiung“ in den ersten beiden Jahren nach einer Unternehmensgründung genannt. Letzteres dürfte aber nach Ausführungen an anderer Stelle nur dahingehend zu verstehen sein, dass für Neugründungen eine Befreiung von der Abgabe monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen in den ersten zwei Jahren eingeführt werden soll. Dieses Vorhaben darf durchaus verwundern, da die Verpflichtung zur monatlichen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen in Neugründungsfällen für die ersten zwei Jahre durch das sogenannte Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz im Jahr 2002 eingeführt wurde. Nun scheint man bei unveränderter Zielstellung der Bekämpfung der Steuerverkürzung die eigens hierfür geschaffene Regelung wieder abschaffen zu wollen.

Energiewende und Mobilität

Im Zusammenhang mit der Energiewende in Deutschland ist vor allem der erneute Wille, energetische Gebäudesanierungen steuerlich fördern zu wollen, sehr zu begrüßen. Die Einführung einer solchen Förderung ist in den vergangenen Jahren bereits zweimal gescheitert, weshalb zu hoffen bleibt, dass sie es dieses Mal auch in die Umsetzung schafft. Die Förderung soll wahlweise durch Zuschussförderung oder steuerliche Förderung durch Reduzierung des zu versteuernden Einkommens erfolgen. Die Ausgestaltung als Wahlrecht ist vor dem Hintergrund unterschiedlicher steuerlicher Belastungssituationen im Einzelfall nachvollziehbar, da bei niedrigeren Einkommen eine Zuschussförderung wirtschaftlich sinnhafter sein kann. Allerdings werden sich bei einem solchen Wahlrecht komplexe Anschlussfragen stellen, beispielsweise die einer Korrekturmöglichkeit des Wahlrechts, wenn sich steuerliche Belastungssituationen im Nachhinein durch Betriebsprüfungen ändern.

Auch die lang ersehnte und in jüngster Vergangenheit leider wiederholt gescheiterte Optimierung von Mieterstromregelungen durch Beseitigung steuerlicher Hemmnisse wird erwähnt. Hier soll nun der Verlust der tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften, wenn diese selbst zum Akteur in einem Mieterstrommodell werden, vermieden werden. Dabei ist die grundsätzliche Fokussierung auf Wohnungsbaugenossenschaften allein jedoch nicht nachvollziehbar. Eine Gefährdung der Inanspruchnahme eines „tradierten“ Gewerbesteuerprivilegs existiert auch für Wohnungsbauunternehmen anderer Rechtsformen. Auch scheinen Überlegungen zur Erhaltung tradierter gewerbesteuerlicher Entlastungen zu kurz zu greifen, da Wohnungsbaugenossenschaften zudem auch ein Körperschaftsteuerprivileg genießen, welches durch die Übernahme aktiver Rollen bei Mieterstrommodellen gegenwärtig gleichermaßen gefährdet ist. Es bleibt zu hoffen, dass hier noch entsprechende Ausdehnungen erfolgen und die Fokussierung allein auf Wohnungsbaugenossenschaften nicht nur dem im Koalitionsvertrag auch genannten Ziel, Genossenschaften als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen zu stärken, geschuldet ist.

Im Zusammenhang mit der Mobilität soll für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge eine auf fünf Jahre befristete Sonderabschreibung von 50% im Jahr der Anschaffung eingeführt werden. Ferner soll der bei der pauschalen Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen geltende Ansatz von 1% des inländischen Listenpreises halbiert werden, wenn es sich um ein Elektro- bzw. Hybridfahrzeug handelt.

Förderung der Immobilienwirtschaft

In dem Kapitel „Wir starten eine Wohnraumoffensive“ finden sich mehrere steuerliche Hinweise.

Erfreulich konkret ist die Ausführung, für den freifinanzierten Wohnungsneubau steuerliche Anreize im sogenannten bezahlbaren Mietsegment durch Einführung einer bis Ende 2021 befristeten Sonderabschreibung schaffen zu wollen. Hierfür sollen zusätzlich zur linearen AfA über vier Jahre weitere 5% pro Jahr abgeschrieben werden können, d.h. in Vermietungsfällen können in den ersten vier Jahren neben der normalen linearen AfA weitere 20% der Gebäudeherstellungskosten geltend gemacht werden. Ein Rest Skepsis, ob sich die Partner im Rahmen der Umsetzung insbesondere bei der Konkretisierung der Begrifflichkeit „bezahlbares Mietsegment“ einigen werden, ist aus der Erfahrung heraus angebracht. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte die „GroKo“ einen analogen Versuch zur Wohnbauförderung per erhöhter steuerlicher Abschreibungen unternommen (§ 7b EStG – neu), der mangels Einigung scheiterte.

Vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Prüfungen soll die Mobilisierung von Wohnbauland durch steuerlich wirksame Reinvestitionsmöglichkeiten in den Mietwohnungsneubau bei Wohnbaulandgewinnung von Landwirten verbessert werden. Zudem sollen Städte und Gemeinden (wieder) eine Grundsteuer C einführen dürfen, mit der ungenutztes Bauland höher besteuert wird. Durch diese „Bestrafung“ hofft man anstelle eines spekulativen Haltens von unbebauten Grundstücken auf eine steuerlich motivierte Bereitschaft zur Bebauung. Hierzu darf kritisch angemerkt werden, dass diese dritte Grundsteuerart bereits mit entsprechender Zielsetzung Anfang der sechziger Jahren eingeführt und mangels Eintritts der erhofften Ergebnisse nach nur zweijähriger Geltungsdauer wieder abgeschafft wurde. In diesem Zusammenhang ist auch auf die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die derzeit geltenden Regelungen hinzuweisen, die sich „nur“ gegen die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer richten. Allerdings darf man vor dem Hintergrund der hierzu beim BVerfG anhängigen Verfahren ohnehin eine Reform der Grundsteuer erwarten. Womöglich gilt dieser Problematik die Aussage im Vertragsentwurf, nach der die Grundsteuer als wichtige Einnahmequelle der Kommunen gesichert werden soll.

Auch die Bildung von Wohnungseigentum durch steuerliche Förderung ist ein Ziel des Koalitionsvertrags. Ein Förderelement ist dabei die Wiedereinführung des sogenannten Baukindergeldes, das zuletzt als Kinderzulage zur Eigenheimzulage bis 2005 Geltung hatte. Das Baukindergeld soll sich auf 1.200 Euro pro Kind und Jahr über einen Zeitraum von 10 Jahren belaufen und von einer Einkommensgrenze von höchstens 75.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen pro Jahr, erhöht um 15.000 Euro pro Kind abhängig sein. Ferner wird angestrebt, beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer zu gewähren. Die hierzu angeregte Prüfung ist bereits Gegenstand laufender Prüfarbeiten einer Länder-Arbeitsgruppe. Diese wurde vor dem Hintergrund, dass gesetzlich legitimierte Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels eines sogenannten Share Deals, bei dem anstelle eines grunderwerbsteuerpflichtigen Grundstückskaufs Anteile an einer Grundstücksgesellschaft grunderwerbsteuerfrei erworben werden, als missbräuchlich erachtet werden, eingesetzt. Ein erstes Arbeitsergebnis dieser Arbeitsgruppe wird nicht vor Sommer 2018 erwartet.

Steuern und Bürokratieabbau

Erfreulich in den Ausführungen zu diesen Themen ist die Aussage, dass eine Erhöhung der Steuerbelastung nicht gewollt ist. Dies ist aber zumindest hinsichtlich der geplanten Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinserträge fraglich, da individuelle Steuersätze häufig höher als die 25%-ige Abgeltungsteuer sind. Die Abschaffung der Abgeltungsteuer soll mit der Etablierung des automatischen Informationsaustauschs einhergehen und sich nur auf Zinserträge beziehen, beispielsweise aber nicht auf Dividendenerträge. Neben dieser verfassungsrechtliche Fragen aufwerfenden Ungleichbehandlung von Kapitalerträgen dürfte die Abschaffung auch nicht mit einem Bürokratieabbau, sondern eher einem entsprechenden Aufbau verbunden sein, da nun wieder umfangreichere Erklärungspflichten auf die Bürger zukommen könnten.

Der Solidaritätszuschlag soll ab dem Jahr 2021 schrittweise abgeschafft werden, wodurch rund 90% aller Zahler entlastet werden sollen. Im ersten Jahr (2021) rechnet die Bundesregierung mit einer Entlastung von zehn Milliarden Euro. Um einen harten Schnitt mit der geplanten Freigrenze (erst kein Soli, dann volle Soli-Last) zu vermeiden, ist eine Gleitzone geplant. Diese ist noch nicht konkret ausformuliert und es bleibt zu hoffen, dass auch körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen in den Genuss der Entlastung kommen.

Die Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro pro Monat und Kind, d.h. um 300 Euro jährlich pro Kind mit entsprechender Anpassung des Kinderfreibetrags ist erfreulich. Die Zeitpunkte der Umsetzung schmälern dies jedoch, da die Erhöhung erst ab 2019 und dann auch in zwei Teilschritten erfolgen soll: die erste Erhöhung zum 01.07.2019 um 10 Euro und zum 01.01.2021 um weitere 15 Euro.

Daneben sollen ein gerechter Steuervollzug und Bürokratieabbau erfolgen. Hier werden u.a. die Vereinheitlichung von Grenz- und Schwellenwerten, die Harmonisierung z.B. von handels- und steuerrechtlichen Vorschriften, zeitnahe Betriebsprüfungen durch die Finanzbehörden und die Einführung einer vorausgefüllten Steuererklärung für alle Steuerpflichtigen bis zum Veranlagungsjahr 2021 genannt.

Kommunale Daseinsvorsorge und bürgerschaftliches Engagement

Den Kommunen wird zugesagt, dass der steuerliche Querverbund als Finanzierungsinstrument dauerhaft und gegebenenfalls durch Anpassung gesetzlicher Regelungen Bestand haben soll. Somit dürfen Kommunen weiterhin darauf vertrauen, steuerliche Ergebnisverrechnungen zwischen in der Regel verlustträchtigen kommunalen Aufgaben und gewinnträchtigen unternehmerischen Tätigkeiten vornehmen zu können. Auch das ehrenamtliche Engagement der Bürger soll steuerliche Entlastungen erfahren. Diese Absichtserklärungen zur Stärkung der Kommunen und des bürgerschaftlichen Engagements sind sehr zu begrüßen. Vor allem den Kommunen wird hier ein auch in der Zukunft belastbares Finanzierungsinstrument durch Steuerminderungsmöglichkeiten zugesichert.

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