Die erbschaftsteuerliche Verschonung für „Wohnungsunternehmen“ (§ 13b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG) galt zuletzt als eine der wenigen verbliebenen Gestaltungsoptionen, um auch umfangreiches Immobilienvermögen erbschaft- bzw. schenkungsteuerfrei übertragen zu können. Der BFH hat die Voraussetzungen eines verschonungsfähigen „Wohnungsunternehmens“ in einem aktuell veröffentlichten Urteil (vom 24.10.2017 – II R 44/15, RS1263200) erstmalig definiert. Die darin vertretene Sichtweise steht in offenem Widerspruch zur bisherigen Interpretation der Finanzverwaltung, aber auch zur Intention des Gesetzgebers.
Verschonung von Wohnungsunternehmen
Vermietete Grundstücke und Grundstücksteile gehören im Grundsatz zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG), welches seit der Mitte 2016 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform nicht mehr an einer erbschaftsteuerlichen Verschonung teilhaben soll (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Bereits seit der Erbschaftsteuerreform 2009 sieht das Gesetz aber eine Ausnahme für sog. „Wohnungsunternehmen“ vor. Danach ist kein Verwaltungsvermögen gegeben, wenn die überlassenen Objekte zum Betriebsvermögen einer Gesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen (i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG) besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert (jetzt: § 13b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG; zuvor § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG).
Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte die Ausnahme dann eingreifen, wenn die Überlassung von Wohnimmobilien „im Rahmen eines in kaufmännischer Weise eingerichteten, d.h. wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ erfolge. Da entsprechende „Wohnungsunternehmen“ in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsplätze zur Verfügung stellten, sei die Einbeziehung in die Verschonungsregelungen gerechtfertigt (BT-Drucks. 16/11107, S. 12).
Entsprechend dieser gesetzgeberischen Intention interpretiert die Finanzverwaltung seither die Anforderungen des gesetzlichen Ausnahmetatbestands (vgl. R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011; vgl. jetzt Abschn. 13b.17 Abs. 3 koordinierter Ländererlass vom 22.06.2017, VA1245300). Indizien für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sollten danach insbesondere das Unterhalten eines Büros, einer Buchführung und eine umfangreiche Organisationsstruktur sein sowie eine Bewerbung der Tätigkeit und ein Anbieten einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber. Das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sei regelmäßig anzunehmen, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen halte.
Sichtweise des BFH
Der BFH ist dieser Auslegung im genannten Urteil entgegen getreten. Weder komme es auf eine kaufmännische Einrichtung, noch auf die Zahl der vermieteten Wohnungen an. Der Wortlaut des Gesetzes fordere eindeutig einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO. Maßgeblich sei insoweit aber allein das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit im ertragsteuerlichen Sinne, in Abgrenzung zu einer bloß vermögensverwaltenden Tätigkeit (§ 14 Satz 3 AO). Sei eine gewerbliche Wohnungsvermietung gegeben, sei auch von der Erforderlichkeit eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S.d. Ausnahmetatbestands auszugehen.
Entsprechend der von den Ertragsteuersenaten entwickelten Abgrenzungskriterien sei die Schwelle zur Gewerblichkeit allerdings nicht bereits aufgrund eines großen Wohnungsbestands überschritten. Auch die Unterhaltung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs sei unerheblich, sofern sich die Tätigkeit ausschließlich auf die Wahrnehmung typischer Vermieterpflichten beschränke. Eine gewerbliche Tätigkeit und damit der erforderliche wirtschaftliche Geschäftsbetrieb seien erst dann gegeben, wenn eine Tätigkeit entfaltet werde, die über das normale Maß einer Vermietertätigkeit hinausgehe. Dies sei etwa gegeben, wenn die Gesellschaft neben der Überlassung der Wohnungen Zusatzleistungen erbringe (z.B. durch Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes), die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten und der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter i.S.d. § 15 EStG verleihen. Gleiches könne sich etwa aus der Erforderlichkeit einer Unternehmensorganisation aufgrund der Vermietung von Wohnheimzimmern mit häufig wechselnder Belegung ergeben.
Einer stärker an der Entstehungsgeschichte der Norm orientierten Auslegung erteilte der BFH eine Absage. Der aus der Gesetzesbegründung ersichtliche Wille könne nur insoweit Berücksichtigung finden, als er auch im Gesetz Niederschlag gefunden habe. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO Bezug genommen und eben nicht auf den Begriff des „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs“ i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB. Selbst wenn die Begriffe im Rahmen der Gesetzesbegründung als synonym angesehen wurden, könne dies nicht bei der Auslegung des erbschaftsteuerlichen Ausnahmetatbestands berücksichtigt werden.
