Der BFH hat Zweifel an der Umsatzsteuerfreiheit beim Outsourcing im Bankbereich und hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Unterstützungsleistungen eines Dienstleisters für eine Bank beim Betrieb von Geldautomaten umsatzsteuerfrei sind (BFH vom 28.09.2017 – V R 6/15, DB 2018 S. 165). Der Vorlagebeschluss ist von großer Bedeutung für Banken, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Kostenoptimierung Dienstleister einschalten.
Hintergrund
Die Steuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) hat den EuGH in der Vergangenheit bereits mehrfach beschäftigt. Letzte Etappe war hier die Entscheidung Bookit (EuGH vom 26.05.2016 – Rs. C-607/14, UR 2016 S. 711). Bookit war eine Tochtergesellschaft eines Kinokettenbetreibers und wickelte die Debit- oder Kreditkartenzahlungen der Kinokunden ab. Sie erhob dabei im Wesentlichen die relevanten Zahlungsmitteldaten der Kunden. Der EuGH war hier der Auffassung, dass die Steuerbefreiung nicht greift. Denn dafür sei erforderlich, dass die Dienstleistung selbst zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation und einer Übertragung von Geldern führe (so schon grundlegend EuGH vom 05.06.1997 – Rs. C-2/95, SDC, ). Die Leistungen von Bookit hingegen bestünden im Wesentlichen aus dem „Austausch von Informationen“, was nicht mit dem eigentlichen Zahlungsverkehrsvorgang gleichzusetzen sei. Der BFH hat vor dem Hintergrund der Bookit-Entscheidung dem EuGH nun folgenden Fall vorgelegt (BFH vom 28.09.2017 – V R 6/15, DB 2018 S. 165):
Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte für Banken Leistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldausgabeautomaten. Dabei übernahm sie insbesondere folgende Aufgaben:
- Sie stellte funktionsfähige Geldausgabeautomaten mit Soft- und Hardware, die mit dem Logo der Bank versehen waren, an den vorgesehenen Standorten auf und war für den ordnungsgemäßen Betrieb der Automaten verantwortlich.
- Sie übernahm die Bargeldbefüllung der Geldausgabeautomaten mit Geldmitteln der Bank.
- Sie prüfte die Daten des den Automaten nutzenden Kunden und versandte eine Autorisierungsanfrage an den Bankverlag.
- Im Genehmigungsfall generierte sie einen Datensatz über die Geldausgabe und führte die Geldausgabe am Geldautomaten durch.
- Den Datensatz über die Geldausgabe übersandte die Klägerin an die Bank, von der sie beauftragt war.
- Die Klägerin genierte einen unveränderbaren Tagesdatenträger, der alle Transaktionen des jeweiligen Tages enthielt.
Die die Klägerin beauftragende Bank reichte den Tagesdatenträger bei der Deutschen Bundesbank ein. Die „Einspielung“ in das System der Deutschen Bundesbank erfolgte durch die Bank selbst, da nur Banken Zahlungsverkehrskonten bei der Deutschen Bundesbank unterhalten können. Durch diese Einspielung wurde der Erstattungsanspruch des Auftraggebers der Klägerin gegenüber der Bank des Automatenbenutzers rechtlich bindend festgeschrieben. Mit der Einspielung der Daten wurde zudem unmittelbar die Verrechnung über die Auszahlung zwischen den beteiligten Banken gebucht.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihre Leistungen steuerfrei sind. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL sind steuerfrei „Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr […].“ Die entsprechende nationale Regelung findet sich in § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG.
Vorlagefrage
Der BFH möchte vom EuGH nun wissen, ob „technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt“, umsatzsteuerfrei sind. Der BFH nimmt in seiner Vorlagefrage explizit auf das EuGH-Urteil Bookit Bezug. Für seine Frage möchte er berücksichtigt wissen, dass „gleichartige technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt“ nach dem EuGH-Urteil Bookit nicht steuerfrei sind.
Der BFH bezweifelt, dass die Leistungen umsatzsteuerfrei sind, weil die Klägerin die im Autorisierungscode enthaltenen Weisungen nur technisch umsetzt. Damit fehlt es an der erforderlichen Prüfung und Freigabe einzelner Aufträge. Dies aber sei Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung. Von der von Bookit ausgeübten Tätigkeit unterscheide sich die Tätigkeit der Klägerin nur hinsichtlich der Verwendung der bezogenen Leistung durch den Auftraggeber. Während bei Bookit die Leistungen im Hinblick auf den Erwerb einer Kinokarte bezogen wurden, ging es im vorliegenden Fall um Geldauszahlungen über Geldausgabeautomaten. In beiden Fällen bestünde die Leistung „im Wesentlichen aus einem Austausch von Informationen“.
