Reihengeschäfte: Subjektive Kenntnis des Erwerbers maßgeblich

StB, Dipl.-FW (FH) Ronny Langer, Partner bei KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Die Zuordnung der bewegten Lieferung in einem Reihengeschäft war trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – der Rechtsprechung der letzten Jahre ein Mysterium. Eine rechtssichere Beurteilung war bislang nicht immer möglich. Deshalb wurde das Urteil des EuGH in der Rs. Kreuzmayr (C-628/16, RS1264395) mit Spannung erwartet. Der EuGH bestätigt darin, dass stets die subjektiven Kenntnisse der Erwerber (gestützt durch objektive Gesichtspunkte) zu berücksichtigen sind und nicht nur isoliert die des Lieferanten. Die Absichtsbekundung eines Zwischenerwerbers zum Weiterverkauf ist damit ohne Bedeutung, auch wenn dies nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Toridas (C-386/16, UR 2017 S. 678) noch anders hätte vermutet werden können. Der EuGH verneint zudem einen Vertrauensschutz bei falscher Beurteilung des Reihengeschäfts.

Urteilsfall

In dem Urteilsfall war dem Enderwerber vom Finanzamt der Vorsteuerabzug versagt worden, weil die Warenbewegung falsch zugeordnet und dem Enderwerber deshalb zu Unrecht Umsatzsteuer berechnet worden sei. Der EuGH wurde daher gefragt, wie die Warenbewegung unter Berücksichtigung subjektiver Kenntnisse zuzuordnen sei und ob es bei falscher Zuordnung einen Vertrauensschutz geben könne. X1 hat Mineralölprodukte an X2 verkauft. X2 hat sich gegenüber X1 verpflichtet, für den Transport nach Österreich zu sorgen, und ist gegenüber X1 mit ihrer österreichischen USt-IdNr. aufgetreten. X2 hat von X1 Abholnummern und Abholausweise erhalten, die zur Abholung in den deutschen Raffinerien berechtigten. X2 leitete diese Belege an X3 weiter, informierte aber X1 nicht darüber, ob bzw. an wen sie die Produkte weiterverkauft hatte. Obwohl X1 davon ausging, dass X2 als reines Handelsunternehmen die Produkte weiterveräußert, war für X1 nicht ersichtlich, ob dies bereits geschehen war. X1 konnte nur erkennen, dass Produkte, die X2 bestellt hatte, abgeholt wurden.

Transportveranlassung

Die Produkte wurden von X3 mit eigenen Tankwagen oder von beauftragten Frachtführern abgeholt. Strittig war, wer den Transport veranlasst hat. X3 argumentierte, dass sie den Transport im Auftrag und für X2 durchgeführt habe. Der Unabhängige Finanzsenat hatte dies in der ersten Instanz noch anerkannt (UFS Linz 5.2.2013, RV/0281-L/12). Letztlich aber konnte X3 für die Beauftragung keine Nachweise erbringen. Im Revisionsverfahren entschied der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 2013/15/0114 vom 29.06.2016) deshalb, dass X3 den Transport veranlasst habe. Etwas überraschend nahm der VwGH in seinem Urteil nicht Bezug auf die EuGH-Rechtsprechung und die danach maßgeblichen Gesamtumstände.

Verschaffung der Verfügungsmacht

Mit der ersten Vorlagefrage wollte das Bundesfinanzgericht (BFG) wissen, ob die Warenbewegung der Lieferung X2 an X3 zugeordnet werden kann. Dem EuGH blieb insoweit nur ein begrenzter Spielraum, weil der erstinstanzliche UFS in seiner rechtlichen Würdigung Folgendes festgestellt hatte:

„Der Abnehmer des Abnehmers erlangt die tatsächliche Verfügungsmacht dort, von wo er den Gegenstand abholt bzw. abholen lässt. Da die Lieferung des Lieferers an den (ersten) Abnehmer der Lieferung des (ersten) Abnehmers an dessen Abnehmer logischerweise vorausgeht, erlangt der erste Abnehmer die Verfügungsmacht ebenfalls dort, wo der (zweite) Abnehmer die Verfügungsmacht erlangt hat.“

Diese rechtliche Würdigung wurde später weder vom VwGH noch vom BFG in seinem Vorlagebeschluss vom 30.11.2016 (RE/5100001/2016) in Frage gestellt. Der BFG schränkte seine Vorlagefrage an den EuGH sogar ausdrücklich ein mit der Angabe, dass „… X3 bereits im Mitgliedstaat A über die Waren wie ein Eigentümer verfügen konnte …“. Vor diesem Hintergrund musste der EuGH in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zu dem Ergebnis kommen, dass die Warenbewegung der Lieferung X2 an X3 zuzuordnen ist.

Subjektive Kenntnis

Fraglich war nur, ob die subjektiven Kenntnisse von Lieferanten und Erwerbern daran etwas ändern konnten. Der UFS hatte z.B. in der ersten Instanz zur Transportveranlassung ausgeführt: „Wer abholt, ist daher nicht objektiv, sondern aus der … Sicht des Ersten in der Reihe zu beurteilen. D.h., der Fall, dass der Dritte in der Reihe abholt, liegt nur dann vor, wenn dies (aus der Sicht des Dritten in der Reihe) für den Ersten in der Reihe erkennbar ist.“

Das BFG hatte zudem in seinem Vorlagebeschluss thematisiert, dass der Lieferant (X1) ohne entsprechende Mitteilung nicht beurteilen kann, ob es überhaupt einen Zweiterwerber (X3) gibt. Und selbst wenn der Lieferant vermutet, dass es einen Zweiterwerber gibt, kann er auch nicht beurteilen, wo dieser die Verfügungsmacht erhalten hat. Deshalb müsse berücksichtigt werden, welche Informationen der Lieferant vom Zwischenerwerber erhält. Laut BFG muss es also auf die subjektive Sicht des Lieferanten ankommen.

Dem widerspricht der EuGH. Er wiederholt seine Feststellung aus dem Urteil Euro Tyre (C-430/09, DB 2011 S. 150), wonach die Absichten zu berücksichtigen sind, die der Zwischenerwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden. Dagegen soll keine Bedeutung haben, dass der Erstlieferant nicht über den Weiterverkauf der Ware vor einer innergemeinschaftlichen Beförderung vom Zwischenerwerber an den Enderwerber informiert worden war und dass der Zwischenerwerber beim Erstlieferanten mit einer USt-IdNr. des Bestimmungsmitgliedstaates aufgetreten ist. Absichtsbekundungen des Erwerbers gegenüber dem Lieferanten können demnach weder zu berücksichtigendes Kriterium noch Gestaltungselement sein.

Vertrauensschutz

Mit der zweiten Vorlagefrage wollte das BFG wissen, ob X3 auch dann noch die von X2 berechnete Umsatzsteuer abziehen darf, wenn die Beurteilung des Reihengeschäfts durch die Beteiligten falsch erfolgte. Dies hat der EuGH kategorisch verneint. Vertrauensschutz komme nur dann in Betracht, wenn eine Verwaltungsbehörde vorher Zusicherungen gemacht und damit begründete Erwartungen bei den Beteiligten geweckt habe. Dies dürfte auch für eine unberechtigte Steuerbefreiung beim Lieferanten gelten.

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