Der BFH lässt zudem erkennen, dass er die von ihm gefundene Auslegung auch für verfassungsrechtlich geboten hält. Eine Verschonung vom Vorhandensein erheblichen Vermögens (großer Wohnungsbestand) abhängig zu machen, werfe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auf. Eine Verschonung als unternehmerisches Vermögen sei nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Vermietung nicht als bloße Vermögensverwaltung, sondern als Teil einer originär gewerblichen Tätigkeit darstelle. Nur bei entsprechend unternehmerischem Vermögen sei eine Besserstellung der Erwerber gegenüber den Erwerbern sonstigen Vermögens im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Praxisfolgen
Auf der Grundlage des Urteils ergibt sich für den Ausnahmetatbestand für „Wohnungsunternehmen“ ein erheblich verminderter Anwendungsbereich. Nach der Auslegung des BFH reduziert sich die Bedeutung der Norm zum gesetzlich geregelten Anwendungsfall der schon bisher von der Finanzverwaltung anerkannten Ausnahme für vermietete Immobilien, die im Rahmen einer einheitlichen gewerblichen Tätigkeit überlassen werden (vgl. Abschn. 13b.13 Satz 3 koordinierter Länderlass vom 22.06.2017, VA1245300).
Die Hürde für die Darlegung des erforderlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt auf der Grundlage der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate recht hoch (vgl. etwa BFH vom 14.07.0 2016 – IV R 34/13, BStBl. II 2017 S. 175 = DB 2016 S. 2697 m.w.N.; FG Baden-Württemberg vom 17.02.2016 – 4 K 1349/15, EFG 2016 S. 820, rkr.). Da gerade die Vermietungstätigkeit den Rahmen der Vermögensverwaltung überschreiten und einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordern muss, dürfte es zudem eher nicht ausreichen, wenn die Gesellschaft lediglich weitere gewerbliche Dienstleistungen am Markt anbietet (z.B. Maklertätigkeiten oder Mietnebenkostenabrechnungen), die aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vermietung stehen. Hierdurch dürften viele typische Wohnungsvermietungsunternehmen, für die der Ausnahmetatbestand eigentlich geschaffen werden sollte, aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen. Dieser wird eingeengt auf z.B. Anbieter sog. „serviced appartments“, betreuten Wohnens, etc.
Abzuwarten ist, wie die Finanzverwaltung auf die Entscheidung reagieren wird. Denkbar wäre insoweit eine Anpassung der Verwaltungsauffassung an die Auslegung des BFH, aber auch ein Nichtanwendungserlass – jedenfalls für noch offene Fälle, bei denen der maßgebliche Stichtag (§ 9 ErbStG) vor einer offiziellen Änderung der Verwaltungsauffassung liegt. Denn gerade in Konstellationen, in denen die Rechtsprechung zu Lasten der Steuerpflichtigen von einer Verwaltungsauffassung abweicht, ist grundsätzlich anerkannt, dass die Verwaltung aus Vertrauensschutzgründen Altfälle im Wege eines sachlich beschränkten Übergangserlasses noch nach ihrer bisherigen Praxis beurteilen kann (Desens, NZG 2018 S. 87 [92]). Soweit seitens der Finanzverwaltung verbindliche Auskünfte auf Grundlage der geltenden Verwaltungsanweisungen erteilt wurden, darf hierauf in noch offenen Fällen ohnehin vertraut werden.
Alternativ wäre es Sache des Gesetzgebers, den „verunglückten“ Verweis auf § 14 AO durch einen Verweis auf § 1 Abs. 2 HGB zu ersetzen, um der Norm den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens intendierten Anwendungsbereich zu geben. In diesem Fall würde allerdings die vom BFH aufgeworfene verfassungsrechtliche Fragestellung virulent. Da der maßgebliche Rechtfertigungsgrund für eine erbschaftsteuerliche Verschonung nach den Vorgaben des BVerfG aber nicht gerade in der gewerblichen Nutzung von Vermögen besteht, sondern in der Schaffung von Arbeitsplätzen (vgl. BVerfG vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015 S. 50 = RS1046342, Tz. 133 ff.), erscheint eine steuerliche Privilegierung jedenfalls eines Vermietungsunternehmens mit eigenem Personal aber nicht per se verfassungswidrig.