Stellungnahme
Die Zweifel des BFH an der Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin sind angesichts der bisherigen EuGH- und BFH-Rechtsprechung grundsätzlich berechtigt. Maßgeblich für die Anwendung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL ist nach ständiger Auffassung des EuGH Folgendes (EuGH vom 26.05.2016 – Rs. C-607/14, Bookit, UR 2016 S. 711, Rz. 40):
„Dass die in Rede stehenden Dienstleistungen […] ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sein müssen, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Überweisung erfüllt und damit die Übertragung von Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt. Insoweit ist die steuerbefreite Dienstleistung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Erbringung einer rein materiellen oder technischen Leistung zu unterscheiden. Zu diesem Zweck ist insbesondere der Umfang der Verantwortung des Dienstleistungserbringers zu untersuchen und namentlich die Frage, ob diese Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt ist oder sich auf spezifische und wesentliche Funktionen der Umsätze erstreckt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 1997, SDC, C-2/95, EU:C:1997:278, Rn. 66, und vom 28. Juli 2011, Nordea Pankki Suomi, C-350/10, EU:C:2011:532, Rn. 24).“
Als Überweisung versteht der EuGH dabei die Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes. Dabei muss der Überweisende die Verantwortung für die Vornahme der rechtlichen und finanziellen Veränderungen übernehmen (EuGH vom 26.05.2016, a.a.O., Rz. 38, 50 m.w.N.). Der bloße Umstand, dass eine Dienstleistung für die Bewirkung des befreiten Umsatzes unerlässlich ist, führt nicht bereits zur Steuerfreiheit (EuGH vom 28.07.2011 – Rs. C-350/10, Nordea Pankki Suomi, UR 2011 S. 747, Rn. 31). Auch der BFH legt diese Kriterien bei der Anwendung von § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr zugrunde (siehe Grube, MwStR 2016 S. 536 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall wird die Geldsumme erst durch die Einspielung des Tagesdatenträgers übertragen. Erst hieraus resultieren der rechtlich bindende Erstattungsanspruch der ausgebenden Bank und die unmittelbare Verrechnung zwischen den beteiligten Banken. Die Überweisung i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL nimmt damit die die Klägerin beauftragende Bank vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für die eigentliche Übertragung der Geldsumme in irgendeiner Weise verantwortlich ist. Etwas anderes könnte allerdings gelten, wenn man in den Leistungen der Klägerin nicht einen Umsatz im Überweisungsverkehr, sondern einen Umsatz im Zahlungsverkehr sieht. Nach der EuGH-Rechtsprechung „gelten die Erwägungen zu Umsätzen im Überweisungsverkehr zwar auch für Umsätze im Zahlungsverkehr“ (EuGH vom 26.05.2016, a.a.O., Rz. 43 m.w.N.). Allerdings kann bezweifelt werden, ob sich die Aussagen zum Überweisungsverkehr vollständig auf den Zahlungsverkehr übertragen lassen. Insofern könnte der EuGH hier doch noch zur Steuerfreiheit der Leistungen kommen.
Praxisfolgen
Sollte der EuGH im vorliegenden Fall die streitgegenständlichen Leistungen tatsächlich für steuerpflichtig erklären, könnte dies für entsprechende Geldautomatenbetreiber und die auftraggebenden Banken spürbare Konsequenzen haben. Die Geldautomatentreiber müssten ihre Leistungen mit Umsatzsteuer abrechnen, die Banken könnten aus diesen Rechnungen in der Regel – mangels steuerpflichtiger Ausgangsumsätze – keine Vorsteuern geltend machen. Allerdings könnten die Leistungen der Geldautomatenbetreiber im Einzelfall dennoch unter die Steuerbefreiung fallen. Dies wäre dann der Fall, wenn der Geldautomatenbetreiber selbst Auslöser der unmittelbaren Geldbewegungen von einem Konto auf ein anderes ist und hierfür auch die Verantwortung übernimmt. Erreichen ließe sich dies durch ein vollständiges Outsourcing des Überweisungsprozesses.